„Ihre Karte, mein Herr, für die Anmeldung.“
Der Herr lachte.
„Ich bin kartenlos, sage nur, ich hätte etwas gefunden, was Durchlaucht gehört.“
Der Page klopfte. Ein sehr hellblonder Frauenkopf kam zum Vorschein und der Page entledigte sich seines Auftrags. Die Tür schloss sich wieder.
Der Page erklärte wichtig: „Das war die Zofe der Prinzessin.“
Der Fremde machte ein nachdenkliches Gesicht. Der sehr hellblonde Frauenkopf gab ihm zu denken.
Schon öffnete sich die Tür wieder.
„Durchlaucht lässt bitten!“
Luise Moldenhauer liess den Fremden ein, beachtete ihn aber kaum, erkannte den Kellner aus Zuckelmayers Festsälen nicht wieder.
Der Prinz sass am Schreibtisch, wandte sich nur ein wenig um.
„Man sagte mir, Sie hätten etwas gefunden, was ich verlor. Ich vermisse nichts bis jetzt. Um was handelt es sich?“
Kurz und unfreundlich klang es.
Der andere erwiderte leise: „Ich fand ein silbernes Zigarettenetui.“
Er hielt es dem Prinzen entgegen, ohne es jedoch loszulassen.
„Wo fanden Sie es? Es ist tatsächlich mein Eigentum.“
Der Prinz streckte die Hand aus.
„Ich fand es in Zuckelmayers Festsälen unter dem Tisch, wo Durchlaucht gesessen.“
Jetzt schaute Erwin Rödnitz dem Besucher scharf ins Gesicht, überlegte dabei blitzgeschwind.
„Ja, ich wollte mir mal so ein Ballokal ansehen. Aber woher wissen Sie meinen Namen, meine Adresse?“
Der Kellner hielt das Etui krampfhaft fest.
„Ich habe Durchlaucht schon vor dem gestrigen Abend bedient. Durchlaucht beschwerten sich bei meinem vorigen Chef, ich serviere tölpelhaft und ich verlor deshalb eine prachtvolle Stellung.“ Sein Gesicht färbte sich dunkler. „Ich war auf dem Weg nach oben! Ein paar Beschwerdeworte aus prinzlichem Munde schleuderte mich weit hinunter. Man muss leben, aber Zuckelmayers Festsäle verdanke ich nur Ihnen, Durchlaucht, sonst wäre ich heute noch in dem vornehmen Restaurant am Zoo.“
Dem Prinzen schien es, als läge in den Worten des Kellners versteckte Drohung.
Er erwiderte halblaut: „Ich kann mich nicht erinnern, mich über Ihre Bedienung beschwert zu haben, aber wenn ich es getan, dann war sicher Grund dazu vorhanden.“
„Natürlich, die vornehmen Leute sind immer im Recht,“ sagte der Kellner.
Der Prinz machte eine ungeduldige Bewegung. Wie lange wollte denn der Mensch das Zigarettenetui noch festhalten?
Er langte in ein Fach seines Schreibtisches, entnahm ihm einen Zwanzigmarkschein.
„Bitte, für Ihre Bemühungen, Herr —. Ja, wie heissen Sie denn?“
Der Kellner liess das Geld unbeachtet.
„Ich heisse Fritz Müller. In Wirklichkeit Fritz Müller. Sie sehen, Durchlaucht, es ist ein Durchschnittsname, jeder kann zufällig so heissen, und ich empfehle Ihnen, sich bei nächster Gelegenheit eines anderen Pseudonyms zu bedienen.“
Erwin Rödnitz hätte dem Mann am liebsten die Tür gewiesen, aber er wagte es nicht recht.
„Ich habe wenig Zeit, Herr Müller, und bitte Sie, mir nun mein Eigentum zurückzugeben und diese Belohnung dafür anzunehmen.“
Er hielt ihm abermals den Geldschein entgegen.
Der Kellner machte keine Miene, danach zu langen.
„Verzeihung, Durchlaucht, aber ich möchte keine Belohnung für einen so selbstverständlichen Dienst. Dagegen —“ er schob eine winzige Pause ein, „wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mir eine kleine Summe leihen würden, Durchlaucht. Ich habe nämlich Gelegenheit, eine hübsche, kleine Wirtschaft zu übernehmen zu vorteilhaftesten Bedingungen, und weil ich mich gern selbständig machen möchte, und weil Sie, Durchlaucht, doch die Schuld tragen, dass ich mich zurzeit in minderwertiger Stellung befinde, ist es wohl nicht mehr als recht und billig, dass Sie mir wieder, wie man so sagt, aus dem Dreck helfen.“
Erwin Rödnitz begriff.
„Sie wollen mich erpressen, mein Lieber, nicht wahr? Sie meinen, weil ich mal ein Viertelstündchen in einem obskuren Tanzlokal gewesen, diese Wichtigkeit müsste das Licht der Welt scheuen?“ Er lachte erzwungen. „Unsereins interessiert sich auch mal für sowas wie ein Ballokal, und wenn es mir einfallen sollte, das Leben in einer Kaschemme kennenlernen zu wollen, so darf ich das auch tun.“
Der Kellner nickte. „Freilich, Durchlaucht, und ich finde auch nichts dabei, dass Sie Zuckelmayers Festsäle beehrt haben. Das Wort „erpressen“ sollten Sie nicht wiederholen, denn ich könnte es übelnehmen.“
„Geben Sie mir mein Eigentum und halten Sie mich nicht länger auf.“
Der Prinz schob heftig seinen Stuhl zurück.
Der andere rührte sich nicht vom Fleck.
„Wie ist es mit der Anleihe, Durchlaucht? Ich brauche nur fünftausend Mark auf die hübsche kleine Wirtschaft anzuzahlen.“
„Mann, jetzt habe ich es satt. Entweder Sie gehen jetzt gutwillig oder ich klingele.“
Der Kellner rührte sich immer noch nicht.
„Klingeln Sie nur, Durchlaucht. Ihre Partnerin von gestern Abend, die blonde Zofe der Frau Prinzessin, wird dann sicher zu Ihrem Schutz herbeieilen.“
„Das blöde Weibsbild hat geschwatzt!“ entfuhr es dem Prinzen.
Der Kellner schüttelte den Kopf.
„Das Mädel hat dicht gehalten, aber da mir der Hotelpage erzählte, die hellblonde Person, die uns die Tür öffnete, wäre die Zofe der Frau Prinzessin, wusste ich Bescheid. Uebrigens hat sie mich nicht mal erkannt!“
Erwin Rödnitz war wütend. Der gestrige Abend kam ihm teuer zu stehen.
Er sagte, so ruhig es ihm nur möglich war:
„Fünftausend Mark sind viel Geld. Meinen Sie, unsereins hat das Geld immer so bei der Hand? Ich werde Ihnen fünfhundert Mark schenken.“
Fritz Müller verbeugte sich.
„Ich möchte das Anerbieten nicht annehmen, da mir damit nicht geholfen ist. Ich werde jetzt der Frau Prinzessin das Etui aushändigen und sie bitten, mir darauf Geld zu leihen.“
„Sie sind ein ganz gemeiner Erpresser!“ rief Erwin Rödnitz zornig.
Im selben Augenblick war der Andere mit schnellem Sprung an der Tür, die er aufriss, und nun stand er vor der Prinzessin, die eben eintreten wollte.
Fritz Müller war verblüfft. Er hatte den Prinzen nur einschüchtern und gefügig machen wollen.
Wenn es zu einem Skandal kam, durfte er auf keinen Vorteil mehr rechnen.
Margarete trat beiseite, wollte den aus dem Zimmer Kommenden an sich vorbei lassen.
Er blieb stehen.
Der Prinz hatte seine Frau nicht gesehen. Er rief erregt: „Also, in Dreiteufelsnamen, Mann, bleiben Sie. Ich werde Ihnen das Geld geben, im übrigen interessiert es meine Frau gar nicht, ob ich mit ihrer Zofe in einem Tanzlokal war oder sonstwo.“
Der Kellner klappte zusammen.
Nun hatte sich der Prinz selbst reingeritten.
Deutlich waren die Worte aus dem Munde ihres Mannes an Margaretes Ohr gedrungen. Wenn sie auch keine Zusammenhänge sah, war der eine, einzige Satz doch so klar und deutlich gewesen, dass es daran nichts mehr zu drehen und zu deuteln gab.
Sie schritt an dem Besucher vorüber auf ihren Mann zu. Sogar ein Lächeln fand sie, weil sie nicht klein werden wollte vor den beobachtenden Blicken des ihr unsympathischen Fremden
Sie sagte so leichthin, wie es ihr nur möglich war: „Natürlich interessiert es mich nicht, wo du mit meiner Zofe gewesen bist, aber es ist geschmacklos, in meiner Gegenwart davon zu sprechen.“
Der Kellner riss die Augen auf. Donnerwetter, das schien ja eine sehr eigenartige Ehe zu sein, diese prinzliche.
Erwin Rödnitz biss auf seiner Unterlippe herum. Nun sass er fest. Aber er bewunderte aufrichtig die Art und Weise, wie seine blutjunge Frau die doch gewiss heikle Situation beherrschte.
Es imponierte ihm,
Fritz Müller hatte die Tür ins Schloss gedrückt. Er sah den Prinzen an.
„Durchlaucht sagten eben, ich solle das Geld haben —“
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