Selbstbefriedigung steht gleich als erstes auf dem Lehrplan. Grundschüler sollen Fragen diskutieren wie: »Was ist, wenn dein Freund oder deine Freundin Sex haben wollen, du aber nicht?« Kinder ab der siebten Klasse sollen Begriffe wie »Sadomaso«, »Orgasmus«, »Homosexualität« und »Darkroom« interpretieren und darstellen. Ziel ist es, dass Kinder eine »selbstbestimmte und angstfreie Sexualität entwickeln«.
Ängstlich sind sie.
Doch wie sollen sie »selbst« etwas »bestimmen«? Wie sollen sie schon als Kleinkinder ein »Selbst« haben, das die Erwachsenen noch suchen?
Auch hier sind keine elektronischen Medien nötig. Ob Pornofilme eingesetzt werden sollen, ist noch umstritten. Man braucht sie eigentlich nicht. Es genügt, wenn bei den Kindern Fantasien ausgelöst werden, wenn »nackte Bilder«, wie sie sagen würden, vor ihrem inneren Auge auftauchen. Ausgerechnet die Grünen, die für den Schutz der Umwelt vor Verschmutzung angetreten sind, machen sich nun für die Verschmutzung der Innenwelt von Kindern stark.
Das Programm, mit dem man in der Schule schon so früh wie möglich anfangen will, heißt tatsächlich Für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt . Doch wie – bitte schön – können Kinder etwas akzeptieren, was sie nicht kennen und auch nicht kennen dürfen, weil sofort der Jugendschutz eingreifen würde, wenn es ihnen zum Beispiel ein Kinofilm zeigen wollte. Wenn Kinder wirklich etwas »selbst« bestimmen sollen, müsste man sie in Ruhe lassen. Gerade das tut man nicht. Der Jugendschutz müsste schon in dem Moment eingreifen, wenn solche Programme entwickelt werden. Gerade das tut er nicht.
In Erfurt wurde ein vierzehnjähriger Junge durch einen Knutschfleck überführt, den er einem dreizehnjährigen Mädchen beigebracht hatte (er hatte sie geküsst und außerdem durch die Kleidung im Genitalbereich berührt). Er wurde zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt und sollte zudem – später wurde allerdings, nachdem sich das Bundesverfassungsgericht (!) mit dem Fall beschäftigt hatte, anders entschieden – eine DNA-Probe für die Gendatei »Sexualstraftäter« hinterlassen, obwohl er beteuerte, dass das Mädchen einverstanden gewesen sei und das auch so gewollt habe.
Wie passt das zusammen?
Schon aus der erwähnten Broschüre von Philipps lässt sich herauslesen, dass hier eine Trennung vorgenommen wird: Frauen und Mädchen dürfen, Männer und Jungs nicht. Es wird nur indirekt, aber deutlich genug erklärt: Das Inzesttabu soll nicht für Mütter gelten; denn es ist eine »patriarchalische Erfindung«, mit der sich der Mann zwischen Mutter und Sohn stellt und so die »innige Verschränkung« von Mutter und Kind stört.
Wenn ein Junge etwa vier Jahre alt ist, »rivalisiert« er mit dem Vater; in der Situation soll die Mutter vorbeugend eingreifen und ihre Liebe »gerecht aufteilen«, um keinen zu »benachteiligen«. In diesen Broschüren wird über Liebe gesprochen, als ginge es um Nachtisch und als hätte eine Mutter noch nie die Erfahrung gemacht, dass der Appetit und die Geschmäcker verschieden sind. Der erotischen Liebe zwischen den Eltern wird, wenn auch noch die Kinder mitmachen, zwar die Exklusivität genommen, aber das ist, wenn wir den Ratschlägen folgen, nicht so wichtig; die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Generationen sollen sowieso eingeebnet werden. Spannungen, die sich daraus ergeben, sollen rechtzeitig abgebaut werden, das Kind soll von vornherein kein übermäßiges Interesse an der Sexualität entwickeln – nur ein mäßiges, es soll den Geschlechtsverkehr als etwas »Normales« empfinden. Eltern sollen ein Kind getrost mit ins Bett holen und erklären, dass das, was sie da machen, ein »Spiel« ist. Eines, bei dem das Kind mitspielen darf.
Mütter sind entschuldigt. Was als patriarchalische Erfindung erkannt und damit gebrandmarkt ist, gilt nicht mehr als Maßgabe für moderne Frauen. Die gelten als mutig, wenn sie sich von Zwängen, die Männer erschaffen haben, lossagen.
Als »kontroversestes« (aber auch als das »krankhafteste«) Buch des Jahres 2013 wurde der Überraschungserfolg Tampa von Alissa Nutting bezeichnet, ein pornographischer Roman aus der Sicht einer weiblichen Pädophilen – einer Lehrerin, die ihre Schüler verführt und schon in der Nacht vor ihrem ersten Unterrichtstag in einer »erregten Endlosschleife« von Selbstbefriedigungen keinen Schlaf findet. Der Autorin bescherte das Buch Erfolg und mediale Aufmerksamkeit; sie ist eine junge, attraktive Frau, sie darf so etwas schreiben, sie muss sich nicht vor Konsequenzen fürchten. Auch ihre Heldin wäre im richtigen Leben längst nicht so gefährdet, wie es ein Mann wäre. Sie hätte gute Chancen, dass man ihre Übergriffe stillschweigend durchgehen ließe und sie nicht weiter behelligte. Weibliche Pädophile haben ein berühmtes Vorbild: Simone de Beauvoir. Die wurde zwar aus dem Schuldienst entlassen, als aufflog, dass sie Schülerinnen zu Sexspielen verführt hatte, ihrer Bedeutung als Ikone der Frauenbewegung hat es aber nicht geschadet.
Die Freiheiten, die sich Frauen herausnehmen und ständig weiter ausbauen, finden ihr Gegenstück in der zunehmenden Unfreiheit der Männer, für die neue Straftatbestände geschaffen werden. Sie stehen unter verschärfter Beobachtung, sie sind nur noch geduldet, als wären sie in einer missgünstigen Frauenwelt auf Freigang, sie dürfen sich nicht die kleinsten Ausrutscher leisten und keinesfalls nachts an einer Bar einer neugierigen Journalistin gegenüber die Worte »Tanzkarte« oder »Dirndl« fallenlassen.
Ein Vater, der in Scheidung lebt, hat nur wenige Möglichkeiten, den Umgang mit seiner dreijährigen Tochter wahrzunehmen. Die nutzt er, so gut er kann. Das Mädchen hat gerade eine Pilzinfektion im Windelbereich; dem Vater wird eine Salbe mitgegeben, mit der er das Kind zweimal täglich einreiben soll. Kurz darauf folgt eine Vorladung beim Jugendamt, der Verein Wildwasser e. V . wirft ihm sexuellen Missbrauch vor.
Eine Beilegung erfolgt in solchen Fällen dann meist außergerichtlich, aber nur, wenn der Verein einen Rückzieher macht und feststellt, dass höchstwahrscheinlich doch kein Missbrauch vorgelegen hat. Das ist beileibe keine Ausnahme; so etwas kommt in Umgangs- und Unterhaltsverfahren derart häufig vor, dass man es den »Salben-Trick« nennt. Solche Tricks, Foulspiele und Verdächtigungen kennzeichnen das gegenwärtige Klima. Junge Männer werden zwar in Kindergärten händeringend als Erzieher gesucht, doch da stehen sie schon mit einem Bein im Gefängnis. Windeln wechseln dürfen sie nur unter Aufsicht.
Die Arbeitsgemeinschaft Wildwasser lehnte es – zumindest in der Anfangsphase – grundsätzlich ab, mit sexuell missbrauchten Jungen zu arbeiten, und verweigerte ihnen jegliche Hilfe. Zu öffentlichen Vorträgen wurde Männern kein Zutritt gewährt, es gab extra Rausschmeißerinnen, die entschlossen eingriffen, wenn sich einer vorgewagt hatte. Das Thema Missbrauch sollte ein Monopol der Frauen bleiben. Frauen beanspruchen, wie es heißt, die »Deutungshoheit«, Jungs sind grundsätzlich keine Opfer, Mütter sind keine Täter. In Werbeanzeigen von Wildwasser heißt es: »Sexueller Missbrauch schadet Mädchen immer.« Jungs kommen in so einer Sichtweise nicht vor.
So schadet man speziell Vätern und Jungs und macht allen Kindern Angst vor Männern. Damit rechtfertigen sich weitere Maßnahmen zur Förderung einer »angstfreien« Sexualität. Doch die Angst vor dem Mann ist maßlos, sie ist so überrissen, dass es keine Rettung mehr gibt. Die Kinder lernen früh, dass alle Männer als potentielle Vergewaltiger und als Verbrecher anzusehen sind.
Da darf ein vierjähriges Kind ausnahmsweise mit dem Scheidungsvater einen Jahrmarkt besuchen. Anschließend trifft beim Jugendamt ein Schreiben ein, das Kind sei verstört gewesen und hätte immer wieder etwas von einem »Würstchen« erzählt, was auf sexuellen Missbrauch schließen lasse. Ein Lehrer sollte eine Schülerin bei einem Wandertag lieber nicht mit Mückencreme einreiben, auch nicht vor Zeugen, es könnte ihn ruinieren. Die Gefahr besteht darin, dass allein die Anwendung der Creme – ohne dass daraus etwas folgt – als Missbrauch gelten kann. Ein Vater, der dabei »erwischt« wird, wie er auf dem Kinderspielplatz die Wollstrumpfhose seiner Tochter zurechtzieht, muss sich, wie Ralf Bönt in Das entehrte Geschlecht berichtet, vor der flugs herbeigerufenen Polizei ausweisen. Kinder – genauer gesagt Mädchen – lernen schon früh, dass die Berührung durch einen Mann traumatische Schäden hinterlassen kann, die sie ein Leben lang begleiten werden und ihnen ein späteres Glück unmöglich machen.
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