Ulf Krämer
Rossi
Jörg Roßkopf – Die Biografie
VERLAG DIE WERKSTATT
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Umschlagfoto: Dr. Stephan Roscher
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-89533-867-0
Inhalt
Vorwort
KAPITEL 1
»Mich kann heute keiner schlagen«
Europameisterschaften 1992 in Stuttgart
KAPITEL 2
»Er hat nie irgendeinen Blödsinn gemacht«
Die Jugend
KAPITEL 3
Ein schlafender Riese wird geweckt
Weltmeisterschaften 1989 in Dortmund
KAPITEL 4
Vom Lehrling zum Leader
Erfolge mit Borussia Düsseldorf
KAPITEL 5
Für einen Sportler gibt es nichts Größeres
Die Olympischen Spiele
KAPITEL 6
Die goldene Generation
1989 bis 2000
KAPITEL 7
»Ich bin ein Kämpfer«
Verletzung, Krise, Enttäuschungen
KAPITEL 8
Das Markenzeichen zum Schluss – die krachende Rückhand
Vom Spieler zum Trainer
ANHANG
Sportliche Erfolge und Turnierteilnahmen
Zum Autor
Vorwort
Den ersten Kontakt mit Jörg Roßkopf hatte ich mit der Unterschrift unter einen Sponsor-Vertrag mit dem damals Zehnjährigen, der von seinem Trainer Horst Heckwolf als Talent aus Hessen empfohlen wurde. Er war einer der vielen jungen Tischtennisspieler, die von JOOLA über all die Jahre gefördert wurden und werden.
Dass er der erfolgreichste werden könnte, habe ich offen gesagt nicht vermutet, als ich ihn dann zum ersten Mal persönlich traf. Da war er vielleicht zwölf – ein schlaksig wirkender Junge mit einer etwas merkwürdigen Technik und einer Rückhand, die man so eigentlich nicht spielen durfte. Aufgefallen ist mir nur die Ernsthaftigkeit, ein passenderes Wort fällt mir nicht ein, mit der er damals schon seinen Sport betrieb.
Nicht lange danach war aber abzusehen, dass da einer ist, der einmal ein großer Spieler werden wird. Mit seinen Eltern (denen Jörg sehr viel zu verdanken hat) habe ich dann vereinbart, dass ich mich intensiv um ihren Sohn kümmern werde, sowohl in sportlichen als auch finanziellen Dingen. Sie haben mir vertraut, genau wie Jörg.
Der »Manager« Bachtler war geboren, ein Novum im Tischtennis zur damaligen Zeit – es hat etwas gedauert, bis sich der Verband und die Vereine daran gewöhnt hatten, dass da einer ist, der einzig und allein die Interessen von Jörg im Sinn hat. Den »Manager« stelle ich übrigens deshalb in Anführungszeichen, weil ich diesen Job von Anfang an bis heute sozusagen ehrenamtlich ausgeübt habe.
Beruf: Tischtennisspieler. Das hat der 16-jährige Jörg Roßkopf eingetragen, wenn im Hotel ein Meldebogen auszufüllen war. Und das war er dann auch schon in diesem Alter, als er die Schule beendet hatte und Profi wurde. Ein Wagnis für die Eltern, für mich, der ich dazu geraten hatte, nicht für Jörg – sein Ziel war klar, und er hat es nie aus den Augen verloren: Er wollte einer der besten Tischtennisspieler der Welt werden.
Unzählige Male habe ich Jörg spielen sehen. Es hat mich bei seinem Abschiedsspiel in Hanau, als er gegen Svensson diesen einen Wahnsinnsball abgefeuert hat, genauso gepackt wie in all den Jahren davor – als er gegen Ding Yi in Paris bei seiner ersten EM im Viertelfinale gewann, als er gegen Erik Lindh in Delhi beim denkwürdigen 4:5 gegen Schweden den letzten Satz verlor und wir alle mit den Tränen kämpften, natürlich beim WM-Sieg im Doppel mit Steffen Fetzner, beim sicher dramatischsten Spiel seiner Karriere gegen Kim Taek Soo bei den Olympischen Spielen in Atlanta und und und …
Kein einziges Mal in dieser Zeit habe ich gesehen, dass er die Entscheidung eines Schiedsrichters beanstandet hat oder es irgendeine Diskussion mit einem Gegner gab – nicht nur seine Erfolge, sondern auch das persönliche Auftreten von Jörg hat sicher zu seiner Popularität beigetragen, ihm zu dem Titel »Mister Tischtennis« verholfen.
Aus dem Spieler/Manager-Verhältnis ist eine Freundschaft geworden – ich bin stolz darauf, eine der großen Sportler-Persönlichkeiten Deutschlands meinen Freund zu nennen.
Michael Bachtler,
Geschäftsführer der JOOLA Tischtennis GmbH + Co. KG
KAPITEL 1
»Mich kann heute
keiner schlagen«
Europameisterschaften 1992 in Stuttgart
Ein angenehmer Sommertag im Juli 2011, der Marktplatz in Darmstadt ist um neun Uhr morgens noch kaum belebt. Einige wenige Passanten tummeln sich um den alten Brunnen, an dem ich mit Jörg Roßkopf verabredet bin. Nicht weit entfernt von hier liegt die Heimat des Mannes, der das deutsche Tischtennis verändert hat wie kein Profi vor oder nach ihm.
Ich war noch nie zuvor in dieser hessischen Stadt, und genauso wenig habe ich Roßkopf bis heute persönlich getroffen. Als Kind hat er mir einst ein Autogramm gegeben, doch das ist fast 20 Jahre her. Dennoch erkenne ich ihn sofort. Pünktlich steht er im Schatten der alten Häuserfront gegenüber.
Vor einigen Wochen ist Jörg Roßkopf 42 Jahre geworden. Seine aktive Karriere ist beendet, als Bundestrainer spielt er aber nach wie vor eine entscheidende Rolle im DTTB. Ich freue mich, ihn zu sehen, und auf das bevorstehende Gespräch. Man hat mir in der Vorbereitung viel Positives über ihn erzählt, wie sympathisch und entspannt er doch sei. Ich möchte mir lieber selbst ein Bild machen, versuche, unvoreingenommen zu sein. So will ich auch schreiben, es dem Leser überlassen, sich eine Meinung zu bilden. Doch ich merke schon nach wenigen Minuten: Das wird nicht einfach.
Wir gehen frühstücken. Das Buchprojekt habe ich am Tag zuvor mit Michael Bachtler und meinem Bruder Achim als Ansprechpartner der Firma JOOLA besprochen. Ich stelle unsere Vorstellungen und mein Konzept vor. Dann beginnt Roßkopf zu erzählen. Er ist locker, gut gelaunt und dabei sehr fokussiert. Er weiß ganz genau, was er will und sagt. Ein Markenzeichen seiner Karriere macht sich auch in diesem ersten Gespräch bemerkbar. Jörg Roßkopf ist bei allem, was er anpackt, konzentriert und zielstrebig. Ich bin erleichtert und zugleich von den Worten gebannt. Mag für viele Menschen Tischtennis eine langweilige Randsportart sein, ein Waisenknabe im Vergleich zu Fußball oder Formel 1. Doch was Roßkopf in seiner Karriere geleistet und erlebt hat, ist überragend, und seine Erfahrungen heben sich weit von denen ab, die andere ihr Eigen nennen dürfen. Er ist bereit, sie mit uns zu teilen. Seine Erinnerungen beginnen in Stuttgart, einem der Meilensteine seiner Karriere.
Die Stimmung in der Hanns-Martin-Schleyer-Hallekönnte an diesem 20. April 1992 nicht besser sein, schwankt irgendwo zwischen Vorfreude und Enthusiasmus. Doch die Zuschauer warten nicht etwa auf einen Auftritt des damals populärsten deutschen Sportlers, Boris Becker. Hier tritt gleich ein junger Mann aus Hessen gegen einen Belgier an. Die Bälle sind kleiner, aber schneller und vor allem werden sie mit viel Rotation gespielt – was es für Laien immer wieder schwer macht, Tischtennis zu verstehen. Heute ist der letzte Tag der Europameisterschaften, nur noch ein Spiel steht auf dem Programm. Traditionell endet die EM mit dem Endspiel im Herreneinzel. Zum ersten Mal nach Erich Arndt 1962 in Berlin steht wieder ein Deutscher im Finale. Arndt musste sich damals Hans Alser aus Schweden geschlagen geben. Nun hat Jörg Roßkopf die Chance, es besser zu machen. Dabei hat alles recht durchwachsen begonnen.
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