Peter Stahlhut
Elf märchen
müsst ihr hören
Wundersame Geschichten
um den FC Schalke 04
VERLAG DIE WERKSTATT
Peter Stahlhutlebt als alleinerziehender Vater zweier Kinder im schönen Ennepetal und arbeitet als Bauingenieur in Hagen. Dieser „Märchenband“ ist seine erste Buchveröffentlichung. Die Idee dazu entstand, als er seinen Jungs anhand eines Bilderbuchs immer wieder die Geschichte der „Drei kleinen Schweinchen“ erzählt hat. Das Buch war dummerweise auf Italienisch geschrieben und so hat er das Märchen immer „frei“ erzählen müssen. Auf den Bildern hatten die Schweinchen ein gelbes, ein rotes und ein blaues T-Shirt an, und wie der Zufall es wollte, war es das blaue das „Schalke-Schwein“, welches so schlau war, seine Arena aus Stein zu bauen. Seine Kinder haben diese Art der Erzählung geliebt. Irgendwann kam ihm der Gedanke, auch andere Klassiker blau-weiß einzufärben.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
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Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen
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Coverabbildung: dpa
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-7307-0030-3
Thonröschen
Die drei kleinen Schalker
Rumpelfußball
Hans im Glück
Der gestiefelte Schalker
Der Wolf und die sieben Schalker
Herr Trainer
Blaukäppchen
Das tapfere Schalkerlein
Schalker Kumpel
Schneetrickchen
Es war einmal ein Präsident und sein Manager, die sagten sich jeden Tag: „Ach, wenn wir doch einen jungen Wunderstürmer aus der eigenen Nachwuchsarbeit hätten!“, aber nie war ein Ausnahmetalent in der eigenen Jugend dabei. Da trug es sich zu, als der Präsident einmal ein sprudelndes Entmüdungsbad im Kabinentrakt der Arena nahm, dass eine Putzfrau, die in den Katakomben gerade die Mülleimer leerte, zu ihm kam und sprach: „Dein Wunsch wird in Erfüllung gehen: Noch in diesem Jahr wird zu euren Mini-Kickern ein Junge kommen, dessen Talent noch bei Weitem größer ist als das von Messi, Ronaldo und Pelé zusammen.“
Was die Putzfrau prophezeit hatte, trat tatsächlich ein, und der Manager verpflichtete einen außergewöhnlich begabten sechsjährigen Knaben. Der Präsident war so begeistert, als er ihn das erste Mal am Ball sah, dass er für alle Freunde, Bekannten, Vereinsmitglieder und Fans bei der großen Saisoneröffnungsparty Freibier spendierte. Aber nicht nur das, er lud sogar die Fußball-Nationalmannschaft ein, damit sie dem Jungen Glück wünschen und vielleicht ein paar Tricks zeigen könnte. Dummerweise hatte er aber nur zehn Plätze in seiner Loge, und so musste einer der elf Elitekicker zu Hause bleiben.
Die Party stieg mit allem Brimbamborium, das man sich nur denken kann, und als sie zu Ende war, beschenkten die Nationalspieler den Kleinen mit Autogrammkarten, Trikots und Fußbällen und gaben ihm wertvolle Tipps: Der eine zeigte ihm das Geheimnis eines sauberen Tacklings, der andere die Kunst des Freistoßschießens, der dritte den Fallrückzieher – eben alles, was man als kompletter Spieler von heute so braucht.
Als neun ihre Tricks an den kleinen Mann gebracht hatten, erschien plötzlich der Elfte auf der Bildfläche. Er wollte sich dafür rächen, dass er keine Einladung erhalten hatte, und ohne irgendjemanden zu grüßen oder auch nur eines Blickes zu würdigen, rief er mit lauter Stimme: „Der Wunderknabe soll sich in seiner ersten Saison als Profi am Kopfballpendel eine Hirnblutung holen und tot umfallen!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich wieder um und verließ die Arena in Richtung Lüdenscheid. Alle waren geschockt, da trat der Zehnte hervor, der seine Tricks und Wünsche noch nicht weitergegeben hatte, und weil er den schwarz-gelben Fluch nicht aufheben, sondern nur mildern konnte, so sagte er: „Er soll aber nicht gleich tot sein, sondern nur in einen 100-jährigen Schlaf fallen.“
Der Präsident, der seinen Wunderspieler, als auch den ganzen Verein, vor dem Unglück bewahren wollte, ließ sofort alle Kopfballpendel vom Vereinsgelände entfernen. Die Jahre vergingen, und alle Tricks, die die Nationalspieler dem Jungen gezeigt hatten, gelangten bei ihm zur Perfektion: Fallrückzieher wie Klaus Fischer, Einsatz wie Yves Eigenrauch, Flanken wie Jörg Böhme und die Übersicht eines Olaf Thon. Ihm beim Spielen zuzusehen war die reinste Freude.
Es geschah, dass der Präsident und sein Manager einen Sponsorentermin wahrnehmen mussten, just am ersten Spieltag der Saison, in der der Junge erstmalig in den Profikader berufen worden war, noch am Morgen vor dem Anpfiff. Der Junge wandelte also alleine über das Vereinsgelände und durch die Gänge der Arena und sah sich in Ruhe die Kapelle, die Fressbuden und Fanshops an. Er schritt am Museum entlang und kam schließlich zum alten Parkstadion. Er ging hinein, die alte Rolltreppe herunter, und als er um die Ecke bog, war da ein alter Mann im Trainingsanzug, der emsig um ein Kopfballpendel herumsprang.
„Glück auf“, sprach der jugendliche Kicker, „was machst du da?“ „Ich übe das Kopfballspiel“, antwortete der Alte und nickte mit dem Kopf. „Was ist das für ein Ding, mit dem du da so lustig herumspielst?“, fragte der Junge neugierig und ging zu dem Pendel hinüber, um ebenfalls ein paar Kopfbälle zu probieren. Kaum hatte er aber den ersten Ball angerührt, so ging der Zauberspruch in Erfüllung, und die Erschütterung seines Kopfes verursachte die prophezeite Hirnblutung.
Er taumelte noch einige Schritte, dann sank er auf der ehemaligen Ersatzbank nieder und fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Der verwunschene Schlaf breitete sich über das ganze Vereinsgelände aus. Der Präsident und der Manager, die eben heimgekommen waren und ihre Büros betreten hatten, schliefen ein und alle Mitarbeiter der Geschäftsstelle mit ihnen. Auch die Kampfschweine und Wadenbeißer auf, die Kiebitze neben sowie die Maulwürfe unter dem Trainingsplatz schliefen einfach ein. Selbst die Phosphatwürstchen auf dem Grill hörten auf zu brutzeln, und das Bier aus den Leitungen der Arena hörte auf zu sprudeln. Der Co-Trainer, der gerade ein paar Bankdrücker aufgrund ihrer konditionellen Schwächen mit Medizinbällen triezen wollte, ließ seine Trillerpfeife sinken und nickte ein. Und der Wind legte sich, und sogar das Rauschen im Blätterwald der Medien verstummte.
Rings um das Vereinsgelände aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, die jedes Jahr höher wurde und schließlich das ganze Berger Feld umzog und darüber hinauswucherte, so dass nichts mehr davon zu sehen war, nicht einmal das große Vereinswappen auf dem Dach der Geschäftsstelle. Es ging aber im Pott die Sage vom schlafenden Wunderspieler Thonröschen um, denn so wurde der junge Kicker von den Leuten genannt, so dass von Zeit zu Zeit Trainer und Scouts von namhaften europäischen Vereinen kamen und versuchten, durch die Hecke zum Vereinsgelände vorzudringen. Aber keiner von ihnen schaffte es, denn die schwarzen Dornen krallten sich so fest wie Zecken, und die Trainer blieben darin hängen, konnten sich aus eigener Kraft nicht wieder befreien und starben eines jämmerlichen Todes.
Nach vielen, vielen Jahren kam wieder einmal ein junger Trainer in den Pott und hörte, wie ein alter Bergmann von der Dornenhecke erzählte: Es sollte eine herrliche Arena dahinter stehen, in welcher ein Jahrhunderttalent von Fußballer, Thonröschen genannt, schon seit 100 Jahren schliefe, und mit ihm schliefe auch der Präsident und der Manager des Vereins sowie die komplette Belegschaft der Geschäftsstelle. Er wusste auch von seinem Opa, dass schon viele Trainer und Scouts gekommen wären und versucht hätten, durch die Dornenhecke zu dringen, aber sie wären allesamt darin hängen geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Trainer: „Das schockt mich nicht, ich will unbedingt dahin und mir diesen Thonröschen ansehen.“ Der Alte konnte noch so sehr versuchen, ihm die Sache wieder auszureden, es war zwecklos, der Trainer wollte einfach nicht hören.
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