Lukas Bärfuss - Die Krone der Schöpfung

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In seinen Kolumnen äußert sich Lukas Bärfuss zu vielfältigen, aber immer drängenden Fragen unserer Zeit.
"Die Geschichte bewegt sich nicht im Ochsengang, nicht in einem gleichmäßigen Trott. Sie gleicht eher den wilden Sprüngen eines Pferdes, das nach Tagen im Stall wieder auf die Weide gelassen wird", heißt es bei Lukas Bärfuss. Und er unterzieht sie in seinen Kolumnen 2019/2020 gewissermaßen in Echtzeit seinem prüfenden Blick, etwa wenn er sich staunend klarmacht, was eigentlich das wirklich Neue an einem eben auf den Markt kommenden iPhone ist: nichts Wesentliches, und wenn er dann aber resümiert, welche grundstürzenden Dinge passiert sind in den wenigen Jahren, die es dieses Telefon überhaupt erst gibt. Seit 2008 nämlich. Das Kleine und das Große sind auf eine verblüffend einleuchtende Weise miteinander verzahnt. Bärfuss springt in seinen Themen, mal ist er analytisch kühl, mal argumentiert er leidenschaftlich polemisch, ob es um Corona geht oder um die Gleichberechtigung der Frauen, um Identitätspolitik, um die USA, China, den Brexit und immer wieder um die Schweiz. Durchaus bemerkt er, dass die ständigen Veränderungen den Menschen Angst machen können, aber dennoch macht er als die größere Gefahr die Stagnation aus. Als wacher Zeitgenosse will er sich einmischen, als genauer Beobachter und denkender Mensch, der Politisches und Poetisches in der Tradition Heinrich Heines zusammenbringt.

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Im Falle der Toten ist die Ausräumung dieser Missverständnisse nicht möglich. Wir können die Toten nicht befragen, in welchem Sinne sie ein gewisses Wort verstanden und verwendet haben. Wenn ich einen Text aus dem Jahre 1913 lese, der äußersten zeitlichen Grenze, für die es noch Zeugen gibt, dann gehe ich davon aus, dass die meisten Begriffe meinem heutigen Verständnis entsprechen. Ich lese einen Satz aus dem »Fliegenpapier« von Robert Musil, aber ich erschließe diesen Satz mit der Empfindung eines Menschen des Jahres 2020. Etwas anderes ist unmöglich. Trotzdem gehe ich davon aus, dass die Übereinstimmung zwischen seinem und meinem Empfinden so groß ist, dass ich das, was er sagen wollte, ungefähr verstehen kann. Natürlich stocke ich, wenn ich in seinem Text die Worte »Aeroplane« und »Negeridole« lese. Mein Stocken führt aber nicht dazu, dass ich glaube, den Text nicht zu verstehen, ich füge diese kleine Unsicherheit bloß auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch zurück, nicht auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen seinem, Musils, und meinem Empfinden.

Aber das ist nur eine hilfreiche Unterstellung. Es ist denkbar, dass für Musil jeder einzelne Begriff eine völlig andere Bedeutung besaß und meine Interpretation des Textes ein vollkommenes Missverständnis darstellt. Der Wortschatz kann der gleiche bleiben, die Bedeutung hingegen eine völlig andere sein, und nur die Grammatik würde uns dazu verleiten, das von Musil Gemeinte mit meinem Gemeinten zu verwechseln.

Wir sprechen davon, dass ein Ereignis »weiter« in der Vergangenheit liege als ein anderes. Wir benutzen einen räumlichen Begriff und behelfen uns mit einer Analogie. Die Zeit schafft allerdings keine Distanz. Der Moment von vor fünf Minuten ist nicht »weiter« entfernt als jener von vor fünftausend Jahren: Der eine ist so unzugänglich wie der andere. Der Unterschied besteht alleine in der Zahl der Quellen und der Zeugen, die mit der Zeit abnehmen.

An einer anderen Stelle habe ich versucht, dieses Problem anhand eines einzigen Begriffes anschaulich zu machen, des Wortes συμφιλεῖν nämlich, mit dem die Titelheldin des Stückes »Antigone« des Sophokles ihren Widerstand gegen die Staatsgewalt rechtfertigt. Heute übersetzen wir dieses Wort üblicherweise mit »mitzulieben«, aber Antigones Liebesbegriff wird mit unserem kaum in eine Übereinstimmung zu bringen sein. Und da wir weder Sophokles noch seine Zeitgenossen fragen können, wie er dieses »symphilein« gemeint haben könnte, entstehen Missverständnisse.

Diese Missverständnisse sind manchmal schädlich und manchmal nützlich, wirksam sind sie meistens. Dies beweist das Beispiel Hegels, der in seiner »Phänomenologie des Geistes« Antigone als Zeugin anführt, allerdings mit Worten, die sie niemals gesprochen hat.

6.

Ein Mensch ohne Empfindung hat keinen Begriff von der Wirklichkeit, und er hat auch keinen Begriff von der Wahrheit. Aber die Empfindung allein reicht nicht, gerade der Wahnsinn fühlt sich wirklich und wahr an. Jeder Mensch ist der einzige Zeuge seines Bewusstseins, und da er die Empfindung nicht teilen kann, braucht er das Wissen, um sich über diese Wirklichkeit auszutauschen.

7.

In seinem Aufsatz »Spurensicherung« aus dem Jahre 1979[7] legt der Historiker Carlo Ginzburg unfreiwillig die Achillesferse der Geschichtswissenschaft offen. Er führt die Entstehung der Schrift auf einen historischen Prozess zurück, der aus der Notwendigkeit des Jägers rührt, Tierspuren zu »lesen«. Ginzburg schafft hier eine Analogie zum Wahrsager, der ebenso eine Realität minutiös erkundigt, um andere Ereignisse, die Gegenwart eines Tieres oder die bevorstehende Hungersnot zu entdecken. Und obwohl Ginzburg mit dieser Herleitung nur beabsichtigt, eine alternative Methodenlehre der Geschichtswissenschaft zu etablieren, eben jene, die dann in das mündete, was man heute Mikrohistorie nennt, bezeichnet er in diesem Abschnitt die Qual der Geschichtswissenschaft mit sich selbst: »Aber der grundsätzliche Unterschied ist unseres Erachtens ein anderer: Die Wahrsagung bezog sich auf die Zukunft und das Spurenlesen der Jäger auf die – vielleicht nur sekundenalte – Vergangenheit.«

Was Ginzburg hier nicht erwähnt: Ich kann die Zeugen und die Quellen der Vergangenheit so lange und gründlich studieren wie ich will, ich werde dadurch keine Aussage über die Eigenschaft geschichtlicher Ereignisse in der Zukunft treffen können. Es spielt keine Rolle, ob man die Gründe für diese Unmöglichkeit in der Kontingenz oder in der Willensfreiheit sieht. Die Geschichte kann in diesem Sinne nicht als Wissenschaft gelten, wie die Physik oder die Chemie als Wissenschaften betrachtet werden, die beide den Anspruch haben, verlässliche Aussagen über die Art und Weise der unter bestimmten Umständen eintreffenden Ereignisse »in der Zukunft« voraussagen zu können.

Ein Pendel »gehorcht« den Newton’schen Gesetzen, und es wird, so lehrt uns die Physik, ihnen auch morgen und übermorgen gehorchen. Die Sprache unterstellt die Herrschaft eines Gesetzes, das zu entschlüsseln die Aufgabe einer Wissenschaft ist. Welchem Gesetz unterwirft sich die Geschichtswissenschaft?

Die Angst der Historiker wie Carlo Ginzburg, dass unter dem Ansturm des postmodernen Relativismus der begriffliche Kernbestand ihrer Disziplin pulverisiert werden könnte, war berechtigt. In seinem Kampf um Wahrheit und Wirklichkeit, in seiner Abwehr gegen die Anwendung erzähltheoretischer Konzepte auf die Geschichtswissenschaften, wie Hayden White sie in »Metahistory« vorgeschlagen hat, vergaß Ginzburg, dass sich die Postmoderne auch aus einer Ideologiekritik entwickelte. Die totalitären Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts verstanden sich als große Erzählungen, in denen jeder Akteur seinen bestimmten Platz einzunehmen hatte. Die Trümmer und die Leichenberge, die diese Narrationen hinterlassen haben, die Einsicht, dass der Anspruch auf absolute Wahrheit in einer gesellschaftlichen Ordnung zu Mord und Totschlag führt, und der gleichzeitige Versuch, den Anspruch auf die Durchdringung der Wirklichkeit aufrechtzuerhalten, führte in die Dekonstruktion der überkommenen Formen. Die Postmoderne, ihr Insistieren darauf, dass niemand den Anspruch haben kann, jenseits der Formen zu agieren, ist zum Problem für alle geworden, die erneut nach der Heimat in einer großen Erzählung suchen.

8.

Wir Zeitgenossen sollten weiter sein. Es gibt keinen Grund für ein Reenactment vergangener Schlachten. Die Literaturwissenschaftlerin Muriel Pic hat in einem langen Essay, der in in der Zeitschrift »Incidence« erschien,[8] einen dritten Weg vorgeschlagen, um jenseits des postmodernen Relativismus und der gefährlichen Sehnsucht nach einer integralen und integrierenden Erzählung eine Empfindung für die Wirklichkeit zu entwickeln. Sie schlägt die Philologie vor, die Deutung und Auslegung der Fragmente, um die Vielzahl der zerbrochenen Wirklichkeiten lesbar zu machen. Gewiss würden diese Methoden der Einsicht entsprechen, dass nach dem zwanzigsten Jahrhundert die Wirklichkeiten nur als Scherben gedeutet werden können. Allerdings könnte es sein, dass dieser Vorschlag zu spät kommt. Im Zuge der neurophysiologischen Forschung und im Windschatten des Triumphes der Evolutionstheorie haben jene, die Geschichte nicht nur lesen, sondern schreiben wollen, längst begriffen, dass die menschliche Vorstellungskraft das Kriterium der Wahrheit nicht braucht, um sich ein Bild von der Wirklichkeit zu machen. Nur die Anschaulichkeit, die Plausibilität, oder, um wieder eines der entlarvend schönen Worte der deutschen Sprache zu benutzen, die »Glaubwürdigkeit« entscheidet letzten Endes über die Wirkungsmacht einer Erzählung, und es ist einerlei, ob es eine literarische, eine politische oder eben eine historische Erzählung ist. Alleine der Status des Erzählers entscheidet, welchen Wert seine Erzählung hat, ob ich sie als wahr betrachte oder nicht. Gerade deshalb hat sich meine Generation dringend zu fragen, wie sie mit dem Verlust der letzten Zeugen der Shoah umgehen will. Und wir erleben gerade, dass allenthalben versucht wird, die Deutungslücke, die sich durch dieses Verschwinden ergibt, ideologisch zu besetzen. Die Rekapitulation der bisherigen Positionen wird die Tradierung nicht sicherstellen, ebenso wenig die verständlichen, aber nutzlosen Abgrenzungsversuche zwischen Fakt und Fiktion, Literatur und Geschichtswissenschaft. Jede Empfindung für Wahrheit und für Wirklichkeit bedarf nicht zuerst des Wissens, sie bedarf des Vertrauens. Um dieses Vertrauen haben wir uns zu bemühen, die eigene Glaubwürdigkeit sollten wir pflegen, als Individuen und als Institutionen, weder die Offenlegung unserer Mittel noch das Eingeständnis ihrer Beschränktheit dürfen wir scheuen, wir müssen uns selbst in aller Rücksichtslosigkeit kritisieren und dabei auf unsere Redlichkeit bestehen, als Schriftsteller, als Historiker, als Menschen.

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