Ich habe sogar einen Treuhandfonds, den meine Großeltern für mich eingerichtet haben. Ich habe ihn nie angerührt, hatte Angst, auch nur einen Cent dieses Geldes auszugeben.
Ich seufze und schaue nach rechts. Meine kleine Schwester Emma sitzt auf einem Barhocker am Ende der Bar und starrt ins Leere. Ich schaue in die ungefähre Richtung, in die sie starrt, aber ich sehe nur Jameson und Cece, die miteinander rummachen.
Meine Augen bleiben länger auf Jameson liegen und ich erinnere mich an meinen sehnsuchtsvollen Moment. Ich habe eine Art Geistesblitz, mehr oder weniger. Ein Energiestrahl fegt durch mich hindurch und setzt meine Gedanken in Flammen.
Ich könnte eine Bar wie diese haben. Zum Teufel, mit Jamesons Wissen und meinem Geschäftssinn habe ich das Gefühl, dass wir wirklich etwas Großartiges aufziehen könnten.
Ich zögere, weil Jameson wegen Jenna in letzter Zeit wirklich nervtötend war. Er war schlechtgelaunt und geradezu feindselig ihr gegenüber, was zu eisiger Stille und Schmollen ihrerseits führte.
Aber die Idee, eine Bar mit Jameson zu führen, ist so fantastisch; er zapft meisterlich das perfekte Bier, ich kümmere mich um die alltäglichen Sorgen und das Geld.
Die Idee ist einfach zu verlockend, um sie zu verwerfen. Ich muss ihm zumindest davon erzählen.
Ich bewege mich schnell, denn ich habe meine Entscheidung getroffen. Natürlich werde ich von ein paar von Jennas Freunden aufgehalten, ehe ich mit ihm reden kann. Aber irgendwann erwische ich ihn, bevor er mit Cece einen Abgang machen kann.
„Hey. Hast du eine Minute?“, frage ich.
Er lässt den Whisky in seinem Glas kreisen und schaut mich amüsiert an. „Diese ganze Party ist für dich. Natürlich habe ich eine Minute.“
„Möchtest du rausgehen?“, erkundige ich mich.
Jameson nickt und sagt Cece, dass er gleich zurückkommt. Ich führe den Weg zur Tür an und stoße sie auf. Ich trete aus der klimatisierten Luft und tausche sie gegen die frühabendliche Brise ein, die vom Meer hereinweht. Wir befinden uns nur wenige Blöcke vom Ozean entfernt, wovon der Salzgeruch in der Luft zeugt.
Ich lehne mich an die raue Holzwand der Bar und Jameson tut es mir gleich. Wir blicken beide hinaus auf die Straße, während ich meine Gedanken sammle.
Zu meiner Überraschung erhebt Jameson zuerst das Wort.
„Geht es hier um Jenna?“, will er wissen.
Ich schaue zu ihm. Er zeigt keinerlei Emotionen, aber innerlich muss er bis zum Zerreißen gespannt sein, wenn er denkt, dass ich ihn wegen eines Showdowns hierhergebeten habe.
„Nein.“ Ich spreche das Wort schnell und vehement aus, damit er weiß, dass ich es ernst meine. „Ich meine, halt dich bei Jenna einfach zurück. Aber nein, das ist etwas anderes.“
Seine Brauen ziehen sich zusammen, während er versucht, dahinterzukommen, was ich meine. Er sagt allerdings nichts, weshalb ich weiterspreche.
„Ich denke, wir sollten eine Bar eröffnen.“
Sein verwirrter Gesichtsausdruck ist zum Schießen. „Du… was?“
„Eine Bar. Du stellst eine Karte zusammen, ich kümmere mich um das Geld. Wir haben beide ein Stimmrecht in Bezug auf die Atmosphäre. Zum Teufel, ich denke, deine Brüder können sogar dabei helfen, den Laden zu führen.“
„Wovon zum Henker redest du?“ Er dreht sich zu mir, nach wie vor an die Wand gelehnt.
„Ich hatte nur diesen Moment, diesen irgendwie inspirierenden Augenblick. Ich nippte drinnen an einem Drink und ich dachte… wir könnten das besser. Ich dachte ‚Jameson und ich könnten es wirklich krachen lassen, wenn wir eine Bar hätten‘.“
Jameson sieht mich an, als hätte ich eine Kopfverletzung erlitten.
„Du willst also sagen… du standst an der Bar, hast, wie ich annehme, einen weniger als erstklassigen Drink getrunken… und das hat dich auf den Gedanken gebracht, dass wir unseren eigenen Laden schmeißen sollten?“ Er sieht völlig baff aus.
„Ja, Mann. Ich habe das Geld. Du hast die Fähigkeiten…“
Er reibt sich mit einer Hand über sein Gesicht. „Ich habe endlich einen Job, in dem ich länger als ein Jahr arbeite.“
„Du arbeitest dort schon seit vier Jahren.“
„Yeah, und ich kann mich nur an zwei davon erinnern. Die ersten zwei waren ein einziger Rausch aus Whisky und Kokain. Selbst jetzt kann ich den Wunsch, jedes heiße Mädel zu ficken, das durch die Tür läuft, nicht unterdrücken.“
Ich grinse. „Ja, ja. Überzeug mich nur, dass du nicht der perfekte Kerl bist, um eine Bar zu eröffnen. Und was ist mit Cece?“
Er runzelt die Stirn. „Was ist mit ihr?“
„Ich dachte, sie sei… nett. Und dass ihr zwei eine Verbindung hättet oder was auch immer.“ Meine fehlende Aufrichtigkeit ist offensichtlich und er verdreht die Augen.
„Was ist mit dir?“, fragt Jameson. „Du hast noch nie irgendetwas Komplizierteres als einen Rum-Cola gemacht. Du hast noch nie in der Gastronomie gearbeitet. Du hast noch nie jemanden gemanagt…“
„Das stimmt nicht!“, protestiere ich. „Was ist mit –“
„Wenn du mir jetzt mit dem Sommer vor der achten Klasse kommst, ich schwöre, dann gehe ich“, droht er. Er kennt mich zu gut.
„Überleg doch nur, wie unsere Bar sein würde“, sage ich, um das Thema zu wechseln. „Wir würden einen Laden am Strand suchen. Du könntest das Zeug in den schicken Gläsern servieren, über die du immer redest –“
„Nicht alles, muss in einem Tumbler serviert werden“, murrt er.
„Du könntest gute Musik auflegen, die Lichter dimmen und dich mit nur einem Satz in das Herz jeden Mädchens dort schleichen.“ Ich wackle mit den Augenbrauen als witzigen Effekt. „Du musst lediglich sagen, dass du der Eigentümer bist.“
Das lässt ihn scheinbar innehalten. Er reibt sich über den Nacken, aber blickt weiterhin finster drein. Ich bin jedoch an diese Miene gewöhnt.
„Ich weiß nicht“, sagt er schließlich. „Es scheint eine wirklich schlechte Idee zu sein.“
„Aber…?“
„Das ist es.“
„Weißt du, ich werde es einfach wagen. Ich glaube, du bist begeisterter von der ganzen Sache, als du zugeben willst.“
Er blickt mich stumm aus zusammengekniffen Augen an. Ich strecke die Hand aus und klopfe ihm auf die Schulter.
„Warte du nur“, verspreche ich. „Es wird genial werden.“
Jameson schüttelt nur den Kopf. „Kann ich dir wenigstens einen Drink kaufen?“
„Das kannst du tun, Mann. Das kannst du tun.“
Dem schwülen Abend den Rücken zukehrend gehe ich wieder nach drinnen.
Prolog 3
Vor vier Monaten – CURE Bar
„Hey Emma, was denkst du?“, fragt Jameson, während er sich über die stoppelige Wange kratzt.
Die Wand hinter der Bar wird von einer glühenden Neon-Lichterkette beleuchtet und präsentiert die hundert Alkoholsorten, auf die Jameson bestanden hat. Er tritt einen Schritt zurück und bewundert seine Arbeit. Ich finde es absolut fantastisch, aber andererseits finde ich fast alles, das Jameson anfasst, fantastisch.
„Ohhh, es sieht klasse aus“, sage ich von meinem Platz an der Bar. Ich habe den ganzen Platz für mich beschlagnahmt, indem ich all meine Jurabücher verteilt habe, aber momentan studiere ich nicht das Gesetz. Stattdessen studiere ich Jameson. „Vielleicht solltest du dort drüben rechts noch eine Flasche hinstellen?“
Ich deute auf eine Stelle. Er schaut da hin, wohin ich deute, und nickt langsam. „Gutes Auge. An der Stelle sieht es ganz nackt aus.“
Er schnappt sich eine weitere Flasche und hebt sie hoch, um sie an der kahlen Stelle zu platzieren. Ich beiße auf meine Lippe. Jameson sieht gerade wahnsinnig gut aus, nur in dunklen Jeans, die sich perfekt an seinen Hintern schmiegen, einem schwarzen NIN-T-Shirt und blutroten Chucks.
„Es sieht gut aus“, lobe ich und noch während ich das sage, werden meine Wangen rot. Mit ‚es‘ meine ich jeden Zentimeter von ihm… und mit gut meine ich appetitlich, verlockend und über alle Maßen verführerisch .
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