„Früchte am Baum ,
es wär’ mein Traum ,
wenn ihr den Ast verlasst
und in meinen Mund passt.“
Laurus lag auf dem Rücken im Gras und hielt den Mund sperrangelweit auf. Tatsächlich fiel in diesem Moment eine Pflaume direkt in seinen Mund.
Flora legte den Kopf schief. „Das war Zufall“, sagte sie schließlich. „So komische Hexensprüche gibt es nicht. Den hast du gerade selbst erfunden, gib es zu!“
„Was heißt da Zufall?“, fragte Laurus kauend. „Das ist höchste Hexenkunst.“ Er spuckte den Kern quer über den ganzen Schulgarten. „Und das hier ist höchste Spuck-Kunst.“
Malte pflückte sich eine Pflaume vom Baum, aß sie, so schnell er konnte, und spuckte den Kern in hohem Bogen über das Schuldach. Das war auch nicht schlecht!
„Jetzt ich!“, rief Flora, schnappte sich auch eine Frucht und spuckte den Kern ungefähr zwei Meter weit … direkt vor Majoranus’ Füße! Er stand da und grinste, seine beiden Freunde Piper und Salvia, die ihm stets wie Schatten folgten, neben ihm.
„Na, im Weitspucken bist du jedenfalls schwach unterwegs“, stellte Majoranus fest.
Flora schnaubte verärgert.
„Und mit deinen Flugkünsten ist es auch nicht weit her“, fuhr er spöttisch fort.
„Was soll das denn heißen?“, fragte Malte und richtete sich auf.
„Das soll heißen, dass Flora Flitzebesen eigentlich Flora Schwindelbesen heißen sollte“, sagte Piper. „Das Ganze war doch ein riesiger Betrug! Niemals fliegt Flora wirklich so schnell. Sie hat alle reingelegt!“
Malte, Flora und Laurus wollten gerade ganz empört etwas erwidern, da waren Majoranus und seine beiden Freunde schon weitergegangen.
In jeder Pause rief Majoranus Flora nun irgendeine Dummheit nach. Einmal rief er: „Puuuh, hier stinkt es nach Flugsalbe! Sicher ist es Flora. Die verwendet ja kiloweise Flugsalbe, das weiß doch jeder.“
„Sag mal, geht’s dir noch gut?“, rief Flora zurück. „Jeder nimmt Flugsalbe beim Besenwettfliegen.“
„Ja schon, aber nicht kiloweise “, meldete sich nun Piper.
„So ein Schwachsinn, es macht überhaupt keinen Unterschied, ob man den Besenstiel mit viel oder wenig Flugsalbe einreibt“, konterte Laurus. „Ihr seid echt blöd, wenn ihr das glaubt!“
„Ich weiß nur eins“, schrie Majoranus wütend zurück. „Flora hat geschummelt! Ich wette, dass ihre Oma ihr irgendeine verzauberte Flugsalbe gegeben hat und sie nur deshalb so schnell war!“
Flora zupfte Majoranus am Ärmel. Laurus und Malte standen dicht hinter ihr. „Du glaubst also, dass ich nicht die schnellste Besenfliegerin im ganzen Hexenrosental bin, ja?“, fragte Flora wütend.
Salvia war hinzugetreten. „Ich habe einen Vorschlag“, sagte sie. „Flora und Majoranus machen heute Nachmittag noch mal ein Wettfliegen. Nur die beiden, ganz ohne Flugsalbe und dann werden wir sehen, wer schneller ist.“
Flora verdrehte die Augen. „Das ist ja lächerlich, aber bitte sehr, wenn ihr unbedingt wollt.“ Sie überlegte kurz. „Wir treffen uns um Punkt drei Uhr an der Südostecke des Efeuwaldes.“
„Was sollen wir denn ausgerechnet da?“, fragte Majoranus erstaunt. „Im Efeuwald spukt es. Niemand geht freiwillig dorthin.“
Flora grinste zufrieden. „Das sollte doch so einen tollen Flieger wie dich nicht stören! Jetzt ist es nicht nur ein Wettfliegen, sondern auch eine Mutprobe! Wir werden pfeilschnell durch den Efeuwald fliegen. So schnell, dass der Spuk uns gar nicht erwischen kann.“
Majoranus sah gar nicht begeistert aus. Aber Malte und Laurus pfiffen durch die Zähne und klopften Flora anerkennend auf die Schultern.
Majoranus, Piper und Salvia warteten schon an der Südostecke des Efeuwaldes, als Flora, Laurus und Malte eintrafen. Hille flatterte heran und ließ sich etwas atemlos auf Laurus’ Schulter nieder.
„Also“, sagte Malte. „Beim Startpfiff fliegen Flora und Majoranus einmal quer durch den Efeuwald. Ich habe zu Mittag zusammen mit Salvia an der Nordwestecke des Waldes ein rotes Tuch angebracht. Es hängt an einer Tanne ganz am Waldrand. Dieses Tuch schnappt sich derjenige, der als Erstes dort ankommt, nimmt es mit und fliegt über die Baumspitzen hinweg wieder zurück an den Start. Wer das Tuch in den Händen hält, ist der Sieger.“
„Nun lasst uns eine Kontrolle machen“, sagte Piper. „Keiner von euch beiden darf Flugsalbe verwendet haben.“
Piper schnupperte an Floras Besenstiel und Malte schnupperte an Majoranus’ Besen. „Sehr gut! Es riecht nicht nach Flugsalbe“, stellten beide fest.
Malte und Salvia flogen nun über die Baumspitzen hinweg zur Nordwestecke. Sie wollten beim roten Tuch warten, um sicherzugehen, dass es keine Schwindeleien gab.
„Was ist, wenn der Spuk Flora erwischt?“, jammerte Hille. Laurus pflückte sich die kleine Helfe von der Schulter und sah ihr fest in die Augen. „Flora Flitzebesen wird so schnell durch den Wald flitzen, dass dem Spuk die Augen rausfallen werden“, versuchte er, sie zu beruhigen.
„Verfaulte Krähenkralle, können wir jetzt endlich anfangen?“, maulte Majoranus.
„Macht euch bereit“, sagte Laurus.
Flora setzte sich auf ihren Besen, beugte sich vor und konzentrierte sich. Majoranus tat es ihr nach.
„Viel Glück, Flora“, rief Hille. Dann erschallte ein greller Pfiff von Laurus’ Lippen.
Flora und Majoranus schossen mit ihren Besen hoch in die Luft und zwischen den ersten Tannen hindurch.
Du liebe Kreuzspinne, war das gefährlich! Man musste sich rechtzeitig ducken oder sich zur Seite drehen, um den Ästen auszuweichen. Der Wald war ein einziges Gestrüpp aus Tannenzweigen und Efeu! Die dunkelgrünen Ranken wuchsen an den Bäumen hinauf und baumelten in langen Bändern von den Ästen. Mehrmals verfing sich Floras Haar darin.
„Himmelhageldonnerwetter, das tut weh!“, schrie Flora. Der Efeu zog und zerrte an ihr, und es kam ihr vor, als würden ihr die Äste nur so entgegensausen.
Aber sie dachte gar nicht daran, langsamer zu fliegen. Geschickt lenkte sie ihren Besen zwischen all den Bäumen hindurch. Einmal schnalzte ihr ein Tannenzweig über die Wange.
„Auuuuh!“
Aber nichts da! Weiter, immer weiter! Flog sie überhaupt noch in nordwestliche Richtung? Und wo war Majoranus? Sie sah und hörte nichts von ihm.
Endlich lichtete sich der Wald ein wenig. Es schien so, als hätte Flora gleich den Waldrand erreicht.
„Na, hoffentlich bin ich nicht ganz am verkehrten Ende des Waldes angekommen“, murmelte Flora. Sie begann, nach dem roten Tuch zu suchen, von dem Malte gesprochen hatte.
„Nichts als Äste und Efeu in diesem Wald!“, schimpfte Flora vor sich hin. Doch da! Da leuchtete etwas Rotes. Flora schoss direkt darauf zu. Ja, es war das Tuch! Sie schnappte es sich flink von dem Tannenzweig.
„Bravo, Flora!“, rief Malte, der einige Meter entfernt aufpasste. „Du hast es geschafft!“
Flora strahlte ihren Freund an und dann pfiff sie über die Tannenwipfel hinweg, zurück in Richtung Südosten, wo die anderen warteten. Nur wo war Majoranus?
Laurus und Hille johlten vor Freude. „Flora, du bist die Schnellste! Ich wusste es!“, rief Hille. Im nächsten Moment fing sie an zu kichern. „Wie siehst du denn aus?“
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