VORWORT
Restlos glücklich – oder der Versuch, die Welt auf kulinarischem Weg zu verbessern
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VORWORT
RESTLOS GLÜCKLICH
ODER DER VERSUCH, DIE WELT AUF KULINARISCHEM WEG ZU VERBESSERN
Jeder kann etwas tun und jeder Schritt ist wichtig. Selbst wenn es für das Prinzip Nachhaltigkeit keinen genauen Plan gibt, keine präzise Anleitung, so existieren dafür umso mehr Möglichkeiten anzusetzen, um die Welt zu einem lebenswerteren Ort zu machen. Denn alles hängt miteinander zusammen und auf Vieles können wir selbst Einfluss ausüben. Und das sogar mit Spaß und Genuss.
Ja, oft sind es nur kleine Schritte, aber die Welt in kleinen Schritten zu verbessern, ist schon sehr viel vorteilhafter, als sie nicht zu verbessern. Dieser Weg beginnt bei ganz einfachen Dingen, wie statt mit dem Auto einfach mal mit dem Rad zu fahren, wenn Wetter und Gesundheit es zulassen, die eine oder andere Portion Fleisch durch ein vegetarisches Gericht zu ersetzen, den Geschirrspüler auf Schonprogramm zu fahren und das Smartphone doch noch ein Jahr länger zu benutzen, obwohl es bereits ein Nachfolgemodell gibt.
Solche Verhaltensmuster zu brechen ist simpel und bewirkt schon einmal eine ganze Menge. Nicht zuletzt regt die Veränderung dazu an, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken und wohlmöglich Gefallen daran zu finden, bis dahin unhinterfragte Gewohnheiten und Bequemlichkeiten einfach mal über Bord zu werfen. Abgesehen davon ist es gar nicht unwahrscheinlich, dabei ein bisschen Geld zu sparen, sich einer besseren Gesundheit zu erfreuen und generell an Lebensqualität zu gewinnen.
In diesem Buch soll es natürlich um Nachhaltigkeit beim Essen gehen und um den Beweis dafür, dass nachhaltiger Genuss keinesfalls Askese oder Verzicht bedeutet, sondern vielmehr ein smarter Umgang mit hochwertigen Lebensmitteln. Beim Essen fängt Nachhaltigkeit nämlich an, davon bin ich fest überzeugt, und Essen, das bedeutet für mich Schönheit und Lebensfreude.
Und wenn eine Verbesserung der Welt gar mit Genuss zu erreichen ist, wer könnte sich dagegen verschließen?
Aber natürlich bin ich kein Guru. Ich bin seit 2011 Küchenchef im Restaurant TIAN in Wien, einem der international am höchsten ausgezeichneten vegetarischen Restaurants Europas. Mein Weg zu einem Bewusstsein für Nachhaltigkeit war lang und steinig: Gesundheitliche Krisen – einerseits geschuldet dem im Gastronomie-Business typischen Stress, andererseits einem ungesunden Lebenswandel – brachten mich dazu, mein damaliges Leben komplett zu überdenken. Alkohol, Schmerzmittel, soziale Isolation, ökonomischer Druck – ich fuhr mit 160 km/h gegen die Wand und bekam die Chance zu erkennen, wie schief mein bisheriges Leben gelaufen ist. Und wie großartig der Beruf des Kochs eigentlich sein kann.
Das wurde mir klar, als ich eines Tages einen Bauernmarkt besuchte und einer Bio-Bäuerin einfach ein paar Eier abkaufen wollte. Sie erzählte mir von glücklichen, freilaufenden Hühnern, die in der Erde scharren und sich ihr Futter selbst suchen … Geschichten, für die ich in diesem Moment überhaupt keinen Nerv hatte. Zu viel Stress, zu viel Frustration im Job, zu viel Druck. Ich wollte an diesem Tag einfach nur so rasch wie möglich nach Hause, um mir diese Eier in die Pfanne zu schlagen … Und plötzlich war er da, dieser Schlüsselmoment. Diese Empfindung von „echtem“ Geschmack, dieser Duft nach Frische, dieses Aroma eines Lebensmittels, das würdevoll, verantwortlich und mit Respekt entstanden ist. Ich fühlte mich auf einmal wie damals als Kind bei meinem Großvater, als die Köstlichkeit von Lebensmitteln zwar noch alltäglich und eine Selbstverständlichkeit war, einen aber dennoch glücklich machte.
Seither sehe ich meine Rolle als Koch anders. Nämlich als Vermittler dieses Glücks, als Überbringer von geschmacklicher Emotion. Ich wollte die Aromen, die Gemüse und Früchte im Zustand absoluter Frische haben, optimal umsetzen und auf die Teller bringen. Denn was ist Qualität schlussendlich? Diese Frische, diese Lebendigkeit, und die geschmackliche Intensität bewahren zu können!
Aber wie lässt sich diese oft zitierte Nachhaltigkeit in der Küche definieren beziehungsweise umsetzen? Auf unendlich viele Arten. Als ersten Schritt kann man wohl den bewussten Einkauf nennen, also idealerweise direkt bei den Erzeugern, auf Märkten oder Bauernmärkten einzukaufen. Warum? Weil man Kontakt zu den Produzenten hat, weil die Lebensmittel ihre Anonymität verlieren, weil Frische hier eine andere Bedeutung hat, weil mehr Geld bei den Produzenten ankommt und weil auf Plastikverpackungen verzichtet wird.
Mindestens so entscheidend ist es, biologisch angebaute Lebensmittel zu kaufen. Selbst wenn bio längst auch Standard für industrielle Landwirtschaft ist und man natürlich darüber diskutieren kann, wie „bio“ eine um den halben Globus transportierte Banane oder Mango noch ist, so bleibt ein Lebensmittel, das nicht mit systemischen Giften gegen Unkraut, Pilzerkrankung und Insekten gespritzt wurde, immer noch besser als eines, bei dem diese Einschränkung nicht stattfand.
Die Empfehlung saisonal und regional einzukaufen geht da in eine ähnliche Richtung: Die bewusste Vermeidung von langen Transportwegen und/oder energieintensiver Kühlung und Konservierung mag vielleicht bedeuten, dass man im Januar auf die argentinischen Blaubeeren und den chilenischen Spargelstangen verzichtet. Im Idealfall wurden die im Sommer zuvor, als sie bei uns reif, frisch und günstig zu bekommen waren, von uns selbst eingekocht oder auf sonstige Art konserviert. So kommt man schon ganz gut über den Winter und hatte beim Einkochen wahrscheinlich sogar Spaß.
Den Fleischkonsum zu reduzieren ist ohnehin ein Gebot der Stunde. Dabei geht es gar nicht mehr nur um Nachhaltigkeit, sondern schon um reine Vernunft.
Noch nie zuvor wurde von so vielen Menschen so viel Fleisch gegessen, noch nie zuvor wurde in Mitteleuropa so wenig für Fleisch bezahlt. Die Auswirkungen sind katastrophal. Vom enormen Wasserverbrauch, dem Methanausstoß und der Verschwendung letzter Reserve-Antibiotika für die Massentierhaltung einmal abgesehen, ist es schlicht und ergreifend würdelos bis unmenschlich, was wir den Tieren da antun. Wir verdrängen das Leid, beziehungsweise haben uns daran gewöhnt oder noch treffender: Wir haben uns daran gewöhnt es zu verdrängen. Tatsächlich weiß heute jedes Kind, dass die Bilder aus der Fernsehwerbung eine glatte Lüge sind und wir Tierquälerei zugunsten unserer täglichen, billigen Fleischportion in Kauf nehmen. Niemand sagt, dass wir jeden Tag Fleisch essen müssen, die Medizin rät ja sogar davon ab.
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