Fränze blickte nachdenklich.
„Ich kann mir vorstellen, was für eine Art von Bauer er ist. Ich war einmal eingeladen von Bekannten, die nahmen mich mit auf einen großen Hof in der Kurmark. Der lag weitab von den Städten, und die Leute lebten doch so zufrieden auf ihrem Besitz, daß es eine wahre Freude bedeutete, ein paar Tage bei ihnen sein zu dürfen. In den uralten Stühlen ließ es sich behaglich plaudern, während der Tisch vor uns reich gedeckt war. Es gab dort Radio und Fernsprecher, dazu zwei bequeme Autos, und das Arbeitszimmer des Bauern besaß eine kleine Bibliothek, außerdem alles, was ein Büro braucht. Der Bauer wußte auch viel von der Welt draußen, über alles konnte er mitreden, aber wenn er von seinem Hof sprach, war es doch, als ob seine hohen Stiefel sowie die kurze Joppe und die bequeme Mütze betonen wollten: ‚Wir gehören einem Bauern — in ihm sitzt Tradition und Bauernkraft. Seht seine Hände an, die wissen wohl noch besser anzufassen als sein fleißigster Knecht‘.“ Sie lächelte: „Der Bauer von heute, einer der neuen Generation, braucht durchaus kein Mensch zu sein, der nichts weiter sieht und sehen will als nur sein Stück Erde. Und doch liebt er es inbrünstig, wenn er auch weiß, daß der Horizont über seinem Heimatfleck noch lange nicht zu Ende ist und daß er sich weiter über ganz Deutschland spannt und dann noch weiter, über die riesengroße Welt. Ich habe damals die Bäuerin auf dem Hof beneidet. Wie eine Fürstin kam sie mir vor, wenn sie am Sonntag neben ihrem Mann in die Kirche ging, im schwarzseidenen Kleid und Urgroßmutters schwerem Goldschmuck, und ich habe sie wochentags beneidet, wenn sie förmlich in Arbeit untertauchte, den Mägden im Stall beim Melken half oder beim Viehfüttern und wenn sie die Eier zählte oder wenn sie, ihren kleinen Sohn an der Hand, abends mit uns noch ins Feld ging und so stolz mit einer einzigen Bewegung anzeigte: Dort drüben am Wald hört erst unser Besitz auf.“ Fränze schwieg. Abschließend fuhr sie versonnen fort: „In den Vierlanden, wo deine Großmutter herstammt, muß es sehr schön sein. Ich hab‘ darüber gehört und gelesen.“
Christine nickte. „Großchen sprach manchmal davon und ich weiß etwas Bescheid. Viele, viele Blumen blühen in den Vierlanden und Obst gibt’s in Hülle und Fülle, und bei jedem Wetter wird draußen geschafft, ob Sonnenschein lacht oder graue Wolken die Landschaft verdüstern. In den Häusern aber riecht es so wunderlich nach Torfrauch, und die Menschen reden sich alle mit dem vertrauten Du an.“
Sie schwiegen beide, und es dünkte Christine mit einemmal alles töricht, was sie vorhin von ihrer Rache geredet. Aber als sie dann mit der Straßenbahn heimfuhr, erwachten alle die Gedanken wieder in ihr, die sich um den Fremden bewegten, der ihr so übel mitgespielt. Am nächsten Sonntag wollte sie — auch ohne Fränze — die Stadt besuchen, deren Name auf der Rückfahrkarte stand. Warum sollte sie das nicht tun, es drängte sie doch förmlich dazu.
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