Dagegen war die Regierungszeit von König Ezana definitiv eine Epoche von Feldzügen zu Lande und territorialer Ausdehnung sowie der wirtschaftlichen Expansion. Bereits in den 60er-Jahren des 3. Jahrhunderts hat ein aksumitischer Feldzug gegen Meroe stattgefunden. Meroe, 31zwischen dem 5. und 6. Nilkatarakt etwa 180 km nördlich der heutigen sudanesischen Hauptstadt Khartum im historischen Nubien gelegen, ist seit 300 v. Chr. Hauptstadt des Reiches Kusch. Es ist Träger des Handels zwischen Innerafrika und Ägypten sowie der Mittelmeerwelt. 32Als Ezana Mitte des 4. Jahrhunderts dann seinen Feldzug gegen Meroe unternimmt, ist der Staat bereits im Niedergang begriffen, die Operation richtet sich wohl gegen die Ethnien der Kasu und Noba (Nubier), die die Stadt eingenommen haben. Aksum kann den innerafrikanischen Handel übernehmen und Meroe bzw. Kusch als wichtigen Handelspartner Roms im südlichen Niltal ablösen. Wichtigste Waren dieses Handels sind Ebenholz, Elfenbein, Weihrauch, Straußenfedern und -eier. Später übernahm dann auch hier das Christentum eine führende Rolle, seit 500 AD entstanden drei christliche nubische Reiche.
Wir dürfen aber nicht davon ausgehen, dass Aksum sich als ein ›Reich‹ bis an den Nil erstreckte und das Territorium von Kusch oder Nubien umfasste. Das ›Reichsgebiet‹ von Aksum müssen wir uns relativ beschränkt vorstellen. ›Aksum‹ ist immer zuallererst die Stadt Aksum, in der das Reich sein Zentrum hat und auf die alles fokussiert ist.
Aksum darf nicht gleichgesetzt werden mit dem Staatsgebiet des heutigen Staates ›Äthiopien‹ oder gar als ein Staat, der sowohl Äthiopien als auch Eritrea umfasste (oder gar Somalia, den Sudan etc.).
Die wirkliche Reichweite der ›Herrschaft‹ aksumitischer Herrscher – Institutionen und Verwaltung gab es nur ansatzweise und in eingeschränktem Sinn – war von sehr unterschiedlicher Dimension. Das ›Territorium‹ von Aksum war starken Schwankungen unterworfen, eine auch nur annähernd genaue Grenzziehung oder kartographische Erfassung ist so gut wie unmöglich. 33Auffallend ist: Der Reichsmittelpunkt liegt im Hochland (von Tigray), wie es schon bei Dama’at der Fall war – dennoch ist der Zugang zum Meer entscheidend, wenn auch Küstenregionen nur zeitweise zum Kernland gehören.
Ganz ähnlich wird die Entwicklung auch in den folgenden Jahrhunderten bis in die Gegenwart sein: Das größte Reich am Horn von Afrika, ob der Staat der Zagwe-Dynastie oder später das salomonische Reich (
Kap. 2und
Kap. 3), ist zunehmend zum Landesinneren hin orientiert und verlegt seine Schwerpunkte mehr und mehr nach Süden, der Küstenstreifen erlangt immer wieder eine gewisse Autonomie oder Eigenexistenz, gefördert durch die verkehrsgünstige Lage am Roten Meer und geprägt von den äußeren (macht-)politischen Einflüssen, die hier zum Tragen kommen. Schon früh artikuliert sich eine Art ›eritreische‹ Individualexistenz.
Im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gibt die Entwicklung in Südarabien neue Anstöße für eine aktive Politik im Roten Meer und starkes aksumitisches Engagement auf seiner Ostküste. In Südarabien hatte das Christentum Fuß fassen und zahlreiche Anhänger gewinnen können. Dies stärkte auch den aksumitischen und den byzantinischen Einfluss auf der arabischen Halbinsel und im Roten Meer. Dieser scheint jedoch im 6. Jahrhundert in Gefahr.
Um 520 kam es durch den zum Judentum konvertierten König Yusuf As’ar Yath’ar (arabische Quellen nennen ihn Dhu Nuwas) zu antichristlichen Maßnahmen (er brannte etwa die Kirche der himyaritischen Hauptstadt Zafar nieder) sowie zu relgelrechten Christenverfolgungen, die ihren Höhepunkt in Nadschran fanden, wo viele Christen starben, 34welche seither unter orientalischen Christen als Märtyrer verehrt werden. Eine wichtige syrisch-aramäische Quelle, das ›Buch der Himyariten‹, berichtet über diese Christenverfolgung, die von Inschriften und anderen Quellen bestätigt wird. 35Der aksumitische König Kaleb Ella Asbeha intervenierte auf Bitten des byzantinischen Kaisers Justin I. Dieser will sein Bündnissystem ausbauen, 36seine Position gegenüber Persien sichern und stellte seinem aksumitischen Verbündeten auch Schiffe für die Operation zur Verfügung.
Der König selbst steht an der Spitze des Feldzugs nach Arabien. Die Dominanz des Christentums sowie Aksums im Südwesten der arabischen Halbinsel wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten wiederhergestellt. Dies bedeutet das Ende von Himyar – ein aksumitischer Regent wurde nun eingesetzt. 37Der letzte Versuch des himyaritischen Staates, seine Eigenständigkeit zurückzubekommen, ist definitiv gescheitert, die byzantinisch-aksumitische Kontrolle der Region scheint gesichert.
Abraha, ein Offizier aus Adulis, soll später die Macht übernommen haben, sich aber mit dem ›Mutterland‹ Aksum nach anfänglichen Auseinandersetzungen arrangiert und Tribut bezahlt haben. Es wird überliefert, er habe im ›Jahr des Elefanten‹ (benannt nach einem aksumitischen Kriegselefanten), in dem Muhammad, der Prophet des Islam geboren wurde, einen Feldzug gegen Mekka unternommen, das durch göttliche Intervention aber gerettet worden sei.
Dieser Feldzug hat wohl faktisch kurz vor oder kurz nach 550 stattgefunden, das Jahr der Prophetengeburt dürfte aber 570 (oder 573) gewesen sein. Entweder dieses Ereignis oder ein Hilferuf aus Himyar, jetzt aksumitische Provinz, führte dann zu einer militärischen Intervention des persischen Sassanidenreiches und damit endgültig zum Ende der aksumitischen Rolle in Südarabien. Persien griff die Gelegenheit für ein militärisches Einschreiten gern auf und konnte jetzt die Vorherrschaft im Indischen Ozean und im Roten Meer für einige Zeit übernehmen. Sogar in Berbera an der Somaliküste richteten die Perser eine Garnison ein, vielleicht ein erster Schritt zu energischeren Maßnahmen auch gegen Aksum?
Der Islam kommt ans Horn von Afrika
Eine neue, große Gefahr sowohl für Byzanz als auch für das Sassanidenreich, das bald sein Ende finden wird, kommt auf: Der Islam. Anfang des 7. Jahrhunderts AD trat in Mekka, einem Karawanenhandelsplatz auf der arabischen Halbinsel, ein Mann auf, der zur Rückkehr zur (Ur-)Religion des Abraham aufrief. Es ist die Geburtsstunde des Islam. Der ›Mahner‹ ist Muhammad, 38der Stifter der neuen Religion und das ›Siegel der Propheten‹, geboren um 570.
622 AD zog Muhammad nach anfänglichen Schwierigkeiten in seiner Vaterstadt mit seinen Anhängern in die Oase Yathrib, die damit zur ›Stadt (des Propheten)‹ wurde – Madina(t al-Nabi); dies ist der Beginn des islamischen Urstaates. 39
In Mekka kannte man längst Menschen von der Westküste des Roten Meeres, viele waren durch den lebhaften Sklavenhandel ins Land gekommen: Muhammad, der Prophet, hatte schon früh Kontakt zu Afrikanern und ernennt einen ›Äthiopier‹, Bilal, zum ersten Muezzin des Islam.
Schon in den frühen Jahren des Islam, noch in der mekkanischen Zeit, kam es zu ersten Kontakten mit dem Horn von Afrika und den dortigen Christen. Als sich die frühislamische Gemeinde zunehmendem Druck seitens der ›Heiden‹ ausgesetzt sah, schickte Muhammad 615 AD in einer ›ersten Hidschra‹ eine Gruppe dieser frühen Muslime, zu denen auch der spätere Kalif Uthman sowie eine der Frauen des Propheten gehörten, ins aksumitische Reich, wo sie offenbar gut aufgenommen wurden. Möglicherweise aus Aksum kam eine Gruppe von Christen, die Muhammad um 620 in Mekka besuchte und von dem, was sie hörten, so beeindruckt gewesen sein soll, dass sie sich dem Propheten anschloss. Auch an den militärischen Auseinandersetzungen des frühislamischen Staates mit dem ›heidnischen‹ Mekka scheinen Menschen vom Horn von Afrika auf seiten des Propheten teilgenommen zu haben. So standen die ersten Kontakte des Islam mit den ›Habascha‹ unter einem günstigen Omen, das sich ausdrückt in dem Prophetenwort ›Lasst die Habascha in Ruhe, solange sie euch in Ruhe lassen‹.
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