von Swany Swanson
© dead soft verlag, Mettingen 2020
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Cover: Irene Repp
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1. Auflage
ISBN 978-3-96089-428-5
ISBN 9798-3-96089429-2 (epub)
So hatte sich Jona seinen Sommer nicht vorgestellt – weil sein bester Freund die Semesterferien über verreist, soll er dessen Ferienjob bei den Duvalls übernehmen. Das bisschen Babysitten ist zuerst kein Problem. Doch dann bekommt er es mit Tristan, dem arroganten Erstgeborenen der Duvalls, zu tun. Nach einer anfänglichen Eiszeit kocht die Stimmung zwischen den ungleichen jungen Männern hoch. Als sie erkennen, dass sie einander ähnlicher sind als erwartet, ist ihre Zeit fast schon abgelaufen. Und dann passiert ein schrecklicher Unfall.
Für alle, die die Stille unter Wasser aushalten.
Ich danke Justin für seine Sorgfalt,
Nadine für ihre Zeit,
Lea für ihren Traum,
Sarah für ihren Garten
und dem Jungen in der Linie 16 für sein Gesicht.
Kapitel 1: Neue Aufgaben
1
Ich hasste den Sommer. Vor allem, wenn er schon im Frühling anfing. Es war gerade Mai und fühlte sich wie Juli an. Nicht einmal auf die Jahreszeiten konnte man sich verlassen. Das dachte ich, als ich auf einem Stuhl des Cafés im Freien Platz nahm.
Nach der friedlichen Begrüßung meines Freundes hatte ich mich in Sicherheit gewähnt. Wir plauderten kurz, bevor er unverhofft das Feuer auf mich eröffnete.
«Warst du schon bei deinem Vater?»
Bei den Worten verkrampfte sich mein Magen wie auf Kommando. Ich verfluchte mich für meine Naivität. Dabei hätte ich damit rechnen müssen, dass Tim mich nicht verschonen würde. Nicht nachdem er mich seit Wochen zu dem Gipfeltreffen gedrängt hatte. Immerhin war ich genau deshalb hier. Gewissermaßen hatte ich sogar Anlauf genommen, um ins kalte Wasser zu springen. Dennoch fühlte ich mich unvorbereitet.
«Noch nicht», wich ich aus. Zusätzlich zum verbalen Angriff wirkte das Fenster des Cafés wie ein riesiges Brennglas, das die Sonnenstrahlen in der schmalen Stelle zwischen meinen Schulterblättern bündelte, sodass ich von beiden Seiten ins Schwitzen kam.
«Aber das wirst du noch, oder?» Als ich nicht antwortete, kniff Tim die Stirn zusammen. «Du weißt, was wir besprochen haben. Jona …» Mein Name war ein einziger Vorwurf aus seinem Mund.
«Ich soll nach vorne schauen und tun, wonach mir ist?», wiederholte ich eine der vielen Quintessenzen unserer letzten Gespräche.
«Nein! Auch. Aber zuerst musst du mit der Vergangenheit aufräumen. Es ist wichtig, dass du zu deinem Vater gehst, jetzt, wo er wieder zu Hause ist.»
«Ich weiß.»
«Du musst ihm zeigen, dass es dir leidtut.»
«Ja.»
«Dass du ihn nicht absichtlich verletzen wolltest. Er wird sicher verstehen …»
In der Ferne sah ich, wie die Hitze auf dem Asphalt waberte, als wäre die Straße zu Wackelpudding geworden, der drauf und dran war, sich in Luft aufzulösen. Ein Auto rollte vorbei und nahm mir die Sicht.
«Ich fahre gleich zu ihm», unterbrach ich meinen Freund. Als ich seinen verwirrten Blick sah, bemühte ich mich um ein Lächeln. «Und wann startest du deinen großen Trip?»
Kurz sah es so aus, als würde Tim den Themenwechsel nicht durchgehen lassen. Im letzten Moment gewann dann aber sein Mitteilungsbedürfnis über den Drang, mich festnageln zu wollen. Ich war erleichtert, als er seine Sorgenmiene fallen ließ und stattdessen zu strahlen begann.
«In drei Tagen geht’s los!» Aufgeregt erzählte er mir, wie er bald die Küste Mexikos erkunden, auf den Spuren der Mayas wandeln und hoffentlich beim Tauchen seinen ersten Hai sehen würde. Natürlich im Beisein seiner Freundin Jenny.
Tim redete und redete und ich schweifte gedanklich ab und wusste nicht, was ich die Semesterferien ohne ihn machen sollte. Seitdem ich wegen des Studiums in Düsseldorf lebte, war Tim der einzige Freund, den ich noch hatte. Nicht dass ich je besonders viele Freunde gehabt hätte. Doch jetzt musste ich immer mit dem blöden Zug nach Essen gondeln, um ihn zu treffen. Zudem waren die Besuche noch seltener geworden, seit er mit Jenny zusammen und die Sache mit meinem Vater passiert war.
Zum Glück gab es noch Handy und Telefon. Damit überbrückten wir jeden Mittwochabend um sieben für eine Stunde die Entfernung zwischen uns. Wir quatschten dann darüber, wie unsere Woche gelaufen war, und brachten uns gegenseitig auf den neusten Stand. Der aktuell so aussah, dass mein bester und einziger Freund mal eben für zwei Monate die Biege nach Übersee machen und ich den ganzen Sommer in Zwangsisolation verbringen würde.
«Ich schicke dir Fotos. Vielleicht lege ich für die Reise auch einen Blog an, dann weißt du immer, wo ich bin und kannst die Botschaft alarmieren, wenn ich irgendwie verschwinden sollte. Mit Telefonieren könnte es ja schwierig werden in Mexiko.»
‹Logisch›, dachte ich. Würde Tim mich sogar im Urlaub regelmäßig anrufen, würde Jenny ihm wohl den Hals umdrehen. Oder eher mir. Schließlich war sie schon jetzt kein Fan von mir und den ständigen Mittwochstelefonaten. Was ich ihr nicht einmal verübeln konnte, denn mit Sicherheit hatte Tim ihr erzählt, dass ich schwul war. Und nur weil er und ich wussten, dass das nichts mit unserer Freundschaft zu tun hatte und auch nie haben würde, fanden andere die Sache bestimmt nicht weniger komisch.
Von dem Gedanken wurde mir ein bisschen schwindelig. Als der Kellner vorbeikam, bestellte ich mir kurzerhand zwei Gläser Cola. Mittlerweile zuckte Tim bei so einer Bestellung nicht einmal mehr mit der Wimper. Was mich freute, weil es tierisch nervte, immer auf meinen Cola-Konsum angesprochen zu werden. Noch so eine Sache, die bei mir anscheinend nicht normal war.
«Freut mich», sagte ich, als der Kellner weg war. «Ich hoffe, ihr zwei habt da unten eine richtig gute Zeit. – Was denn?»
Tim grinste mich mit schiefem Mund an: «Du bist ein erbärmlicher Lügner, Jona!»
«Was? Was habe ich denn gesagt?»
«Ich weiß, dass du es nicht toll findest, den Sommer allein zu sein. Tut mir leid.»
Tims Gesicht wurde mit einem Schlag wieder ernst und ich begriff sofort. «Braucht es nicht», sagte ich schnell.
Dann tauchte der Kellner neben mir auf und ich streckte die Hände nach den beiden Gläsern wie nach einem Rettungsring. Direkt nahm ich einen so großen Schluck, dass ich fast ertrunken wäre. Wenigstens war ich abgehärtet genug, um bei anhaltendem Blick ins Cola-Glas nicht vor lauter Kohlensäure in Tränen auszubrechen.
«Na ja», hörte ich Tim sagen – ohne diesen heiseren Unterton in der Stimme, den er seit Kurzem häufiger hatte, wenn wir sprachen. «So langweilig wird dein Sommer vielleicht gar nicht. Ich habe da nämlich einen kleinen Überfall auf dich vor. Du erinnerst dich doch bestimmt an meinen Semesterferienjob, oder?»
«Hausmädchen spielen?», fragte ich irritiert. Dass er nach dieser Ankündigung seinen Ferienjob ins Spiel brachte, beunruhigte mich ein wenig.
«Na ja, Hausmädchen. Eher Babysitter, ein bisschen Putzen, Gärtnern … sowas. Du kennst dich doch mit Pflanzen und Grünzeug aus, oder?» Die Frage war dermaßen fadenscheinig, dass ich mich kaum zurückhalten konnte, die Brauen zu heben. «Jaah …?»
«Also, wie du weißt, ist dieser Job extrem wichtig für mich. Damit finanziere ich mir quasi mein Studium, deshalb …»
«Jetzt spuck’s schon aus», fiel ich ihm ungeduldig ins Wort.
«Na schön. Wegen Mexiko werde ich diesmal leider nicht bei den Duvalls arbeiten können.» Ich wusste, was kam, noch bevor er die Bombe platzen ließ. «Aber du ja vielleicht.»
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