Wiglaf Droste
Kalte Duschen, warmer Regen
Geschichten, Sprachglossen, Miniaturen
FUEGO
- Über dieses Buch -
Wiglaf Droste geht aufs Ganze. Kein Wunder, dass die Passauer Neue Presse konstatierte: »Lakonisch, irritierend, prügelhart, hochintelligent und punktgenau trifft Droste immer ins Schwarze.« Droste ist unnachgiebig gegenüber politischen Hohlköpfen, weshalb er Frauke Petry als »Mischung aus Schreckschraube und Schreckschusspistole« beschreibt und Beatrix von Storch als »aufgeblasene Ochsenfröschin«. Er entdeckt in Bamberg einen mysteriösen »Männerausverkauf«: »Es waren allerdings gar keine Männer zu sehen, jedenfalls nicht in der Auslage; aber vielleicht hinten, im Lager? Das wäre doch der perfekte Skandal: Männer werden in Lagern gehalten und aus- oder auch abverkauft!« Er beschreibt, wie er zu einer Jogginghose kam, der »Kapitulation der Zivilisation«, und wie er sie sogar anzog: »Der letzte Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle hätte sich nicht einsamer und unglücklicher fühlen können.«
»Ja, da ist sie wieder, die alte Wut. Droste schreibt die bösesten Anklagen und die schönsten Lobreden. Man hat ihn vermisst.« (Stefan Gohlisch, Neue Presse, Hannover)
»Summ, summ, summ: Früher oder später geht die Lektüre von Drostes Texten stets ins Ohr… Er hat so eine Lust am Wortübermut, am Sprachschabernack und an der schönen Schnurre.« (Gitta List, Schnüss, Bonn)
»Droste beglückt mit funkelnder Intelligenz und Sprachreichtum.« (Berliner Morgenpost)
Für Ulla Rowohlt
Schuhigt Erdogan!
Freiheit für die Gefangenen und Geiseln des großtürkischen Usurpators Erdal Rex!
Der türkische Diktator Recep Tayyip Erdogan hat den ehemaligen taz - und anschließenden Welt -Kollegen Deniz Yücel in Untersuchungshaft sperren lassen; Erdogans willige Helfer folgten der sie anführenden Terror-Qualle auch darin widerspruchslos. Die Vorwürfe gegen Yücel – »Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Datenmissbrauch« – sind haltlos; jeder weiß das, die Diplomatie arbeitet im Stillen an der Freilassung Yücels, was den Opfern staatlicher Willkür und Gewalt oft reichlich mehr weiterhilft als das moralisierende Aufgepluster von Leuten, die sich »Menschenrechting« (Friedrich Küppersbusch) auf ihre Sportvereinsfahnen geschrieben haben.
Im Fall Erdogan aber bedarf es tatsächlich einer weltweit vernehmlichen, unmissverständlichen Reaktion; ein noch so winziges weiteres bisschen Appeasement gegenüber diesem Hitler-Verschnitt wäre fatal, wenn nicht letal für eine große Region dieser Welt. Als Demokrat darf man Erdogan nicht steinigen; man kann ihn aber schuhigen, also mit alten, schmutzigen, stinkenden Schuhen bewerfen, die man sich zu diesem Zwecke auf dem Müllplatz oder im Last Hand-Shop besorgt. Schuhhersteller sind gehalten, sehr unstylische Erdogan-Linien entwerfen und auf den Markt schleudern zu lassen, Miefmaukenumhüllungen mit hohem Härtegrad.
Deniz Yücel und alle seine Kolleginnen und Kollegen sowie sämtliche aus politischen Gründen von Erdogan und seinen Leuten Eingesperrte müssen aus der Haft entlassen werden; das Recht auf Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit muss wiederhergestellt werden, Erdogan gehört kein kurzer, sondern ein juristisch einwandfreier Prozess gemacht. Wer weniger verlangt und für weniger eintritt und kämpft, bedarf dringend des Nachhilfeunterrichts in Demokratie. Dass ich, mit unterdessen Mitte 50 und Arthrose in beiden Knien, von der Möglichkeit, Erdogan die Eier – so er denn welche hätte – in die Mandeln zu treten, mit Freuden und Kusshand Gebrauch machte, ist meine ganz private Phantasie.
Sachsen, Nazis und Mentoren
Es war ein gebürtiger Sachse, der schrieb: »Vom andern aus lerne die Welt begreifen.« Der Mann kam 1883 als Hans Bötticher in Wurzen zur Welt, drei Jahre später zog die Familie nach Leipzig, wo es zu der Zeit üblich war, schwarze Menschen wie exotische Tiere in Zoos und Menagerien auszustellen. Als der Schüler Hans Bötticher sich von einer Samoanerin, die ihn faszinierte, tätowieren ließ, wurde er in der Schule brutal gezüchtigt und der Anstalt verwiesen.
Im Alter von 17 Jahren wurde er Schiffsjunge und erlebte am eigenen Leib weitere Drangsal und Menschenquälerei. Er ging zur Marine und wurde Kommandant eines Minensuchboots; zwar war er tendenziell unpolitisch, doch ein so weltanschaulich klarer, anständiger und loyaler Mann, dass die revolutionären Matrosenräte ihn bei ihren Versammlungen duldeten und sprechen ließen. Nach dem Krieg verschlug es ihn quer durchs Land, er wurde Dichter und erlangte unter dem Namen Joachim Ringelnatz Bekanntheit, ja Berühmtheit; Zeitgenossen wie die Schauspielerin Asta Nielsen und die Schriftsteller Alfred Polgar und Kurt Tucholsky liebten und verehrten ihn.
In München, der späteren »Hauptstadt der Bewegung«, wurden seine Auftritte schon früh durch rechte Burschenschafter gestört, die, passend zu ihren Mensurschmissen, mit Bierkrügen nach dem Bühnenkünstler warfen und ihn bepöbelten; die Korporierten nannten seine Dichtungen »frivol« und »antivaterländisch«, was auch die Nationalsozialisten taten, die ihm Publikations- und Auftrittsverbot erteilten und ihn, den mittellos Gewordenen, damit zum Tod durch die Tuberkulose verurteilten, deren Behandlung er sich nicht mehr leisten konnte. Er starb 1934, gerade mal 51 Jahre alt. Was er von Hitler und seinen Leuten hielt, schrieb er, der sich stets der Welt und ihren menschlichen und tierischen Bewohnern poetisch zugewandt hatte, deutlich auf und sprach von dem »treuen deutschen Wort Scheiße«.
Auch das fällt mir ein, wenn ich sehend und lesend nacherlebe, was sich tut in Sachsen und anderswo, wie sich Mobs zusammenrotten, unter Duldung und offen gejohlter Zustimmung und Anfeuerung von schaulustigen Passivsadisten, die noch nicht selbst mit Hand anlegen, wenn es um Gewalt, Brandstiftung, Morddrohung, Körperverletzung und eine aggressiven Feindseligkeit geht, wie sie so offen und so gehäuft lange nicht zutage trat. So wie Joachim Ringelnatz kein Ringelnatz-Problem hatte, wenn er angegriffen wurde, sondern ein Problem mit Leuten, die als »Arschgeigen« zu bezeichnen sträflich verharmlosend wäre, gibt es in Deutschland kein »Flüchtlingsproblem«, sondern ein Problem mit Deutschen, die sich zum handgreiflichen Abschieben bis hin zum Lynchmob organisieren.
Gedeckt und angestachelt werden sie von Politikern, die sich seriös geben, sich von Gewaltexzessen rhetorisch distanzieren und eine Politik propagieren, die alles, was sie abzulehnen und zu verabscheuen behauptet, erst ermöglicht. Der CSU-Funktionär Markus Söder, Träger des »Ordens wider den tierischen Ernst«, verlangt die Abschiebung von 350.000 Flüchtlingen und Asylsuchenden; dabei müsste er jedem auf Knien danken, der sich herablässt, seine Schweinestallsprachwüste aufzusuchen, einen Land-Strich, in dem einer wie Söder zu Macht und Ansehen gelangen kann. »Freistaat« ist ein anderes Wort für antidemokratisches An- und Unwesen, das gilt für Bayern wie für Sachsen – es sei denn, man entmachtete die Repräsentanten dieser Heimatschutzdiktaturen und schickte sie gnädig Toiletten putzen gehen, an der Autobahn, der Lieblingsstraße ihres Vorbilds.
Dass auch nur einer der Vorgänger Söders seinen albernen Orden aus Protest zurückgegeben hätte, ist nicht bekannt; die Volksaufhetzer erfahren keinerlei soziale Ächtung. AfD-Rechtsradikale werden medial hofiert; die Begründung, man würde ihnen sonst zu noch mehr Aufmerksamkeit und Zulauf verhelfen, ist so absurd und geistabsent, dass sie nur durch medial erzeugte Selbstverkrüppelung in die Welt kommen kann; das Lied »Crippled Inside« von John Lennon trifft Sache und Personal im Kern. Wo ein AfD-Mitglied ein Flüchtlingsheim leiten darf wie im sächsischen Clausnitz, kann man Amnesty International auch der NPD angliedern.
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