Überrascht weiteten sich seine Augen. Ich konnte nicht zulassen, dass er einfach hier hereinkam und meinen ganzen großartigen Plan zerstörte.
Ich versuchte ihm mit Handzeichen verständlich zu machen, dass er gefälligst leise sein sollte, falls meine Hand auf seinem Mund noch nicht eindeutig genug war.
Nachdem ich sicher war, dass er nichts mehr sagen würde, deutete ich auf den Luftschacht neben mir. Ich hatte keinen Nerv, ihm die Sache jetzt zu erklären, weshalb ich einfach mein Ohr wieder dran presste und hoffte, Owen würde sich nicht bemerkbar machen.
Ich konnte die Rädchen in seinem Kopf förmlich rattern hören, als er plötzlich erstaunt die Augen weitete.
Kurzerhand kam er auf mich zu, stellte sich einfach neben mich und presste ebenfalls sein Ohr gegen den Luftschacht.
Unsere Gesichter waren nun dicht aneinander, weshalb ich automatisch einen Schritt zurück ging, um Abstand zu gewinnen, was meinem Gegenüber ein Grinsen ins Gesicht trieb.
Ich fand seine Reaktion zwar verirrend, hatte aber keine Zeit weiter darüber nachzudenken, da man soeben im Nebenzimmer das Telefon ringen hörte.
Gespannt hielt ich die Luft an.
„Taylor hier, ja bitte?“ hörte man die Stimme des Direktors etwas undeutlich. Es klang, als würde er durch ein langes dumpfes Rohr sprechen.
„Natürlich war es ein Unfall, ganz außer Frage… Die Schule kennt beinahe kein anderes Gesprächsthema mehr…. Ich werde es in der Lehrerkonferenz ansprechen.“ Ich fragte mich, mit wem er da telefonierte. Nach einer kurzen Pause sagte er noch:
„Nein, ich werde keine Fragen beantworten, weder von Journalisten noch von Schülern oder Eltern. Die offizielle Version muss reichen, verdammt nochmal!“ Ich zog meine Augenbrauen zusammen.
Direktor Taylor war unglaublich faul, es reichte nicht, dass er jedes Jahr dieselbe Rede hielt, nein, er war sich sogar zu schade, um Fragen über den Tod einer Schülerin zu beantworten. Aber damit würde er bestimmt nicht durchkommen.
Allein die Presse würde das verhindern.
Ärgerlich blickte ich zu Owen. Der zog bei meinem Blick nur überrascht die Augenbrauen hoch. Als es im Nebenzimmer wieder still wurde, war ich leicht enttäuscht.
Bis auf die Tatsache, dass der Direktor faul war, was ich eh schon gewusst hatte, hatte ich nichts Neues erfahren.
Andererseits, was hatte ich auch Großartiges erwartet?
Dass der Direktor allen Schülern eine brisante Information verheimlichen würde?
Dass er ausgerechnet in der Sekunde damit rausrücken würde, in der ich vom Nebenzimmer aus lauschte?
Inzwischen kam mir mein genialer Plan gar nicht mehr genial, sondern lächerlich vor. Langsam richtete ich mich wieder auf und machte Owen ein Zeichen, leise zur Tür zu gehen. Er nickte und als er die Tür öffnete, schaute er erst vorsichtig nach links und rechts den Gang runter, bevor er mich durch die Tür lotste.
Ohne ein Wort zu sagen, machten wir uns so schnell und unauffällig wie möglich auf den Weg aus dem Gang heraus und zurück in die Wohntrakte der Schüler.
Als wir um die Ecke bogen und wieder viele andere Schüler um uns herumliefen, atmete ich auf.
Ich wollte gerade durch die Treppe nach unten verschwinden, als Owen mich plötzlich am Arm festhielt.
Ich blickte mich erstaunt um, ihn hatte ich beinahe schon wieder vergessen.
„Ich finde, du bist mir eine Erklärung schuldig.“ meinte er.
Ich riss mich los und machte mich auf den Weg nach unten. Leider folgte er mir.
„Ich bin dir gar nichts schuldig. Du bist einfach in meine Angelegenheiten hereingeplatzt.“ sagte ich erhobenen Hauptes, um die Peinlichkeit zu überspielen. Als wir die Treppe hinunter waren, steuerte ich auf den Park der Burg zu.
Die Wolken, die heute Morgen am Himmel gewesen waren, hatten sich wieder verzogen und ließen die Sonne durchstrahlen.
„Deine Angelegenheiten?“ fragte Owen belustigt.
„Du meinst damit, in einem Abstellraum den Direktor zu belauschen?“ fügte er spöttisch hinzu.
Ich blickte mich alarmiert um, aber zum Glück war niemand in Hörweite. Genervt sah ich ihn an. Er würde ja doch keine Ruhe geben.
„Na gut, ich wollte ihn belauschen, na und? Ist ja leider nichts Vorteilhaftes bei herumgekommen.“
Das brachte mir wieder mein Dilemma zurück, denn jetzt wusste ich noch immer nicht weiter.
„Was wolltest du denn damit erreichen?“ fragte er und betrachtete mich nachdenklich, als ich stumm blieb.
„Du bist wirklich das Mädchen, das gestern bei der Versammlung so interessante Fragen gestellt hat, stimmts?“
Jetzt grinste er wieder. War das das einzige was er konnte, oder was? Ich nickte trotzig. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mich erklären zu müssen.
„Ich habe einfach die ganze Zeit das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt! Ich kann es nicht erklären, aber irgendetwas gefällt mir nicht an Kelly Evans Unfall.“ Ich sagte das in einem Brustton der Überzeugung.
„Ich bin übrigens Liz Anderson, falls dich das überhaupt interessiert.“ sagte ich, weil ich sicher war, dass er meinen Namen nicht kannte, obwohl wir im selben Schwimmkurs waren. Ich verübelte es ihm nicht.
„Freut mich, Liz.“ antwortete Owen. Ich fragte mich, was er jetzt von mir dachte.
Immerhin musste es doch recht seltsam sein, jemandem beim Spionieren in einem Abstellraum zu erwischen.
Andererseits ist es ja wohl noch seltsamer, sich dann einfach dazu zu stellen und mit zu spionieren.
„Und du versuchst jetzt Antworten zu finden?“ fragte Owen nochmal.
Als ich nichts sagte, musterte er mich skeptisch.
„Weißt du eigentlich, dass deine Uniform eine Falte hat?“
Dabei deutete er auf meinen Rock. Ich errötete leicht, zwang mich aber, mich nicht danach umzudrehen.
Den Rock hatte ich bis jetzt fast durchgängig getragen. Wenn es stimmte, dann konnte ich das zu meiner langen Liste von Peinlichkeiten hinzufügen.
Aber mein Stolz ließ das nicht zu.
„Natürlich weiß ich das. Aber das hat auch einen bestimmten Grund.“
„Welchen?“ fragte er fordernd.
„Das verrat ich dir nicht. Es geht dich ja auch nichts an.“ Es war die lahmste Ausrede der Welt.
Um das zu überspielen, musterte ich ihn dieses Mal. Dann wusste er wenigstens, wie sich das anfühlte.
Leider hatte er nirgends auch nur die kleinste Falte.
Erst jetzt viel mir auf, dass er noch seine Trainingssachen anhatte.
Als er meinen Blick sah, seufzte er und sagte:
„Ein Mitspieler hat mir Ärger eingebrockt. Deswegen musste ich zum Direktor.“ Ich nickte.
Es ging mich ja nichts an, aber ich hätte nicht gedacht, dass er sich so schnell in Schwierigkeiten bringen würde. Andererseits kannte ich ihn ja auch nicht besonders gut.
Eigentlich kannte ich ihn gar nicht.
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