26–29VL überliefert in diesen Versen unter Beibehaltung von OG einen ursprünglicheren Text als MT. 27Insbesondere trennt VL – anders als MT – die Handlung nicht in zwei unterschiedliche Bewegungen, die vor und nach dem Mittag stattfinden, sondern schildert einen einzigen zeitlichen Bogen von dem zeitlich nicht festgelegten Beginn des Wettstreits bis zur Zeit des abendlichen Opfers.
26 nahmen sie den Stier: So G BLund VL. MT + den man ihnen gegeben hatte .
riefen sie den Namen Baals an: So G Lund OL. MT und G B+ vom Morgen bis zum Mittag in Vorwegnahme der Erwähnung des Mittags in V. 29.
Oh Baal, antworte uns: So MT. G BLund VL: Antworte uns, oh Baal, antworte uns .
niemand antwortete:MT und G B+ dann hinkten sie um den Altar herum, den sie gemacht hatten . Fehlt in VL und passt aus anderen Gründen nicht. 28Das Verb פסח wird hier in anderer Bedeutung verwendet als in V. 21. Dort bezieht es sich auf das Hin- und Herschwanken zwischen Jhwh und Baal, hier dagegen beschreibt es den kultischen Tanz der Propheten Baals. Darüber hinaus ergibt das Verb עשׂה im Singular hier kaum Sinn; es stimmt mit dem נתן der Glosse oder Erweiterung weiter vorne im Vers überein, wo es sich selbstverständlich auf Elija bezieht. Die griechischen Textzeugen G und das Sebir des MT lösen das Problem, indem sie den Plural עשו lesen, doch der Satz ist höchstwahrscheinlich eine spätere Entfaltung von פסח, die ein Wortspiel darstellt und der Beschreibung der Propheten Baals etwas mehr Farbe verleiht. Die Verspottung durch Elija im nächsten Vers zielt darauf, dass die Propheten Baal anrufen, ohne eine Antwort zu erhalten, aber sie bezieht sich nicht auf ihr Herumhüpfen um den Altar.
27 Elija verspottete sie: Voran steht in MT und G BL mittags . Diese Notiz, durch welche die Erzählung im MT in zwei Abschnitte geteilt wird – vormittags und nachmittags –, fehlt in VL und gehört zu einer Erweiterung, die in MT bezeugt ist und als Rezension auch in den griechischen Textzeugen. 29In OG wird der Titel Elijas erweitert und der Tischbiter gelesen (so G BLund VL). Das Verb ויהתל ist eine sekundäre Bildung von der Wurzel תלל (BDB 251; HALAT 247), die eine Täuschung bezeichnet; demnach hätte Elija die Propheten Baals zu der Annahme verleitet, er würde wirklich denken, dass Baal Gott sei. 30
indem er sagte: So MT und G B(ויאמר = καὶ εἶπεν). G Lund VL: καὶ προσέθετο λέγων = ויסף לאמר = wiederum sagte .
Ruft lauter: Zu dieser Übersetzung als Komparativ siehe IBHSy, 264; Joüon §102g.
vielleicht ist er verhindert, oder vielleicht schläft er und muss aufgeweckt werden: Gelesen wird אולי שׂיג הוא אולי ישן הוא ויקץ. Dies ist die Vorlage der OG-Lesart, wie sie Trebolle auf der Grundlage von VL rekonstruiert. 31Er schlägt vor, dass MT mit כי־אלהים הוא כי שיח לו eine Variante dieser Lesart stützt und dass der vorliegende Text eine Kombination dieser beiden Varianten darstellt. Meine eigene Rekonstruktion der hinter MT stehenden Entwicklungen sieht etwas anders aus. Wie Trebolle notiert, ist die Wendung וכי־דרך לו sekundär; sie findet sich im MT, aber nicht in den griechischen Textzeugen. Gleiches gilt vermutlich für כי־אלהים הוא, das MT und G Bebenfalls bezeugen, nicht aber G L. Das Wort שיח ist eine Glosse zu שיג, einem Hapaxlegomenon . Die Glosse wird erstmals im MT hinzugesetzt, und auf sie folgen die zwei Hinzufügungen. Die Etymologie von שיג verweist auf die Bedeutung „weggehen, beiseite gehen“ oder „Ausscheidung, Stuhlgang“ (HALAT 1229). Auch שיח kann sich auf Stuhlgang oder Urinieren beziehen; 32diese Bedeutung scheint die Glosse klären zu wollen. Womöglich soll שיח ursprünglich das Nachsinnen Baals bezeichnen, so jedenfalls viele moderne Kommentatoren und Übersetzungen (vgl. 2 Kön 9,11). Doch der Bezug auf Körperfunktionen passt gut zu Elijas Verspottung seiner Gegner und ihres Gottes. Dieses Verständnis reicht mindestens bis zum Targum Jonathan zurück, das seinen eigenen Euphemismus verwendet und vielleicht auch Rashi beeinflusst haben könnte. 33
28 ihrem Brauch gemäß: So MT und G L. Es fehlt in G B, vermutlich aufgrund einer Haplographie, die auf die Ähnlichkeit von כ und ב zurückgeht.
29 Sie waren immer noch in Ekstase, als die Mittagszeit vorbei war: Gelesen wird ויתנבאו עד אשׁר עבר הצהרים mit G L: καὶ ἐπροφήτευσαν ἕως οὗ παρῆλθε τὸ μεσημβρινὸν. MT hat ebenfalls diese zeitliche Ansetzung der Ereignisse (wie VL), wobei die Satzteile umgekehrt angeordnet sind: ויהי כעבר הצהרים ויתנבאו. G Bstimmt im Wesentlichen mit G Lüberein, wobei allerdings abends (הערב) statt Mittagszeit (הצהרים) steht, was vermutlich eine Verschreibung von ערב anstelle von צהרים ist, motiviert durch עבר.
Als dann zur Zeit des Opferns immer noch keine Stimme war, sagte Elija zu den Propheten Baals: „Tretet nun zur Seite, und ich werde mein Opfer herrichten.“ Also traten sie zur Seite, aus dem Weg: In MT gibt es eine lange Haplographie, die durch die Wiederholung von sagte Elija an dieser Stelle und zu Beginn von V. 30 hervorgerufen wurde. Die Haplographie hat in der Folge beim MT zu einer Veränderung des Wortlauts und dessen Erweiterung am Ende zu ואין־ענה ואין קשב geführt. 34Mehr dazu siehe auch unten zu Vv. 30–32.
30 zum Volk: So G BL. MT: zum ganzen Volk .
kam näher hin zu ihm: MT + und er richtete den Altar Jhwhs wieder her, der niedergerissen worden war. Siehe zu V. 32.
31 Anzahl der Stämme: So MT und G B. G L: Anzahl der zwölf Stämme .
Israels: So G BL. MT: der Söhne Jakobs .
Jhwh gesagt hatte: So G BL: ἐλάλησεν κύριος; MT: das Wort Jhwhs kam (היה דבר יהוה).
32 er verbaute die Steine: So G Lund VL. MT bzw. G Blesen er baute aus den Steinen einen Altar im Namen Jhwhs 35und er verbaute die Steine im Namen Jhwhs . Alle drei Lesarten betten die Interpolation in Vv. 31–32a ein (dazu siehe unten). Ich übernehme die kürzeste Lesart. בנה mit der Bezeichnung eines Materials als Objekt ist sonst nur 1 Kön 15,22 = 2 Chr 16,6 anzutreffen. Die längere Form ויבנה (statt ויבן) kommt in den Königebüchern häufig vor und scheint einem Guttural vorgezogen worden zu sein (10,29; 16,25; 2 Kön 3,2; 13,11). 36
richtete den Altar Jhwhs wieder her, der niedergerissen worden war: MT hat diese Lesart am Ende von V. 30, während G BLsie an dieser Stelle nach V. 32a platzieren. In G Bist die Wendung Jhwhs aus stilistischen Gründen weggelassen, weil der Gottesname bereits in V. 32a vorgekommen ist. 37Die unterschiedlichen Platzierungen gehen auf den Einschub von Vv. 31–32a zurück, den MT hinter den Satz stellt, G BLjedoch vor ihn. Dem Einschub zufolge hat Elija einen neuen Altar gebaut, was in direktem Widerspruch zur Aussage steht, dass er einen vorhandenen Altar wieder hergerichtet hat. 38Zur Verwendung von רפא „heilen“ für das Reparieren unbelebter Objekte siehe Jer 19,11. Neh 3,34 bezieht sich ebenfalls auf das Erwecken von Steinen – vermutlich eines Altars – zu neuem Leben (√חיה).
Graben: So MT (תעלה) hier sowie in Vv. 35.38, wo es in G Ltranskribiert wird (θααλα). G Bhat an allen drei Stellen Formen von θαλασσα („See“).
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