In das Lager der Schwarzfüsse traf die Botschaft des Häuptlings wie ein plötzlicher Schuss. Das Kriegsgeschrei! — der Befehl, augenblicklich aufzubrechen! — —
„Feinde!“ rief der Blitz, „Dakotas!“
„Der Häuptling ist vielleicht gefangen!“
„Nein. Er frei, er Zeichen geben.“
„Ob Ihr Euch aber auch nicht täuscht? Er braucht möglicherweise Beistand, um den gefallenen Hirsch fortzubringen!“
„Und dafür geben Kriegsgeschrei? Weisser Mann keine Squaw sein, nicht so Unsinn sprechen. Sagamore sehen Krähen!“
Mr. Duncan sass bereits im Sattel. „Ich glaube es auch,“ seufzte er. „Da muss einer Hals über Kopf reiten, um den verdammten Kerlen in die Hände zu laufen!“
Die Schwarzfüsse sprengten schon davon, der Punkah ermunterte die übrigen zur Eile. „Können nur wenig Krähen hier sein,“ rief er, „sonst sie nicht fliehen. Töten alle!“
Und mit wildem gellendem Schrei jagte er hinterdrein, gefolgt von seiner braunen Schar und den letzten Weissen.
Nach fünf Minuten hatten alle das Lager verlassen und sprengten auf der Spur des Gelben Wolfes dahin. Trotz der rasenden Eile dieses Sturmlaufes zählten doch die Indianer die Fährten der vorausgeeilten Tiere; es waren zwanzig Reiter hier vorübergekommen, mehr nicht.
„Eine Streifpartie!“ murmelte Mr. Everett. „Da ist doch einige Hoffnung, den Schwarzfuss und den Trapper herauszuhauen.“
Bob schüttelte den Kopf. „Nur der Trapper ist gefangen, der Häuptling nicht. Die Dakotas würden ihn an dem Ausstossen des Kriegsgeschreies auf jeden Fall verhindert haben, wenn ihnen das eben möglich gewesen wäre. Eins fürchte ich, — wir geraten alle in einen Hinterhalt.“
„Aber den alten Jonathan zu verlassen, wäre feige!“
„Gewiss! — Aha, da ist die Sonne.“
Der Blitz deutete mit der Rechten auf eine ferne, kaum am Horizont erkennbare Hügelkette. „Von daher Schwarzfüsse kommen!“ rief er. „Dakotas das nicht wissen, sie ihnen gerade entgegen reiten!“
„Das ist gut!“ rief hoch erfreut Mr. Everett. „Aber,“ setz ebenso schnell hinzu, „wird nicht, ehe sie hier sein können, die Sache sich längst entschieden haben?“
„Das nicht wissen. Absichten von Dakotas nicht kennen.“
Donnerwolke gab seinen Leuten ein Zeichen. „Ihr gehorchen, was Schwarzfusshäuptlinge befehlen,“ rief er, „ich nicht warte.“
Und seinem Hengst die Sporen gebend, trennte er sich von der Schar, um in verdoppelter Eile voraus zu fliegen. Der weite Büffelmantel umwallte die hohe, männlich schöne Gestalt, die Hufe des Renners warfen Sand und Erde hoch empor, — nach wenigen Minuten war der tollkühne Reiter am Rande des Horizonts verschwunden.
„Krähen die Spur ihrer Leute verloren haben!“ entschied der Blitz, „sie den ebenen Weg wählen, um nur vorwärts zu kommen. Nicht wissen, wohin sollen, sonst auf keinen Fall Dorf von Tschippewäern so nahe gehen.“
„Sind wir denn auf dem Wege dorthin, Blitz?“
„Reiten so weiter, dann Pferde stürzen in einigen Stunden, aber dicht bei Dorf sein vor Abend. Es nicht aushalten können.“
„Und hinter dem Tschippewäerdorfe liegt das der Schwarzfüsse?“
„Winterquartiere, ja. Sie bald dahin gehen, — von hier fünf, sechs Tagereisen. Sie vielleicht schon da sein.“
Und wieder wurden die Pferde angetrieben, wieder verstärkte sich ihre rasende Eile. Jetzt erschien vor den Blicken der Reiter das kleine Häuflein flüchtender Dakotas, jetzt sahen sie hinter den dunkeln Gestalten die des Gelben Wolfes und des Punkahhäuptlings, — auf Tod und Leben jagten die Indianer, beide berühmte, hochgeachtete Führer, den fliehenden Feinden nach.
„Hurra!“ rief Hugo, „hurra, der Sieg ist unser! Wir überholen die Schurken!“
„Aber bedenke, dass sich der Trapper in ihrer Gewalt befindet. Lebendig geben sie ihn auf keinen Fall heraus.“
„Dann setzen wir für den Alten das Leben ein. Siehst du, wie die Entfernung schwindet! Ihre steifen Klepper können es mit unseren braven Tieren nicht aufnehmen!“
„Hurra!“ schrie jetzt auch Mr. Travers, und die übrigen stimmten aus voller Kehle ein, „der Sieg bleibt unser!“
Vor den Flüchtigen lag unübersehbar die weite Prärie, an deren letztem Rande das Dorf der Tschippewäer sich erhob. Kein Gebüsch, keine Felswand bot Deckung.
Die Dakotas hatten auf die Schnelligkeit ihrer Pferde gehofft und sich darin verrechnet.
Der Blitz beobachtete mit funkelnden Augen ihr Verhalten. „Haben sehr grosse Unruhe,“ sagte er. „Wi-ju-jon sterben müssen.“
„Das auch denken,“ nickte der Schlaue Fuchs. „Sie verloren, aber vorher Rache nehmen. Oder vielleicht unterhandeln.“
„Dann geben wir der Brut jedes Versprechen, das sie etwa verlangen mag!“ rief mit geballter Faust Mr. Duncan, „und nachher schiessen wir sie über den Haufen, dass auch nicht ein einziger lebendig davonkommt! Mich deucht, eine gute Kugelbüchse sollte die Höllenhunde schon von hier aus erreichen können.“
Der Blitz hob mahnend die Hand. „Aber nicht brauchen Feuerwaffe,“ rief er. „Hören Knall meilenweit.“
„Pah, — auf der Spur sind sie uns ja doch!“
Er legte das Gewehr an, und zur Rechten der beiden indianischen Häuptlinge fiel, als der Pulverdampf verraucht war, ein Indianer aus dem Sattel in das Gras. Er war tot, regte kein Glied, — die übrigen schienen von panischem Schrecken erfasst, sie mässigten die Eile ihrer ermatteten Tiere, sie berieten. —
„Drauf! drauf!“ rief Mr. Duncan.
Unter den Sioux entstand plötzlich eine Bewegung; das Häuflein teilte sich, und aus den Reihen, sein Tier wendend, ritt ein Indianer hervor, den Verfolgern gerade entgegen.
Einen Augenblick mochten diese glauben, es mit einem Wahnsinnigen zu tun zu haben, sie stutzten unschlüssig, dann aber erkannten alle zugleich die Absicht der Dakotas. Beide feindliche Parteien hielten kaum dreissig Schritt von einander entfernt auf der Prärie, die Bogen der Schwarzfüsse und Punkahs waren gespannt, die Kugelbüchsen ihrer Begleiter erhoben.
Der vorderste Reiter, stolz und fest im Sattel erhoben, hielt vor sich den Gefangenen, welchen er gebunden seinen Verfolgern zeigte. Die Rechte umfasste das Messer, dessen Spitze auf Jonathans Brust stand, — der Dakota sprach keine Silbe, aber jede Bewegung zeigte den unerbittlichen Entschluss, sich für die erste neue Feindseligkeit mit dem Leben des Trappers bezahlt zu machen.
Der Blitz sprang auf den Rücken seines Tieres. „Nicht schiessen!“ rief er. „Wer es tun, der sterben.“
Donnerwolke und der Gelbe Wolf hatten sich einander flüchtig für Sekunden genähert, es schien als flüsterten sie, — auch der Punkah stand jetzt auf dem Rücken seines Renners.
Es war ein Augenblick, in dem auch die Herzen der Tapfersten zitterten. Das Leben des alten Trappers hing an einem Haar.
„Hugh!“ begann der Dakota, „die Tetons sprechen zu den Schwarzfüssen und Punkahs. Sie sind von ihren Gegnern nicht besiegt, sondern sie haben Unglück gehabt, indem sie von den Ihrigen abgeschnitten wurden, aber dennoch ist der Vorteil auf ihrer Seite, denn sie besitzen eine wertvolle Geisel. Wollen sich die Häuptlinge der Punkahs und Schwarzfüsse verpflichten, die Dakotas frei, wohin es ihnen beliebt, ziehen zu lassen, und ihnen für die Vereinigung mit ihren Freunden eine Frist von vierundzwanzig Stunden bewilligen, dann soll ihnen der Friedensmann unbeschädigt ausgeliefert werden. Wo nicht, so ist er der erste, welcher stirbt.“
Auf diesen Vorschlag schien der Punkah gewartet zu haben, für diesen Augenblick war er auf den Rücken seines Pferdes gesprungen. Ehe noch eine Antwort irgendwelchen Sinnes überhaupt möglich war, ehe Sekunden vergingen, hatte er getan, was in den Annalen der Kriegsgeschichte selten zu verzeichnen gewesen sein mag.
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