Anton de Kom
Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann
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Der Verlag bedankt sich sehr für die Förderung dieser Publikation durch die Niederländische Literaturstiftung. |
Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds unterstützt.
Erstdruck 1934
21. Auflage Dezember 2020
© 1999 Erven A. Kom
© 2020 Vor- und Nachworte:
Tessa Leuwsha, Mitchell Esajas, Duco van Oostrum
Originalausgabe:
Anton de Kom, Wij Slaven van Suriname
Uitgeverij Atlas Contact Amsterdam/Antwerpen 2020
© 2021 für die deutsche Ausgabe:
TRANSIT Buchverlag
Postfach 120307, 10593 Berlin
www.transit-verlag.de
Umschlagentwurf © David Drummond
Layout: © Gudrun Fröba
eISBN 978 - 3- 88747 - 404-1
Vorbemerkung des Verlages Literarische Werke und ihre Urheber sind ein Produkt ihrer Zeit. Obwohl Anton de Kom seiner Zeit weit voraus war und Wir Sklaven von Suriname ein zeitloses Meisterwerk ist, bilden er und sein Buch hier keine Ausnahme. Gesellschaften und Kulturen verändern sich, und dies drückt sich auch in der Sprache und im Vokabular aus. Einige Wörter haben mittlerweile einen anderen Gefühlswert und sind anno 2021 einfach unpassend, so z.B. das von de Kom häufig gebrauchte Wort »Neger«. Der Verlag ist sich dessen bewusst, meint aber, ein historisches literarisches Werk sollte unangetastet bleiben. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, Anton de Koms Text aus dem Jahr 1934 in seiner ursprünglichen Fassung übersetzen zu lassen. Zu den Anmerkungen: Die im Text mit Sternchen markierten Anmerkungen stammen in der Regel von der Übersetzerin. Wenn nicht, wird der Name des jeweiligen Autors genannt. Die mit Ziffern markierten Anmerkungen von Anton de Kom befinden sich am Ende seines Textes.
Tessa Leeuwsha: Frimangron
Judith de Kom: Vorwort zur dritten Auflage 1981
ANTON DE KOM: WIR SKLAVEN VON SURINAME
SRANAN, UNSER VATERLAND
DAS ZEITALTER DER SKLAVEREI
Die Ankunft der Weißen
El Dorado
Die ersten Siedlungen
Die holländische Herrschaft
Der Sklavenhandel
Der Markt
In Sklaverei
Die Sklavin
Die Herren
Die Strafen
Die Geschichte des Vaterlands
Van Aerssen van Sommelsdyck (1683-1688)
Das Gesindel
Die Waldzüge
Mr. Johan Jacob Mauricius (1742-1751)
Gouverneur Crommelin (1752-1768)
Gouverneur Nepveu (1770-1779)
Buku (zu Staub zerfallen)
Das letzte Kapitel des Widerstands
Suriname unter britischer Herrschaft
Das große Feuer
Das Los der Ethiker
Weiße Kolonisation
Ein aussichtsloser Kampf
Die Parade der Gouverneure
Die Abschaffung der Sklaverei
Die Freiheit?
Der große Ausverkauf
DAS ZEITALTER DER »FREIHEIT«
So leben wir
Das Wesen der Autonomie
Fin de siècle
Vertragsarbeit
Freie Arbeit
Die Jagd nach Gold
Die großen Kulturen
Wo sind die Millionen?
Bilanz
WIEDERSEHEN UND ABSCHIED
Anmerkungen
Duco van Oostrum: Der Atem der Freiheit
Mitchell Esajas: Wie Anton de Kom seit jeher Generation um Generation inspiriert
Biografische Angaben
Literarische Werke und ihre Urheber sind ein Produkt ihrer Zeit. Obwohl Anton de Kom seiner Zeit weit voraus war und Wir Sklaven von Suriname ein zeitloses Meisterwerk ist, bilden er und sein Buch hier keine Ausnahme. Gesellschaften und Kulturen verändern sich, und dies drückt sich auch in der Sprache und im Vokabular aus. Einige Wörter haben mittlerweile einen anderen Gefühlswert und sind anno 2021 einfach unpassend, so z.B. das von de Kom häufig gebrauchte Wort »Neger«. Der Verlag ist sich dessen bewusst, meint aber, ein historisches literarisches Werk sollte unangetastet bleiben.
Deshalb haben wir uns dafür entschieden, Anton de Koms Text aus dem Jahr 1934 in seiner ursprünglichen Fassung übersetzen zu lassen.
Zu den Anmerkungen: Die im Text mit Sternchen markierten Anmerkungen stammen in der Regel von der Übersetzerin. Wenn nicht, wird der Name des jeweiligen Autors genannt. Die mit Ziffern markierten Anmerkungen von Anton de Kom befinden sich am Ende seines Textes.
Ich stehe in Paramaribo vor Anton de Koms Geburtshaus. Es ist ein Eckhaus im Stadtviertel Frimangron. Auf dem Gehweg davor befindet sich ein Gedenkstein mit einer Plakette, auf der ein Zitat des berühmten surinamischen Widerstandskämpfers eingraviert ist: »Sranan, mein Vaterland, einmal hoffe ich, dich an dem Tag wiederzusehen, an dem alles Elend von dir abgewendet sein wird.« Das halb verfallene Holzhaus besteht aus einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss. Die grau gewordenen vertikalen Holzbretter hängen schief an den Nägeln, das Wellblechdach ist teilweise eingestürzt. Ein Fensterladen steht offen, die Gardine ist zur Seite geschoben: Das Haus ist bewohnt. Nebenan verbirgt sich hinter einem Bananenbaum ein weiteres kleines Haus. Auf dem Weg zwischen den Häusern taucht ein hagerer schwarzer Mann auf. Sein Haar und der Bart sind grau. Er trägt ein T-Shirt, das ihm genau wie die Badelatschen viel zu groß ist. In der Hand hält er eine in Zeitungspapier eingewickelte Blume. Er setzt sich auf den Gehweg vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie de Kom. Für wen diese Blume wohl bestimmt ist? Um mich kümmert er sich nicht – schließlich stehen viele Menschen vor diesem Haus, um es zu fotografieren.
In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts warteten hier hunderte Menschen darauf, mit Anton de Kom zu sprechen. Arbeitslose und Arbeiter, die mit ihrem kargen Lohn über die Runden kommen mussten. Nach Abschaffung der Sklaverei 1863 hatte der niederländische Staat im ehemaligen Britisch- und Niederländisch-Indien Vertragsarbeiter für die Plantagen in Suriname angeworben. Mit dem Niedergang der Landwirtschaft strömten diese Arbeiter, gleich den ehemaligen Versklavten, nach Paramaribo. Aber auch in der Hauptstadt mangelte es an Arbeit und herrschte große Armut. Dennoch hofften sie, am Tisch hinter dem Haus von dem Mann empfangen zu werden, der mit dem frischen Wind des Widerstands aus Holland zurückgekehrt war.
Cornelis Gerhard Anton de Kom wurde 1898 in Paramaribo geboren. Er erwarb ein Buchhalterdiplom und arbeitete für einige Zeit im Büro der Balata Compagnie, einer Firma, die den Abbau von Balata, einer Kautschuksorte, vorantrieb. De Kom nahm sich dem schweren Los der Balata-Bleeders an, der überwiegend kreolischen Arbeiter, die im erstickend heißen Urwald die Gummibäume abzapften. 1920 kündigte de Kom, fuhr in die Niederlande und heiratete dort die Niederländerin Petronella Borsboom. Als einer der wenigen Schwarzen in den Niederlanden kam er schließlich mit nationalistischen Javanern in Kontakt, die die Unabhängigkeit Niederländisch-Indiens anstrebten: Indonesien. De Kom übernahm diesen Freiheitsgeist und begann, Artikel für De Communistische Gids zu schreiben, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei der Niederlande, die damals die einzige politische Partei mit einem Bekenntnis zum Antikolonialismus war. Seine Artikel, aber auch der revolutionäre Tenor seiner Rede fanden ihren Weg zur Arbeiterbewegung in Suriname. Besonders seine Kritik an der Lohnkürzung für Vertragsarbeiter machte ihn bei dieser Gruppierung populär.
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