Ivan Ivanji - Corona in Buchenwald

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Corona in Buchenwald: краткое содержание, описание и аннотация

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Zum 75. Jahrestag der Befreiung des Lagers Buchenwald kommen im April 2020 zwölf Überlebende und ihre Begleitung nach Weimar. Der geplante Festakt ist wegen der Corona-Pandemie abgesagt, aber die betagten Herren möchten den Gedenktag unter allen Umständen begehen. Doch da wird einer von ihnen positiv auf das Coronavirus getestet und alle Anwesenden stehen ab sofort unter Quarantäne.
Der serbische Schriftsteller Sascha ist mit seinem Sohn angereist und schlägt vor, einander wie in Bocaccios Decamerone zum Zeitvertreib Geschichten zu erzählen. An zwölf Abenden erzählt also jeder, was ihm wichtig ist – von Ovids Verbannung ans Schwarze Meer, einer Karriere als Boxer im KZ bis hin zu Corona Schröter, der Geliebten Goethes. Dabei treten auch Bruchlinien und irritierende Ambivalenzen zutage.
Ein bewegendes Panorama der Schicksale: Ivan Ivanjis neuer Roman erzählt von Verfolgung und Verbannung, vom Tod und vom Überleben.

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Corona in Buchenwald - изображение 1

Gefördert von der Stadt Wien Kultur .

Copyright © 2021 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien

Umschlagabbildung: lq75/AdobeStock

ISBN 978-3-7117-2106-8

eISBN 978-3-7117-5442-4

Informationen über das aktuelle Programm

des Picus Verlags und Veranstaltungen unter

www.picus.at

Ivan Ivanji,1929 im Banat geboren, war unter anderem Journalist, Diplomat und Dolmetscher Titos. Romane, Essays, Erzählungen und Hörspiele. Er lebt als freier Schriftsteller und Übersetzer in Wien und Belgrad. Im Picus Verlag erschienen zahlreiche Romane, darunter »Barbarossas Jude«, »Das Kinderfräulein«, »Der Aschenmensch von Buchenwald«, »Die Tänzerin und der Krieg«, »Geister aus einer kleinen Stadt«, »Buchstaben von Feuer«, die Neuauflage seines Erfolgs »Schattenspringen«, »Mein schönes Leben in der Hölle«, seine Familiensaga »Schlussstrich«, »Tod in Monte Carlo« (2019), »Hineni« (2020) und »Corona in Buchenwald« (2021).

IVAN IVANJI

Corona in Buchenwald

ROMAN

PICUS VERLAG WIEN

Für Volkhard

Ihr Freunde, Platz! Weicht einen kleinen Schritt!

Seht, wer da kommt und festlich näher tritt! […]

Es gönnten ihr die Musen jede Gunst

und die Natur erschuf in ihr die Kunst .

So häuft sie willig jeden Reiz auf sich ,

Und selbst dein Namen ziert, Corona, dich .

Sie tritt herbei. Seht sie gefällig stehn!

Nur absichtslos, doch wie mit Absicht schön .

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE,

Auf Miedlings Tod

INHALT

ANKUNFT

MEIN OPA WAR KERNGESUND

DIE BIBEL UND DIE PEST

DIE URENKELIN EINES GEHENKTEN KRIEGSVERBRECHERS

DER ERSTE ABEND – EINE SCHÖNE FRAU

DER ZWEITE ABEND – IM RUSSISCHEN GEHEIMDIENST

DER DRITTE ABEND – DIE BEIDEN HANS GÜNTHER

DER VIERTE ABEND – DAS KUPFERBERGWERK IN BOR

DER FÜNFTE ABEND – EIN STANDHAFTER POLIZIST

DER SECHSTE ABEND – DIE VERBANNUNG DES OVID

DER SIEBENTE ABEND – BOXEN IM KZ

DER ACHTE ABEND – EIN ZICKLEIN, EIN ZICKLEIN

DER NEUNTE ABEND – DIE BERGPREDIGT

MÜTZEN AB

DER ZEHNTE ABEND – ZWETSCHKENKNÖDEL IN BERGEN-BELSEN

DIE SCHRÖTER AUF DER ETTERSBURG

DER ELFTE ABEND – DER GOLEM

BORDELLE IN KONZENTRATIONSLAGERN

DER ZWÖLFTE ABEND – COSA NOSTRA UND INDIANERRESERVAT

SUCHE NACH EINEM SCHLUSSWORT

ABSCHIED

Sind zwölf sehr alte ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald im April des Jahres 2020 nach Weimar gekommen, um dort zu Ehren aller ihrer ermordeten Kameraden und zur Feier des fünfundsiebzigsten Jahrestags ihrer Befreiung gemeinsam vom Corona genannten Virus angesteckt zu sterben? Haben sie sich heimlich verabredet, dieses Zeichen zu setzen? Tatsächlich verabredet oder unbewusst mit dieser Idee gespielt? Die Welt würde aufhorchen.

Was sich tatsächlich im Frühjahr 2020 in Weimar und auf seinem Ettersberg, in Europa, nein, auf der ganzen Welt, abgespielt hat, grenzt selbst ohne fantasievolle Zutaten schreibender Zeitgenossen an Horror, ist viel zu absurd, um wahr zu sein. Gemeint ist der Sprung eines altbekannten Virus vom Tier auf den Menschen. Erfundenes lebt manchmal ziemlich lange, Erlebtes verändert sich als Erinnerung oder gerät für alle Ewigkeit in Vergessenheit. Aber an doppelter Lungenentzündung zu ersticken ist raue, sehr raue Wirklichkeit.

Hoffentlich kann man sich mit einiger Willenskraft ausmalen, was im Hotel Elephant, in dem im Laufe der vergangenen Jahrhunderte vielerlei Ewigkeit Verdienendes, Wunderbares, Verrücktes, Unvorstellbares, allerdings auch Böses geschehen und vom Balkon aus dem Volke zugebrüllt worden ist, Neues passiert zu Corona-Zeiten. Wobei nicht die Schauspielerin Corona Schröter gemeint ist, die hier mit Goethe häufig Wein getrunken hat, leider handelt es sich keineswegs um die Schöne. Warum also sollten dann nicht auch alte Buchenwaldianer mit ihrer jungen Begleitung dem im Moment so furchtbaren, hoffentlich schnell vergänglichen Virus auf eine neue, absurde, ihre eigene, absonderliche Weise trotzen? Hat doch bereits der soeben genannte Geheimrat einst festgestellt: »Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis, das Unzugängliche, hier wird’s Ereignis.«

Ja, das ist es, was versucht werden soll: das Vergängliche beiseitezuschieben, Unzugängliches als Gleichnis darzustellen, das Unvermögen der Tagträume zu überwinden. Und welch besseres Bühnenbild wäre dafür denkbar als das Hotel Elephant?

Machen wir uns also auf den Weg, so gut man seine Reise planen kann. Wissen kann man nie, was einen am Ziel erwartet.

Wären wir tapferer, viel tapferer gewesen, hätte Nachfolgendes geschehen können. Vielleicht. Wieso nicht?

ANKUNFT

Obwohl die neunundvierzig ehemaligen Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald und ihre Begleitpersonen längst ihre Einladungen und sogar die Flugtickets und Reservierungsbestätigungen für ihre Zimmer im Hotel Elephant in Weimar erhalten hatten, teilte man ihnen plötzlich mit, dass wegen des Gesundheitsrisikos infolge der Ausbreitung des von der Weltgesundheitsorganisation SARS-CoV-2 genannte Virus, das zu einer Virenfamilie gehört, die die Wissenschaftler, die sie entdeckt hatten, freundlich Corona getauft haben, wie auch die Schröter hieß, die die Iphigenie der Uraufführung auf der Ettersburg auf dem Ettersberg gegeben hatte, der fünfundsiebzigste Jahrestag der Befreiung nicht mehr wie geplant stattfinden könne. Alles müsse leider abgesagt werden. Daraufhin schrieb einer der betroffenen alten Herren, er habe mit mehreren Kameraden Kontakt aufgenommen, sie würden gerne auf eigene Rechnung kommen, ob es möglich sei, die Flugtickets und Zimmerbuchungen nicht zu stornieren, die Kosten werde man gern aus eigener Tasche rückerstatten. Sie kämen aus Ländern, aus denen die Einreise nach Deutschland zumindest derzeit noch nicht verboten sei, allenfalls müssten sie an der Grenze zurückgewiesen werden. Sie wollten ihren toten Kameraden noch einmal die Ehre erweisen und ihnen Rechnung darüber ablegen, wie der Eid, den sie unmittelbar nach der Befreiung aus dem KZ Buchenwald auf dem Ettersberg geleistet hatten, befolgt worden sei. Oder eben nicht. Nicht vollständig. Sie seien alle über neunzig und sich des Risikos für sich selbst durchaus bewusst, es würde sich jedoch zu ihren Lebzeiten kaum mehr eine weitere solche Gelegenheit bieten. Gedenktage seien zwar nur Meilensteine auf einem Wege, aber man halte an ihnen an, um ein wenig über das Ziel der Reise zu reflektieren.

Die zuständigen Herren, der Ministerpräsident, der Oberbürgermeister, der Direktor der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora konferierten mit dem Direktor des Klinikums und weiteren Ärzten. Es gab Bedenken. Allerdings war man besorgt, die hartnäckigen alten Leute könnten eine Absage oder ein Anreiseverbot medial verwerten, als Verbot, sich vor den Toten zu verneigen deuten, ja als Leugnen der Nazigräuel. Nach einigem Zögern gaben die Veranstalter also nach. Wenn die Herrschaften schon kämen, wären sie natürlich Gäste, der Hintergedanke war wohl auch, so würde man mehr Argumente haben, sie zu kontrollieren. Die betagten Herren sollten allerdings eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie im Bewusstsein des Risikos die volle Verantwortung für sich und ihre Begleitung übernähmen.

Es waren am Ende zwölf Überlebende, die vier Tage vor dem vorgesehenen Tag der Gedenkfeier anreisten. Der sollte ohnehin sechs Tage vor dem wirklichen Jahrestag stattfinden, am 5. April, das Lager war an einem 11. April befreit worden. So war der Kalender ohnehin schon in Unordnung geraten, denn der 11. April des Jahres 2020 fiel auf den Samstag zwischen Karfreitag und Ostersonntag, auf den Tag, als Gott tot war und seiner Auferstehung am nächsten Tag entgegensah. Wenn sich Jesus Christus mit Gott, dem Vater, und dem Heiligen Geist in heiliger Einigkeit befand, waren mit seinem Tod auch Gott der Vater und der Heilige Geist tot. Das war im frühen Christentum ein großer Disput gewesen, auch für Nietzsche … Vor solchen theologischen Überlegungen und ganz besonders vor den großen Philosophen schreckten die Veranstalter allerdings zurück und wichen diesen Fragestellungen oder gar Argumenten einfach aus. Hochbetagte Menschen schwafeln nun einmal mitunter vor sich hin.

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