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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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ISBN: 978-3-86408-157-6
Korrektorat: Lisa Gerlach
Grafisches Gesamtkonzept, Titelgestaltung, Satz und Layout: Stefan Berndt – www.fototypo.de
© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2013
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Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
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Inhalt
1. EINFÜHRUNG
2. DAS LEBEN VOR UND IN BUCHENWALD
3. VOR GERICHT IM DRITTEN REICH
4. ANGEKLAGT ALS KRIEGSVERBRECHERIN
5. DER PROZESS IN DEUTSCHLAND
6. RESÜMEE
7. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
8. LITERATURVERZEICHNIS
9. ENDNOTEN
1. Einführung
Die Vorwürfe gegen Ilse Koch schockierten nach Kriegsende die Weltöffentlichkeit: Die Ehefrau des Lagerkommandanten des Konzentrationslagers Buchenwald habe sich Lampenschirme aus der tätowierten Haut ermordeter Häftlinge herstellen lassen. Diese Geschichte, gepaart mit weiteren Beschuldigungen, erschuf das Bild einer sadistischen und monströsen Person. Ilse Koch war die Verkörperung der Verbrechen, die in den zahlreichen Konzentrationslagern in Europa begangen worden waren.
Der Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen ließ sich indes nie klären, der Lampenschirm-Vorwurf konnte nicht eindeutig bewiesen werden. Dennoch blieben genug andere Beschuldigungen gegen Ilse Koch, die das Bild einer bösartigen und sadistischen Person zeichneten. Im Buchenwaldprozess 1947 wurde sie schließlich wegen „common design“, also dem Mitwirken bei der Umsetzung eines Konzentrationslagers, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Zwei Jahre später hatte ein Revisionsantrag Erfolg und das Urteil gegen Ilse Koch wurde auf vier Jahre Haft reduziert.
Das Entsetzen über die Urteilsminderung war insbesondere in den USA gewaltig. Die Presse überschlug sich mit immer neuen Anschuldigungen und Beleidigungen gegen die „Hexe von Buchenwald“. Diese trafen auch den verantwortlichen Militärgouverneur Lucius Dubignon Clay, das Revisionsgericht und sogar die US-Armee. Alle, die in irgendeiner Form mit der Urteilsminderung zu tun hatten, wurden attackiert. Schnell mischten auch Opferverbände und Lobbygruppen in der Diskussion mit. Bei Kundgebungen wurde die Empörung über die erfolgreiche Revision im Fall Ilse Koch zum Ausdruck gebracht. Die heftigen Reaktionen verfehlten ihre Wirkung nicht: Ilse Koch sollte erneut verurteilt werden.
Da nach amerikanischem Recht ein zweites Gerichtsverfahren wegen des gleichen Vorwurfes nicht möglich war und die Beweislage für ein Verfahren wegen Kriegsverbrechen zu dünn erschien, sollte sich ein deutsches Gericht des Falls Koch annehmen. 1949 kam es in Augsburg abermals zur Anklage und zur neuerlichen Verurteilung zu lebenslanger Haft, dieses Mal wegen Verbrechen gegen deutsche Staatsbürger. Der Fall Ilse Koch war zum Politikum geworden.
Die „Bestie von Buchenwald“ war bis zu ihrem Tod von der eigenen Unschuld überzeugt, wie sie auch gegenüber ihren Kindern regelmäßig betonte. Die von ihrem Anwalt immer wieder gestellten Gnadengesuche wurden allesamt abgelehnt. 1967 nahm sie sich schließlich in ihrer Zelle das Leben.
Ziel dieser Biographie ist nicht die Erstellung eines Psychogramms, sondern die Rekonstruktion der Geschichte einer Frau, die eine außergewöhnliche Rolle in der Geschichte der Nachkriegszeit spielte. Als Symbol der NS-Verbrechen sollte von Seiten der Alliierten Rache an Ilse Koch genommen werden. In der jungen Bundesrepublik wiederum diente Ilse Koch als Beispiel des schrecklichen Nazis, der – anders als die meisten „braven“ Deutschen – wirklich Schuld trug und auch vor Mord an den eigenen Mitbürgern nicht zurückschreckte.
Wie war die „Kommandeuse von Buchenwald“? Wer war Ilse Koch?
2. Das Leben vor und in Buchenwald
Ilse Koch wuchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Dresden, der damaligen Hauptstadt des Königreichs Sachsen, auf. Sie entstammte einer kleinbürgerlichen protestantischen Handwerksfamilie. Ihr Vater Eduard Köhler war Werkmeister, die Mutter Anna Hausfrau. Ilse Koch kam am 22. September 1906 als Ilse Margarete Köhler auf die Welt und war das jüngste Kind der Familie. Sie hatte zwei ältere Brüder. In Dresden verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend. Ilse Köhler lebte mit ihrer Familie in einer kleinen Wohnung und besuchte acht Jahre lang die Volksschule. Anschließend absolvierte sie eine öffentliche Handelsschule. Im Alter von 16 Jahren machte sie eine unbezahlte Lehre zur Bibliothekarin in einem städtischen Buchgeschäft. Ihrer Ausbildung folgten Anstellungen als Sekretärin bei verschiedenen Firmen.
Es ist nicht bekannt, dass Ilse in ihrer Familie in irgendeiner Form politisch sozialisiert worden wäre. Eine Nähe zum Nationalsozialismus dürfte sich erst im Laufe der späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre entwickelt haben. In dieser Zeit verkehrte sie in Kreisen der NS-Sturmabteilung 1und der Schutzstaffel 2. Männer in Uniformen hatten es ihr angetan, wie sie selbst betonte. Sie hatte ein Verhältnis mit einem SS-Mann. Am 2. April 1932 – also noch vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar des Folgejahres – trat sie der NSDAP 3bei. Sie war Mitglied Nummer 1.130.836 und gehörte der Ortsgruppe Dresden an.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 eröffneten sich auch für Ilse Köhler neue Möglichkeiten. Sie lebte zum damaligen Zeitpunkt in der Polierstraße 8 in Dresden und arbeitete als Stenotypistin bei der Zigarettenfirma Reemtsma. Doch Ilse Köhler wollte schon damals mehr erreichen und eine bessere Stellung in der Gesellschaft einnehmen. Sie wollte eine angesehene Person werden und überdies vor allem in Wohlstand leben. Die Beziehung zu einem hohen SS-Offizier – das war 1933 absehbar – erschien hierfür äußerst dienlich.
1934 lernte sie den SS-Sturmbannführer Karl Otto Koch kennen. Zu diesem Zeitpunkt galt sie in SS-Kreisen als lustiges, lebenshungriges Mädchen von großer Attraktivität. Ein direktes Interesse an Ämtern oder Aufgaben innerhalb der Partei zeigte sie zwar nicht, wohl aber zeichnete sich ihr großes Interesse an einem Mann mit guten Karrierechancen ab. Karl Koch war bereits 1930 der NSDAP und ein Jahr später der Schutzstaffel beigetreten. Obwohl er kurzzeitig aus der Partei ausgeschlossen worden war – ihm wurde vorgeworfen interne Informationen an die Polizei weitergegeben zu haben, was sich jedoch als nicht beweisbar herausstellte – war Koch sehr schnell in der SS-Hierarchie aufgestiegen. Der 36-jährige war zwar angeblich nicht der „Typ“ von Ilse Köhler, hatte es ihr aber augenscheinlich dennoch angetan – nicht zuletzt wohl auch auf Grund der Position, der er im neuen politischen System in Deutschland einnahm.
Karl Otto Koch stammte aus Darmstadt, wo er eine kaufmännische Lehre abgeschlossen hatte. Im Ersten Weltkrieg meldete er sich als Freiwilliger und war nach Kriegsende von Oktober 1918 bis Ende 1919 in britischer Kriegsgefangenschaft. In der Zeit der Weimarer Republik übte er verschiedene Tätigkeiten aus und arbeitete unter anderem als Büroangestellter, Bankbeamter und Versicherungsvertreter. Koch hatte bereits seit seiner Jugend ein gesteigertes kriminelles Potential und machte sich zahlreicher Vergehen schuldig. Meist handelte es sich dabei um Delikte wie Diebstahl oder Unterschlagung. Als Ilse Köhler Karl Koch 1935 kennenlernte, hatte dieser zwei Kinder aus erster Ehe. Seine Scheidung lag drei Jahre zurück.
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