Der Fernsprecher auf dem Tisch klingelt.
„Sind Sie’s selbst, lieber Herr Valvert?“ meldet sich eine dem Kommissar wohlbekannte Stimme. „Ja, hier spricht Pöllin! Ein Glück, daß ich Sie noch in Ihrem Büro erwische. Eben teilt mir mein Nachtwächter mit ... die 5000 Franken unseres Herrn Heitinger haben sich wiedergefunden!“
„Was sagen Sie da, Herr Pollin?“
„Jawohl. Blinder Alarm! Es liegt zum Glück überhaupt kein Diebstahl vor! Kann Ihnen sagen, lieber Herr Valvert, mir ist eine Last von der Seele!“
„Bitte erklären Sie mir genauer. Das Geld ...?“
„Jawohl, das hat sich gefunden. Vielmehr, mein Nachtwächter, der eben jetzt seinen Dienst angetreten hat, meldete sich vor zehn Minuten bei mir. Ich sitze nämlich noch im Büro und arbeite. Geplagter Geschäftsmann, der ich bin. Also der Nachtwächter hat auf seinem Rundgang fünf Tausendfrankscheine gefunden. Unten im Geräteverschlag, dicht neben der Treppe. Da die Tausendfranknoten bei mir sonst nicht so herumliegen, kann es sich nur um Heitingers Geld handeln. Es muß durch den Treppenschacht heruntergefallen sein.“
„Aus Heitingers Brieftasche?“
„Nein, natürlich nicht. In dieser Beziehung muß ein Irrtum vorliegen. Entweder hat Heitinger das Geld gar nicht in seine Brieftasche gesteckt oder er hat es unterwegs, als er von der Kasse kam, herausgenommen. Vielleicht erinnert er sich nicht mehr daran. Jedenfalls muß er das Geld auf der Treppe verloren haben. Die Scheine sind dann durch den Luftzug in den Schacht geweht worden und heruntergefallen. Anders kann ich mir es nicht erklären.“
„Hm. Hören Sie, verehrter Herr Pollin, das klingt aber gar nicht überzeugend.“
„Muß aber doch wohl so sein. Wie sollte das Geld denn sonst in den Verschlag kommen?“
„Der Dieb könnte es dort versteckt haben.“
Die Stimme Pollins lacht etwas gezwungen. „Nun ja, das wäre wohl möglich. Aber warum sollten wir uns nicht an die harmlosere Möglichkeit halten? Die Hauptsache ist, das Geld ist wieder da. Jeder einzelne meiner Angestellten wird erleichtert aufatmen, wenn ich morgen berichten kann, daß der angebliche Diebstahl sich so harmlos aufgeklärt hat. Und ich selber auch.“
„Wenn ich recht verstehe“, sagt Valvert langsam, „so ziehen Sie also Ihre Anzeige zurück?“
„Gewiß, gewiß, lieber Herr Valvert. Bin Ihnen unendlich verpflichtet für Ihre Bemühungen, aber unter den Umständen — nicht wahr, es ist das beste, wir lassen die ganze Sache ruhen.“
„Einen Augenblick, bitte! Weiß Herr Heitinger schon von dem Fund des Geldes?“
„Heitinger ist bereits fort. Aber ich werde Fräulein Friebel bitten, es ihm heute abend noch zu sagen. Morgen früh kann er dann sein Geld bei mir in Empfang nehmen.“
„Fräulein Friebel ist bei Ihnen?“
„Hilft mir bei der Kalkulation. Also wir gehen einig, lieber Herr Valvert? Sie legen die unangenehme Sache ad acta?“
„Nun, wenn Sie es wünschen, so ...“
„Natürlich. Ich bin heilfroh, daß sich die dumme Sache auf die Weise aufgeklärt hat.“
„Gut, ich nehme Ihre Mitteilung zur Kenntnis.“
„Tausend Dank und auf baldiges Wiedersehen, lieber Herr Valvert. Ich rufe Sie dieser Tage mal an. Vielleicht zum gemeinsamen Abendessen bei Riccaud. Er hat einen ganz wunderbaren Chambertin. Aber pardon, ich vergesse, Sie sind ja nicht Herr Ihrer Zeit. Vielleicht rufen Sie mich selber mal an und nennen mir einen Tag, der Ihnen genehm ist. Werden Sie das, bester Herr Valvert?“
„Gern, Herr Pollin. Ich rufe Sie bestimmt dieser Tage an.“
Bedächtig legt Kommissar Valvert den Hörer auf. Was bedeutet das nun wieder? Das Geld ist gefunden, und ausgerechnet auf diese wenig glaubhafte Weise? Hm, der liebe, gute Pollin ahnt augenscheinlich, wer der Dieb ist, und möchte ihn decken. Scheint eine kleine Schwäche zu haben für seine hübsche Sekretärin. Er leiht ihr seinen Wagen zu abendlichen Ausfahrten, und jetzt zahlt er gar 5000 Franken aus seiner eigenen Tasche, um die Friebel vor bösen Folgen zu bewahren! Wenn ich Pollin nicht seit einem Dutzend Jahren kennen würde und wüßte, was für ein grundanständiger Mensch er ist, so würde ich unangenehme Folgerungen für ihn daraus ziehen.
Kommissar Valvert hört draußen auf dem Flur die Schritte des ablösenden Innendienstes und schließt, sich langsam erhebend, seine Gedankenreihe.
Also Pollin möchte, daß wir uns nicht mehr mit der Sache beschäftigen. Ach nein, mein Guter, ich werde mich noch sehr erheblich damit befassen. In aller Stille natürlich. Aber meinem lieben Freunde Pollin muß ich doch gleich morgen einen Wink zur Vorsicht geben. Er ahnt ja gar nicht, wem er da sein Vertrauen und seine Gunst schenkt. Hat keinen Schimmer, wer diese Herta Friebel — möglicherweise — ist!
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