Ein Jahr vor dem beschriebenen Diner bei Mrs. Porter war ein Frachtdampfer auf seiner Fahrt nach der Hauptstadt von Brasilien so nahe an der Küste von Olancho vorbeigesegelt, dass sein einziger Passagier in die Höhlen sehen konnte, die die Wellen in die Kalkfelsen der Küste gewühlt hatten. Dieser einzige Passagier war Robert Clay, und er sprach die Vermutung aus, dass die weissen Kalkpalissaden, die den Fuss der Berge am Meeresufer umgaben, vor vielen Jahrtausenden durch eine vulkanische Thätigkeit über den Spiegel der See gehoben worden seien. Bekanntlich liegt Olancho an der Nordostküste von Südamerika, und seine Ufer werden von dem Hauptäquatorialstrome bespült. Vom Deck eines vorüberfahrenden Dampfers aus erhält man nur eine schwache Vorstellung von Olancho, sowie dem Reichtum und der tropischen Pracht, die hinter dem Wall der Küstengebirge verborgen liegen. Nur die trostlosen dunkelgrünen Wände dieser steht man, und die weissen Höhlen an ihrem Fusse, in die die Wellen mit widerhallendem Donner strömen und moraus Tausende von erschreckten Fledermäusen hervorflattern. Der Bergingenieur, der sich an die Brüstung des Dampfers lehnte, betrachtete das eigentümliche Gebilde der Küste mit geringem Interesse, bis sich das Schiff etwa dreissig Meilen nördlich des Hafens von Valencia befand. Dort bemerkte er, dass die Kalkfelsen verschwunden waren und dass die Wogen jetzt gegen den Fuss der Berge selbst anstürmten. Dieser Berge, die ins Meer vorsprangen, waren es fünf, und ihre Gestalt erinnerte an die fünf Knöchel einer geballten Riesenhand, die flach auf dem Spiegel des Wassers lag. Sie zogen sich sieben Meilen an der Küste entlang, und dann begannen die Höhlen in den Palissaden wieder und erstreckten sich längs der Küste bis zu den grossen Klippen, die den Hafen von Valencia schützen.
„Durch die Kalkfelsen haben sich die Wellen leicht hindurchgearbeitet, bis sie an diese fünf Berge prallten,“ überlegte der Ingenieur, „und dann mussten sie sich zurückziehen.“
Hierauf suchte er den Kapitän in dessen Kajüte auf und bat ihn, ihm eine Karte der Küste zu zeigen.
„Ich beabsichtige nicht, nach Rio zu fahren,“ sagte er später am Tage; „ich will lieber schon hier in Valencia ans Land gehen.“
Demnach verliess er den Frachtdampfer am genannten Orte, verschwand mit einem Ochsenwagen und ein paar Packmaultieren im Inneren und kehrte zurück, um in der Amtsstube des Konsuls einen ausführlichen Bericht an einen gewissen Mr. Langham in den Vereinigten Staaten abzufassen, von dem er wusste, dass er sich lebhaft für Bergwerke und Bergbau interessierte.
„Es sind hier fünf Berge voll Erz,“ schrieb Clay, „das zum Teil durch Schürfung über Tage abgebaut werden könnte. Ich habe Massen von Roteisenerz offen am Abfalle des Berges liegen sehen, das nur auf Hacke und Schaufel wartet. An einer Stelle waren wenigstens fünftausend Tonnen voll in Sicht. Ich möchte es als Bessemererz erster Klasse bezeichnen, das gewiss dreiundsechzig Prozent metallisches Eisen enthält. Den Leuten hier ist sein Vorhandensein zwar bekannt, aber sie haben keine Ahnung von seinem Werte und sind zu faul, es selbst auszubeuten. Zum Wegschaffen wäre weiter nichts nötig, als der Bau einer zwanzig Meilen langen Frachteisenbahn längs der Küste bis zum Hafen von Valencia, wo Sie das Erz von Ihrem eigenen Ladeplatze unmittelbar in Ihre eigenen Schiffe schütten könnten. Eine Verschiffung von den Gruben selbst wäre meines Erachtens nicht angängig, obgleich, wie ich schon erwähnt habe, das Erz bis ins Wasser reicht; allein es ist dort kein Platz, wo ein grosses Schiff in Sicherheit ankern könnte. Ich werde mir auch Einblick in die politische Seite der Frage zu verschaffen suchen, und was für eine Art von Ausbeutungsrecht ich Ihnen sichern könnte; allein ich sollte denken, dass die Regierung mit zehn Prozent des Ertrages zufrieden sein wird, und natürlich müsste sie Maschinen und Werkzeuge zollfrei einführen lassen.“
Sechs Monate, nachdem dieser Bericht in New York eingetroffen war, wurde die „Bergwerksgesellschaft Valencia“ in aller Form Rechtens gegründet und ein Mann Namens van Antwerp mit zweihundert Arbeitern und einem halben Dutzend Hilfsbeamten nach dem Süden geschickt, um die Frachteisenbahn zu bauen, den Hafendamm anzulegen und die fünf Berge von Wald und Unterholz zu befreien. Das war keine Feiertagsarbeit, sondern eine ernste und schwierige Aufgabe, die viel Umsicht erforderte, und van Antwerp war nicht der Mann dazu, sie zu lösen. Abwechselnd eigensinnig, selbstbewusst und gleichgültig, verliess er sich nicht auf seine Untergebenen, sondern verteidigte seine eigenen Ansichten eifersüchtig gegen jede Anzweiflung oder Besprechung und stiess bei jedem Schritte die ihre Bequemlichkeit liebenden Leute, in deren Mitte er arbeiten sollte, vor den Kopf. Ihre Gewohnheit, alles aufzuschieben, machte ihn ärgerlich, und er verletzte beständig ihre träge Gutmütigkeit und ihren Stolz. Die reichen Pflanzer, denen das Land zwischen den Bergwerken und dem Hafen gehörte, über das die Eisenbahn geführt werden musste, behandelte er mit ebenso wenig Rücksicht, als er dem Regiment Soldaten erwies, das ihm die Regierung als Bergarbeiter verpachtet hatte.
Sechs Monate, nachdem van Antwerp die Leitung der Arbeiten bei Valencia übernommen hatte, wurde bei Clay, der eben mit dem Bau der Eisenbahn in Mexiko, wovon King gesprochen hatte, fertig geworden war, telegraphisch angefragt, ob er die Leitung der Gewinnung des Erzes, das er entdeckt hatte, und seiner Verschiffung nach dem Norden übernehmen wolle. Dieses Anerbieten, das ihm den Titel „Betriebsdirektor“ nebst einem ungeheuren Gehalt einbrachte, nahm er ohne Zögern an. Die schwierigsten Vorbereitungsarbeiten seien bereits erledigt, und seine Aufgabe werde darin bestehen, unter seiner Leitung die wichtigere Arbeit der Ausbeutung der fünf Berge, des Pochens des Erzes und der Beladung der Dampfer fortzusetzen, wurde ihm mitgeteilt. Auch erhielt er die Vollmacht, van Antwerp abzusetzen, und ein Empfehlungsschreiben an den Minister der öffentlichen Arbeiten. Weiter wusste er nichts über die Aufgabe, die seiner wartete, allein er schloss aus dem Umstande, dass ihm die beinahe unerhörte Summe, die er für seine Dienste verlangt hatte, anstandslos bewilligt worden war, dass sie sehr wichtig sein müsse, oder dass er diejenige Stelle seiner Laufbahn erreicht habe, wo er wirklich zu arbeiten aufhören und als Sachverständiger, der die Leistungen anderer beurteilt, in aller Bequemlichkeit leben könne.
Von Valencia nach dem Bergwerke gondelte Clay in einem Raddampfer an der Küste entlang, der bis zur Grenze seiner Brauchbarkeit auf dem Mississippi gedient hatte und am Quai von New Orleans verfaulte, als van Antwerp ihn mietete, um Werkzeuge und Maschinen nach den Bergwerken zu schaffen und ihm später als Privatjacht zu dienen. Clay hatte die Wahl zwischen diesem Dampfer, einem kleinen Boote oder einem Ritt an der unvollendeten Eisenbahn entlang. Jeder dieser drei Wege nahm sechs wertvolle Stunden in Anspruch, und Clay, der nicht wenig begierig war, sein neues Thätigkeitsfeld zu Gesicht zu bekommen, klopfte ungeduldig auf die Brüstung des rollenden Zubers, der sich durch die See wälzte.
Die drei ersten Tage nach seiner Ankunft bei den Bergwerken brachte er in den Bergen zu, auf denen er herumkletterte oder deren Fuss er umritt, wobei er da schlief, wo die Nacht ihn überraschte. Bei dieser Besichtigungsreise begleitete ihn van Antwerp nicht, vielmehr überliess er diese Pflicht einem Ingenieur Namens Mc Williams und einem Herrn Weimer, dem Konsul der Vereinigten Staaten in Valencia, der der Gesellschaft vielfach nützlich gewesen und in alles eingeweiht war.
Drei Tage lang dauerte der beschwerliche Marsch, der über gefallene, durch das Moos von Jahrhunderten schlüpfrig gewordene Baumstämme und durch Wasserschründe führte, wo die Wanderer auf dem losen Gestein rückwärts glitten; dann wieder mussten sie sich fast flach auf den Rücken ihrer Ponies legen, um den hängenden Schlingpflanzen auszuweichen.
Читать дальше