— So viel wir wissen, sind wir mindestens tausend, unterbrach ihn Becca. Aber die meisten verstecken sich in der Hauptstadt.Sie lehnen es ab ... das Spiel zu spielen.
Kobalt lachte.
— Da kann ich ihnen nur Glück wünschen.Um dort zu überleben, braucht man viele Smaragde. Es gibt keine Anbauflächenund ein eigenes Hauszu errichten, geht auch nicht. Man sagt, dass die meisten nicht mal einen Unterschlupfhaben und bei den NPCs um Essen betteln.
— Sie betteln?,hörte ich eine sanfte Stimme hinter ihnen. Das kann ich mir durchaus vorstellen. Aber soll man es ihnen vorwerfen?
Das war Karl,oder Kalle,der Kommandant der Verlorenen Legion.Er stand im Türrahmen.
Langsam betrat er das Zimmer.
— Da diese Welt kein Spiel mehrist, ist es sogar schon schwierigergeworden, sich von einem niedrigen Monster zu befreien. Die Angst,der Magen, der sich vor Ekel umdreht, die Knie, die sich in weichen Schleimverwandeln – beim kleinsten Schadenvergisst man alles, was man je gelernt hat. Ich kann verstehen, dass sie nicht mehr spielen wollen.Aber die Legion hat keine Wahl. Es ist unsere Pflicht,sie zu beschützen. Wir werden nicht ruhen, bis wir ihnen eigene Häuser und etwas zu essen gekaufthaben.
Beeindruckt von diesem Bekenntnis verharrten die fünf Kameraden nachdenklich auf der Stelle.
Dann gab Rubinia einen irritierenden Laut von sich, etwa so: „ Pfft“ “.
— Weißt du eigentlich, wie vielein Haus in der Hauptstadt kostet?Mindestens zwanzigtausend, und das nur für einen Schuppen!
— Dann werden wir eben unsere eigene Stadtbauen, erwiderte Karl. Und wir werden sie verteidigen.Wir könnten die anderen auch in ein Elfenschutzgebietbringen, wo sie wenigstens etwas anbauenkönnen. Egal, wir müssen einen Wegfinden.
Phantom klopfte ihm auf die Schulter.
— Ich bin dabei, Bruder! Für die Noobs von Aetheria!
— Ich bin auch dabei, sagte Kobalt und blickte Rubinia fragend an.
— Ich auch,versicherte sie. Aber wir müssen besser werden.
— Ich weiß nicht, sagte Becca. Sich den Monstern in den Weg zu stellen, ist schon bescheuert genug,aber sich hier zu verstecken, ist wirklich „noobisch“.Ich kann die Dorfbewohner kaum noch ertragen.
Karl zuckte mit den Schultern.
— Selbst wenn du den Clan verlässt, wirst du sie hin und wieder „ertragen“müssen.
— Er hat Recht, stimmte Phantom zu. Wir können sie nicht einfach im Stich lassen.Im Übrigen ist das hier kein schlechter Ort.Wir werden Dorfstadt zu unserem Stützpunktmachen.
Zack blickte Karl verlegenan.
— Ich ... werde mein Bestes geben, versicherte er.
Die Legionäre schwiegen,bis Karl den Blick auf mich richtete.
— He, Billy, tut mir leidfür dich. Der Bürgermeister ...
— Das hat man mir schon gesagt, unterbrach ich ihn.
— Ah, gut. Ich war damit einverstanden, dich hier aufzunehmen,weil ich denke, dass du es hier gut hast und wir so einiges von dir lernenkönnen. Du bist offensichtlich kein gewöhnlicher NPC.
— Das bin ich also? Ein NPC?
— Sorry, ich wollte natürlich „Aetherier“sagen, denn diese Welt scheint mir doch ... ziemlich realzu sein. Irgendwie sind wir ja hierher teleportiert worden, so unglaublichdas auch klingen mag.
Erschöpftsetzte er sich auf den einzigen Stuhl im Raum
Dieser stand in der Nähe einer Fackel. Nun konnte ich auf seiner Rüstung winzige Punkteerkennen. Vielleicht ... rosa leuchtender Schleim?
Zack hatte sie ebenfalls bemerkt.
— Schleimtörtchen?
Der Kommandant nickte.
— Allerdings. Ich bin auf eine ganze Meutegetroffen. Sie kamen von Süden, wahrscheinlich aus dieser Schlucht.
(Das war die Gelegenheit, eine weitere Frage zu stellen!)
— Was ist ein Schleimtörtchen?
— Wie der Name schon sagt, antwortete Becca, halb Schleim, halb Kuchen. Vielleicht das Ergebnis eines Experiments vom Augenlosen.
— Das sind die schwächsten Monsterder Welt, fügte Phantom hinzu. Echte Noobs. Noobmonster.Unsere Kundschafter haben sie im Süden entdeckt. Die Schlucht, von der Kalle spricht, befindet sich einige Biomevon hier entfernt.
Rubinia begab sich zur Tür.
— Ich muss gehen. Hab noch einiges zu verzaubern.
— Ich muss auch los, sagte Kobalt. Es wartet noch viel Arbeitan der Mauer auf mich.
Becca folgte ihnen wortlos.
Sie sagten mir nicht einmal auf Wiedersehen,die beiden anderen jedoch vergaßen es nicht.
Karl hingegen rührte sich nicht von der Stelle.
— Kann ich noch etwas in deinen Zimmer bleiben?,fragte er.
Kaum jemand weiß, dass ich hier bin. Ich könnte für ein oder zwei Stunden die Augen schließen,bevor ich wieder rausmuss.
— Kein Problem.
— Danke,antwortete er und machte es sich auf dem Stuhl so bequem wie möglich. Es ist anstrengend, der Clanchefzu sein. Alle kommen zu dir, wenn sie ein Problem haben oder einen Rat brauchen.
— Warum habt ihr nicht mehrere Chefs?
— Nette Idee,aber wer wäre denn so verrückt,mitzumachen?
— Ich will gar nicht so tun, als ob ich wüsste, warum es so schwer ist, einen Clan zu führen. Besonders in diesem Moment nicht.
— …
Keine Antwort.
Karl schnarchte schon leise.
Ich rollte michauf meinem Bett ein und versuchte, das alles zu verdauen. Meine Quest, den geheimnisvollen Minusausfindig zu machen, war nun offiziell bis auf Weiteres vertagt.Was die Quest angeht, mehr über die seltsamen Bewohner dieser Welt zu lernen: sehr, sehr schwierig.
Schlafen sie wirklich gern auf Stühlen?
Gut, ich habe noch etwas über drei Stunden geschlafen.
Ich fühlte mich total erschöpft,war immer noch müdeund gähnte pausenlos. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Das war mir im Netherauch schon so gegangen, kurz bevor ich mich in den verwandelte, der ich nun bin.
Ein Ding .Ja, so haben mich diese Leute genannt.
Nicht Billy, nicht Katze, nicht Ozelot, nicht einmal kleines Netherkätzchen. Nein. Nichts von alledem.
Davon mal abgesehen, habe ich später ein wenig die Festung erkundet.
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