— Klasse?Du bist noch in der Schule?
Steff lachte.
— Nee, Klasse bedeutet „von Beruf“oder „Profi“.Als Profiköchinkann ich Nahrungsmittel und Gerichte herstellen, die außer mir niemand anderes zubereitenkann.
— Jeder hier hat einen Beruf, eben eine Klasse, sagte Leila, ich übrigens auch. Ich bin eine Magierin.
Die ganze Sache wurde für mich noch verwirrender,als Steff erneut das Wort ergriff.
— Einige von uns haben sogar zwei Klassen.Man kann bis zu achtKlassen haben, aber ehrlich gesagtist es besser, sich auf eine zu konzentrieren, vor allem am Anfang.
— Aha.
Ich verstand überhaupt nichts mehr.
(Mittlerweile wusste ich noch nicht einmal mehr, was ein Schwert ist.)
Steff widmete sich jetzt wieder ihren Öfen.
— Ups, mein Kuchen ist fertig, ich muss dann mal ...
Sie winkte mir noch zu.
— Schön,dich kennengelernt zu haben, Billy!
Leila und ich verließen die Kantine, stiegen eine Treppe hoch, liefen durch einen Flur, wo uns ein mürrischer Jungeentgegenkam, und erreichten schließlich mein Zimmer.
Im Gegensatz zur übrigen Festung war es eher schlicht.Es handelte sich um einen 5 x 5 Blöcke großen Raum aus grauem Stein. Es gab keinen Teppich, nur ein Bett und einen Stuhl.
— Ich könnte dir jetzt die restliche Festung zeigen, aber wahrscheinlich möchtest du sie lieber auf eigenen Pfoten erforschen.Du bist ja schließlich eine Katze ...
Sie blickte sich im Zimmer um.
— Du kannst es dir so einrichten,wie du möchtest.
Ich hüpfte in die gute Stube und beschnüffelte alles um mich herum. Ich hatte noch nie in einem Bett geschlafen und war gespannt, wie das wohl sein würde.
— Und jetzt?,fragte ich.
— Mach eine kleine Siesta,antwortete Leila. Kalle wird dich sobald wie möglich besuchen. Hast du noch irgendwelche Fragen? Oder ...
Sie stand noch im Türrahmen, aber ich konnte sie kaum noch verstehen, weil ich schon fast eingeschlafenwar. Ich war schrecklich müde.Immerhin hatte ich in der letzten Nacht nur elf Stunden geschlafen. Oder vielleicht zwölf.
Leila hatte mir geraten, eine Siesta zu machen, und das tat ich jetzt auch. Eine Siesta von fünf Stunden. Aber das ist das Problem bei Katzen, wisst ihr ...
Um ehrlich zu sein,hatte ich wohl doch ein längeres Schläfchen gemacht und wachte erst auf, als die Tür mit lautem Getöseaufgerissen wurde. Ich fuhr so hoch, dass ich nicht nur an die Decke stieß,sondern mit meinem Kopf beinah ein Loch hineingestoßenhätte.
Fünf Legionäremarschierten herein. Einer von ihnen hatte ein knallrotesOutfit, die anderen trugen die übliche Clanuniform. Sie stellten sich sofort vor.
—Ah, das ist also die furchterregende Katze?Ich heiße Kobalt.
— Ich bin Zack.Schön, dich zu treffen, Billy. Sag mal, welches Levelhast du?
— Grüß dich! Ich heiße Becca,sagte ein Mädchen mit dunkelbraunen Haaren.
— … Rubinia.
— Flammenphantom. Kannst mich aber einfach Phantomnennen.
— Also, wir haben eine ziemlich merkwürdige NPC-Quest.Dorfstadt ist völlig aus dem Häuschen.
Er hielt kurz inne, um mich abschätzendanzublicken.
— Ich frage mich, welche Statser wohl hat. Vielleicht kann man einen Panzeraus ihm machen?
Zack schüttelte den Kopf.
— Wir könnten einen Panzergut gebrauchen. Was hat Ched nochmal über ihn gesagt? Er sei gegen Feuer immun?
Während ich ihnen zusah,wie sie so redeten, wurde mir klar, dass mein ursprünglicher Plan — Minus treffen, meine Quest erfüllen und in die Hauptstadt gehen ...—, dass diese Quest wohl erst einmal auf meiner Liste für die ferne Zukunftlanden würde.
Wenigstens hatte ich nichts mehr mit diesem Augebrauenkerl zu tun.
— Was ist denn nun ein Panzer?,fragte ich.
Die fünf Kameraden sahen sich verblüfft an.
— Wow,der hat ja wirklich von nichts eine Ahnung, staunte Phantom.
— Das stimmt,pflichtete ich ihm bei. Aber ich bin lernfähig.
Zu ihrer großen Überraschungrichtete ich mich auf meinen Hinterpfoten auf. Allerdings eher ungeschickt.
— Seht ihr?
Sie begannen zu lachen.
— Jetzt braucht er nur noch Stiefel,sagte Becca.
Sie lachten schon wieder. Aber warum?
Wo sollte denn da der Witzsein?
Zack lachte nicht. Er sah nur ein wenig traurigaus.
— Keine Ahnung, ich weiß nicht.Eigentlich erinnere ich mich kaum noch an die Erde.
— Mir geht es ähnlich, gab Kobalt zu. Die Vergangenheit ist dahin ...
— Bei mir ist es auch so, bestätigte Becca. Als ich in dieser Welt aufwachte, kam es mir vor, als hätte ich tausend Jahre geschlafen.
— Ich habe von einem Spieler gehört, der sich noch nicht mal mehr an seinen Namenerinnern kann, fügte Phantom hinzu.
Becca drehte sich zu ihm um.
— Sprichst du von S? Hast du ihn gesehen?
— Nee, aber Glitzi.Er wollte ihn überreden, hierher zu kommen, aber Shat sich geweigert. Dieser wahnsinnige Typhat seit der Katastrophe ein immer höheres Level erreicht.
Katastrophe?
Das war zu viel.
Zuviel neue Gesichter, viel zu viele neue Wörter. (Und was für ein Vorname soll „Glitzi“ sein?!)
Kobalt schien meine Verwirrungzu spüren.
— Die Katastrophe ...so nennen wir den Tag, an dem wir hier angekommen sind – ist schon Monateher.
— Meinst du etwa das Ereignis?,fragte ich ihn. So etwas Ähnliches wurde in der Prophezeiungerwähnt.
— Egal, wie es heißt, es war der Tag, an dem wir hier aufgewacht sind. In dieser Welt,meine ich. Wir waren verstört und verängstigt. Einige erlitten Nerven zusammenbrüche, starrten nur noch ins Leere,blieben stummund aßen nichts mehr. Es dauerte Wochen, bis sie sich ein wenig erholt hatten.
— Wie viele Menschen ... äh, Erdlingewurden hierher geschickt?
— Wer weiß?,sagte Zack und zuckte mit den Schultern. Tausendevielleicht? Wir wissen nicht, wo sie stecken. Zu den meisten haben wir keinen Kontakt.
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