Er antwortete, indem er sich zu Tisch setzte:
– Sehr richtig. Jetzt steht dem ja auch nichts mehr im Wege, da Forestier, der gehörnte, krepiert ist.
Sie antwortete lebhaft in trockenem verletzten Ton:
– Der Scherz ist wirklich nicht am Platze, und ich bitte, das nun bleiben zu lassen. Es hat jetzt lange genug gedauert.
Er wollte ironisch antworten, als man ihm ein Telegramm brachte, das ohne Unterschrift nur den einzigen Satz enthielt:
»Ich hatte ganz den Kopf verloren, verzeihen Sie mir und kommen Sie morgen um 4 Uhr in den Park Monceau.«
Er begriff und sagte ganz glückselig zu seiner Frau, indem er das Telegramm einsteckte:
– Ich thue es nicht wieder, liebes Kind, ich sehe ein, daß es dumm ist.
Und er begann zu essen. Während er aß, wiederholte er sich im stillen die Worte:
»Ich hatte ganz den Kopf verloren. Verzeihen Sie mir und kommen Sie morgen 4 Uhr in den Park Monceau.«
Sie war also besiegt, denn das hieß soviel als:
»Ich ergebe mich. Ich gehöre Ihnen wann und wo Sie wollen.«
Er fing an zu lachen.
Magdalene fragte:
– Was ist denn los?
– Ach weiter nichts. Ich dachte an einen Pfaffen, dem ich vorhin begegnet bin, der so lächerlich aussah.
Am andern Tag kam Du Roy pünktlich zum Stelldichein.
Auf allen Bänken des Parkes saßen Leute, die die Hitze bedrückte, und nachlässige Kindermädchen, die zu träumen schienen, während die Kinder im Sand der Wege spielten.
Er fand Frau Walter in der kleinen altertümlichen Ruine, wo eine Quelle plätschert. Mit unglücklichem, unsicherm Ausdruck machte sie die Runde in der engen Säulenhalle.
Sobald er sie gegrüßt hatte, sagte sie:
– Aber diese Menge Menschen hier!
Er benutzte die Gelegenheit und sagte:
– Ja, das ist wahr, wollen wir nicht wo anders hin?
– Ja wohin?
– Ganz gleich! Wir nehmen einen Wagen, wir ziehen auf Ihrer Seite die Vorhänge zu, da sieht Sie niemand.
– Ja, das wäre besser. Hier sterbe ich vor Angst.
– Schön, sagte Du Roy, kommen Sie in fünf Minuten an den Ausgang, der an den äußern Boulevard führt, dorthin hole ich eine Droschke. – Und er lief davon.
Sobald sie ihn wieder getroffen hatte und das Fenster auf ihrer Seite verhüllt war, fragte sie:
– Was haben Sie dem Kutscher gesagt? Wohin soll er fahren?
Georg antwortete:
– Kümmern Sie sich nicht weiter darum, er weiß schon Bescheid.
Er hatte dem Kutscher die Adresse seiner Wohnung in der Rue de Constantinople genannt.
Sie sagte:
– Sie haben keine Ahnung, wie ich um Sie leide, wie mich das alles quält und peinigt. Ich war gestern hart gegen Sie in der Kirche, aber ich, wollte Sie fliehen um jeden Preis, ich hatte solche Angst mit Ihnen allein zu sein. Haben Sie mir verziehen?
Er nahm ihre Hand und sagte:
– Ja, ja, was sollte ich Ihnen nicht verzeihen, wenn ich Sie doch liebe, wie ich Sie liebe.
Sie blickte ihn flehend an:
– Aber hören Sie, schonen Sie mich, Sie dürfen nicht .. Sie dürfen nicht .. sonst kann ich Sie nicht wiedersehen.
Zuerst antwortete er nicht. Jenes Lächeln spielte um seine Lippen, das die Frauen gewann, und er flüsterte endlich:
– Ich bin Ihr Sklave.
Da begann sie ihm zu erzählen, wie sie gemerkt, daß sie ihn liebe, als sie hörte, er würde Magdalene Forestier heiraten. Sie erzählte alle Einzelheiten, wann es gewesen und wie.
Plötzlich schwieg sie. Der Wagen hatte gehalten. Du Roy öffnete die Thür.
– Wo sind wir? fragte sie.
Er antwortete:
– Steigen Sie aus, und gehen Sie in dieses Haus, hier sind wir ungestörter.
– Aber wo sind wir?
– Bei mir! Es ist meine Junggesellenwohnung, die ich wieder gemietet habe .. auf ein paar Tage nur .. damit wir einen Winkel haben, wo wir uns sehen können.
Sie hatte sich an die Polster des Wagens geklammert, entsetzt bei dem Gedanken, hier mit ihm allein zu sein und sie stammelte: – Nein, nein! Ich will nicht! Ich will nicht!
Er sagte mit nachdrücklichem Tone:
– Ich schwöre Ihnen, daß ich Sie schonen werde. Kommen Sie. Man wird ja auf uns aufmerksam. Die Leute werden gleich stehen bleiben. Schnell! schnell! Steigen Sie aus.
Und er wiederholte:
– Ich schwöre, daß ich Sie schonen werde.
Ein Weinhändler stand unter seiner Thür und sah ihnen neugierig zu. Das Entsetzen kam über sie und sie huschte ins Haus. Sie wollte die Treppe hinauf. Er hielt sie am Arm zurück.
– Hier unten ist es!
Er stieß sie in seine Wohnung.
Sobald er die Thür geschlossen hatte, packte er sie wie seine Beute. Sie wehrte sich, kämpfte und stammelte:
– O mein Gott! O mein Gott!
Er küßte ihr Hals, Augen und wütend die Lippen, ohne daß sie sich seiner heißen Liebkosungen erwehren tonnte.
Und während sie ihn zurückstieß und seinem Mund auswich, erwiderte sie, ohne es zu wollen, seine Küsse. Plötzlich gab sie den Widerstand auf und besiegt und ergeben ließ sie sich entkleiden. Geschickt und schnell mit leichter Hand, wie eine Zofe, zog er ihr die einzelnen Kleidungsstücke aus. Sie hatte ihm ihre Taille entrissen, um ihr Gesicht darin zu verstecken und blieb so, ganz in weiß inmitten ihrer Röcke stehen, die zu ihren Füßen gesunken waren. Er ließ ihr die Schuh und trug sie auf den Armen zum Bett. Da flüsterte sie ihm ins Ohr mit gebrochener Stimme:
– Ich schwöre Ihnen …. ich schwöre Ihnen … ich habe nie einen Liebhaber gehabt. – Als ob ein junges Mädchen gesagt hätte: »Ich schwöre Ihnen, daß ich Jungfer bin.«
Und er dachte: »Das ist mir höchst schnuppe!«
Inhaltsverzeichnis
Es war Herbst geworden. Die Du Roys waren den ganzen Sommer in Paris geblieben und hatten in der › Vie française ‹, während der kurzen Ferien des Abgeordnetenhauses einen energischen Feldzug zu Gunsten des neuen Kabinets geführt.
Obgleich eben erst der Oktober angebrochen war, sollte doch die Kammer wieder zusammen treten, denn die Angelegenheiten in Marokko nahmen einen drohenden Charakter an.
Eigentlich glaubte niemand an eine Expedition nach Tanger. Obgleich an dem Tag, als das Parlament sich gespalten, ein Abgeordneter der Rechten, Graf von Lambert-Sarrazin in einer geistvollen Rede, die sogar beim Zentrum Beifall gefunden, seinen Schnurrbart, wie einst ein berühmter Vize-König von Indien, gegen den Backenbart des Minister-Präsidenten hatte einsetzen wollen, daß das neue Kabinet nichts anderes würde thun können, als eine Armee nach Tanger zu schicken, ein Gegenstück zu der in Tunis, nur der Symmetrie wegen, wie man auf den Kamin zwei Vasen stellt.
Er hatte hinzugefügt: »Meine Herren, der afrikanische Boden ist in der That für Frankreich ein Kamin, der unser bestes Holz verbrennt, ein Kamin mit mächtigem Zuge, den man mit Banknoten heizt. Sie haben sich die künstlerische Laune geleistet, die linke Ecke mit einem tunesischen Kunstwerk zu verzieren, das Ihnen teuer kommt, und Sie werden sehen, daß Herr Marrot seinen Vorgänger nachahmen und auf der rechten Ecke ein marokkanisches Kunstwerk aufstellen wird.«
Diese Rede, die gewissermaßen berühmt geworden war, hatte Du Roy die Unterlage gegeben zu zehn Artikeln über die Kolonie Algerien, für eine ganze Reihenfolge von Artikeln, die er damals, nach seinem ersten Auftreten in der Zeitung, unterbrochen hatte. Er hatte energisch den Gedanken einer militärischen Expedition verfochten, obgleich er überzeugt war, daß sie nie stattfinden würde, und er hatte die patriotische Saite erklingen lassen und Spanien mit allen niederziehenden Gemeinheiten bedacht, die man gegen Völker anwendet, deren Interessen den unsern entgegen stehen.
Die › Vie française ‹ hatte wegen ihrer bekannten Beziehungen zu den Machthabern großen Einfluß gewonnen. Sie brachte die politischen Neuigkeiten vor den ernstesten Blättern und ließ die Ansichten der ihr befreundeten Minister durchblicken, und die meisten Blätter von Paris wie auch die Provinzzeitungen suchten bei ihr Neuigkeiten zu erfahren. Sie wurde fortwährend zitiert, man fürchtete sie und begann sie zu achten.
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