Im Gegensatz zu anderen Fortbildungsmaßnahmen ist diese i.d.R. regional organisiert und findet an zwei oder drei Nachmittagen an einer Schule statt. Die regionale Organisation erhöht die Attraktivität des Fortbildungsangebots für ländliche Bereiche, insb. des Münchner und Berliner Umlands. Neben dem geringen Aufwand für die Anreise ist ein weiterer Vorteil, dass die schulische Machbarkeit direkt vor Ort sichtbar wird. Alternativ stehen die TUM-Labore in München, Garching oder das Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land als Veranstaltungsort zur Verfügung. Bestandteil des Professionalisierungskonzepts ist die Anmeldung von mind. zwei Lehrkräften pro Schule, um die Implementation der molekularbiologischen Methoden durch gegenseitige Unterstützung zu erleichtern (vgl. Setstruktur SINUS, Ostermeier et al., 2004 und Kontextprogramme u.a. Parchmann et al., 2006), z.T. nahmen gesamte Biologiefachschaften teil. Die praktische Durchführung erfolgt in 2er-Gruppen. Die Lehrkräfte haben des Weiteren für die praktische Umsetzung die Möglichkeit, das ihnen aus der Fortbildung bekannte Equipment und die Reagenzien vorbereitet für ihre Biologiekurse auszuleihen. Auch fachliche und didaktische Begleitmaterialien sollen den Lehrkräften die Einbindung der Fortbildungsinhalte in den Unterricht erleichtern. Digitale Medien, z.B. Demonstrations- und Lernvideos für Lehrkräfte und Schüler*innen, können zum besseren Verständnis komplexer Aspekte der biotechnologischen Themen und Methoden integriert werden. Die Berücksichtigung didaktischer Aspekte bei der Entwicklung der Fortbildung, die Behandlung lehrplanrelevanter Inhalte sowie das Beachten von Bedürfnissen und Defizite der Lehrkräfte kann merklich zur Wirksamkeit und Effektivität des Fortbildungsangebots beitragen (Lipowsky, 2010).
4.3 Fragebogen und Skalendokumentation
Für die Evaluation der Lehrerfortbildung wurden die Skalen Struktur und Didaktik, Relevanz und Kursleitung aus FEOM (Szymanski und Bruder 2012) ausgewählt und z.T. für den Verwendungszweck spezifiziert, um die Wirksamkeit der Lehrerfortbildung zu überprüfen (Lipowsky, 2010, Ebene 1 s.o.). Diese Skalen wurden um weitere Items zur Selbsteinschätzung der fachlichen, fachdidaktischen und praktischen Expertise zur Biotechnologie und zur Implementationsabsicht ergänzt (z.T. in Anlehnung an Pohlmann und Möller, 2010; s. auch Lipowsky, 2010; Ebene 2 und 3). Als Antwortformat wurde eine vierstufige Likert-Skala (0 = trifft nicht zu bis 3 = trifft voll zu ) gewählt. Die Daten wurden mit SPSS 25 ausgewertet. Nach Rekodierung negativ formulierter Items wurde die Skalengüte mit Item-, Faktoren- und Reliabilitätsanalysen überprüft. Das resultierende Instrument umfasst fünf Skalen zur Beschreibung der Fortbildungsqualität zur Biotechnologie. Alle fünf Skalen ( Tabelle 1) wiesen gute bis sehr gute Reliabilitäten auf (Bühner, 2011).
Tabelle 1: Skalendokumentation mit Itembeispielen; angegeben sind Anzahl der Items (N), Skalenmittelwerte (M/SD) und Cronbachs α.
4.4 Durchführung der Evaluation
Die Lehrerfortbildungen und ihre Evaluation fand von Juni 2017 bis März 2019 statt (entspricht zwei Schulhalbjahren). 23 Lehrerfortbildungen wurden in Bayern zwei in Berlin-Brandenburg durchgeführt. Von den insgesamt 25 Fortbildungen wurden gut dreiviertel an jeweils einer der teilnehmenden Schulen veranstaltet. Die Evaluation der Lehrerfortbildung fand per Fragebogen am Ende jeder Veranstaltung statt. Zur Ermittlung von Unterschieden wurden Mittelwertanalysen ( t -Test, ANOVA) durchgeführt. Der Einfluss der Instruktionsqualität, der Materialqualität/des schulpraktischen Nutzens sowie der Selbsteinschätzung von Fachwissen/fachdidaktischer Expertise auf die Motivation zur Vertiefung der Biotechnologie und Implementationsabsicht wurde durch eine schrittweise Regressionsanalyse untersucht.
Die Lehrkräfte bewerteten die Gestaltung des Lehrerfortbildungsangebots sowie die Materialqualität mit Blick auf den schulpraktischen Nutzen als sehr gut. Zwei Personen machten keine Angaben zur Skala Materialqualität/schulpraktischer Nutzen.
Tabelle 2: Deskriptive Statistik zu den Skalen der Ebenen 1–3; angegeben sind Stichprobenumfang (N), Mittelwerte (M) mit Standardabweichungen (SD) sowie die Spannweite (Min/Max).
Auch die eigene fachliche/fachdidaktische Expertise in der Biotechnologie wurde überdurchschnittlich eingeschätzt. Weniger Zutrauen hatten die Lehrkräfte da-gegen in ihre praktischen Fähigkeiten ( Tabelle 2), was jedoch zwischen den Gruppen mit unterschiedlicher Berufserfahrung variierte ( Tabelle 3). Sechs Personen machten dabei keine Aussage zu ihrer bisherigen Berufserfahrung ( N ges = 207).
Tabelle 3: Deskriptive Statistik für die Selbsteinschätzung Fachwissen/fachdidaktische sowie praktische Expertise Biotechnologie getrennt nach Berufserfahrung.
Eine einfaktorielle Varianzanalyse ergab einen Haupteffekt für die Anzahl der Berufsjahre bei der Selbsteinschätzung Fachwissen/Fachdidaktische Expertise Biotechnologie ( F (4,202) = 6,649, p < 0,001, η 2 = 0,116, N = 202). Die subjektive Einschätzung fällt bei Teilnehmer*innen mit längerer Berufserfahrung höher aus als bei den Referendaren Plus , dabei schätzen die Fortgeschrittenen ihr biotechnologisches Wissen und ihre Vermittlungskompetenz am höchsten ein. Post-hoc-Tests mit LSD-Korrektur zeigten paarweise Unterschiede: Referendare Plus unterschieden sich signifikant von den Beginnern und den Experten . Ein höchst signifikanter Unterschied besteht zwischen den Referendaren Plus und den Fortgeschrittenen. Auch die Mittelwertunterschiede bei der Selbsteinschätzung der praktischen Expertise Biotechnologie sind statistisch bedeutsam ( F (4,202) = 3,605, p < 0,01, η2 = 0,0,67, N = 202). Hier sind die Verhältnisse umgekehrt: Die geringste Selbsteinschätzung haben die Experten, während sich die Referendare plus als überdurchschnittlich praktisch erfahren einstufen. Die Post-hoc Untersuchung mit LSDKorrektur zeigt einen signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen.
Im Anschluss an die Fortbildung sind die Lehrkräfte motiviert, ihre Kenntnisse zu vertiefen und die Fortbildungsinhalte in den Biologieunterricht einzubinden ( Tabelle 2). Zur Vorhersage möglicher Einflussfaktoren auf die Implementationsabsicht in den Biologieunterricht wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt. Für die Kriteriumsvariable Motivation zur Vertiefung der Biotechnologie/Implementationsabsicht werden drei Prädiktoren Instruktionsqualität, Materialqualität/schulpraktischer Nutzen und Selbsteinschätzung Fachwissen/Fachdidaktische Expertise Biotechnologie in der Regressionsanalyse signifikant; diese Prädiktoren klären 29,3 % der Varianz auf ( Tabelle 4).
Tabelle 4: Regressionsanalyse für die Kriteriumsvariable Motivation zur Vertiefung der Biotechnologie/Implementationsabsicht (Ebene 3).
Viele der Lehrkräfte implementierten die molekularbiologischen Themen und Arbeitsweisen 1–10 Monate nach Teilnahme an der Lehrerfortbildung. Die Ausleihe der Materialkisten erfolgte an eine Schule eines regionalen Netzwerks und wurde von dort aus ggf. weitertransportiert. Die Lehrkräfte organisierten die Implementation unterschiedlich: neben (mehreren) Doppelstunden im Biologieunterricht fanden auch Projekttage zur Biotechnologie mit mehreren Klassen oder sogar einer ganzen Jahrgangsstufe statt. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich daher die Zahl der Lehrkräfte, die (mit bzw. ohne Fortbildung) implementiert haben, nicht genau bestimmen. Hierzu soll eine Interviewstudie Aufschluss geben, die im März 2020 angelaufen ist. Durch die portionierten Verbrauchsmaterialien bei der Ausleihe konnte zumindest bestimmt werden, dass in den Schuljahren 17/18 und 18/19 knapp 2000 Schüler*innen an der Umsetzung der Fortbildungsthemen im Biologieunterricht teilgenommen haben.
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