Feedbackist ein zirkulärer Prozess, in dem der emergente Output eines Systems zusätzlich zu äußeren Einflüssen als »neuer« Input wieder in das System zurückgeleitet wird.
Der Geist ist nicht nur das Gehirn
Man kann sich die mentale Aktivität eines Klienten ähnlich vorstellen wie die vielen Vögel, die zusammen einen Starenschwarm bilden. Der Geist jedoch ist etwas anderes. Er ähnelt eher jenem ätherischen, ständig seine Form verändernden Muster, das die selbst organisierte emergente Eigenschaft der Vögel ist. Die Formation der Stare ist nicht nur eine emergente Eigenschaft der Aktivität dieser Vögel. Dabei sind noch wesentlich mehr Elemente im Spiel. Das System schließt die Habichte und Falken, die Windrichtung und feste Objekte wie Bäume, Gebäude und Gelände ein. Wird eine dieser Komponenten verändert, verändern sich auch die magischen Bewegungen des Starenflugs. Viele beschreiben den Geist als eine emergente Eigenschaft des Gehirns; logischer ist es jedoch, sich den Geist als emergente Eigenschaft nicht nur unserer Neurobiologie, sondern auch unserer Biologie, der unmittelbaren Umgebung und des Einflusses anderer Menschen und ihres Geistes, vorzustellen.
Ebenso wie die Bewegungen der Stare ist der Geist eine emergente Eigenschaft, die ihrerseits auf das System einwirkt, aus dem sie hervorgegangen ist. Für unser rationales Denken mag es eine schwere Prüfung sein, aber in einem komplexen, sich selbst organisierenden System kreiert sich der Geist in jedem Augenblick aktiv selbst. Dieses anspruchsvolle Konzept, das Daniel Siegel in seinem Buch Mind (2017) gründlich untersucht hat, werden wir hier nicht ausführlicher beschreiben; es verhilft uns aber zu einigen Erkenntnissen darüber, wie Geist-Körper-Heilung vor sich geht. Diesem weiter gefassten Konzept des Geistes zufolge wird der Therapeut einfach durch seine Präsenz zu einem Element im Geist des Klienten. Er braucht dem Gehirn des Klienten nichts offen aufzuzwingen, er muss es nicht lenken, muss nicht intervenieren oder versuchen, es seiner Kontrolle zu unterwerfen. Vielmehr kann er effektiv das Engagement hinsichtlich des Geist-Körper-Prozesses fördern, indem er auf den Klienten eingehenden positiven Input in das therapeutische Erleben einbezieht. Der Mirroring-Hands-Ansatz verhindert, dass der Therapeut das Erleben des Klienten dominiert oder dass er dem Prozess etwas hinzufügt, das dem Klienten die Kontrolle über das Geschehen entzieht.
Was ein Therapeut dem »System des Klienten« hinzufügt, ist sehr wichtig. Nach unserer Auffassung kann der Klient umso stärker darin gestört werden, zu seinen eigenen Problemlösungs- und Geist-Körper-Heilungsfähigkeiten – also zu seinen eigenen naturgemäßen Selbstorganisationsprozessen – in Kontakt zu treten, je mehr der Therapeut ihm Anweisungen aufzwingt. Eine förderliche Balance zu finden kann sehr schwierig sein, und der Therapeut muss bei seinen Bemühungen vorsichtig vorgehen und den Klienten aufmerksam beobachten. Mit der Kunst der sensiblen Beobachtung werden wir uns in Kapitel 7eingehender beschäftigen; im Moment mag es ausreichen festzustellen, dass es Situationen gibt, in denen es angezeigt ist, den Klienten zu halten und mit ihm zusammen still zu sein, weiterhin Situationen, in denen man ihm helfen sollte, in einen therapeutischen Bewusstseinszustand einzutreten, und schließlich Situationen, in denen man auf eine leichte Weise beim Klienten präsent sein und lediglich seinen Prozess und seine Bemühungen um Geist-Körper-Heilung fördern sollte.
Das Konzept der komplexen nichtlinearen Systeme, die sich selbst organisieren und Problemlösungs- und Geist-Körper-Heilungsaktivitäten entwickeln, ohne einer offenkundigen Anleitung oder Kontrolle zu unterliegen, mag unsere bisherige Sicht therapeutischer Aktivität und der Welt infrage stellen. Wir hoffen jedoch, dass es auch ein Gefühl der Verwunderung angesichts der Welt hervorruft. Schon sehr früh bringt man uns allen bei, logisch zu denken, mit der Folge, dass wir die Welt im Sinne von linearen, schrittweisen Vorgängen sehen – dies führt zu jenem, das zum Nächsten usw. Man bringt uns bei, dass wir nur über das richtige Wissen zu verfügen brauchen, um zuverlässig Resultate voraussagen und hinsichtlich der Zukunft ein Gefühl der Sicherheit entwickeln zu können. Leider eignen sich komplexe Systeme nicht dazu, Voraussagen über sie zu machen und sie zu kontrollieren; vielmehr bewegen sie sich auf eine Ordnung zu, die dem Einfluss von Organisationsprinzipien, Attraktoren, Disruptoren und anderen systemischen Faktoren unterliegt. Die Fähigkeit, diese Regulatoren zu beeinflussen, ermöglicht es Klienten, Phasenübergänge zu bewältigen, um wieder in einen harmonischen Zustand des Wohlbefindens zurückzukehren.
Sobald ein Klient den Behandlungsraum betritt, werden Therapeut und Klient zu Teilen eines komplexen therapeutischen Systems. Was der Therapeut sagt und tut, wird eine Wirkung entfalten. Unsere Präsenz verändert die Anfangsbedingungen des Systems des Klienten, und nur dies kann überraschende Resultate hervorrufen. Was Therapeut und Klient durch ihre Beziehung dem System hinzufügen, wirkt sich auf ihre Selbstorganisationsprozesse aus und fördert die Aktivierung der inneren Heilungsfähigkeit des Klienten.
Wir haben in diesem Kapitel Begriffe und Definitionen erforscht und sie, wo möglich, in den therapeutischen Kontext einbezogen. Das Thema wurde keineswegs erschöpfend abgehandelt. Wir hoffen deshalb, Leser zu weiterführenden Untersuchungen angeregt zu haben. Nachdem wir Ihren Geist nun darauf vorbereitet haben, im System zu denken, wenden wir uns dem nächsten Schritt zu – der Vorbereitung des Klienten auf ein Mirroring-Hands-Erlebnis.
11Ein Video, das einen solchen Schwarm von Staren zeigt, finden Sie unter: https://www.youtube.com/watch?v=eakKfY5aHmY[22.12.2020].
12Die folgenden Bücher enthalten ausgezeichnete Definitionen von Komplexität in Beziehung zur Psychotherapie: Rossi (1996); Marks-Tarlow (2008); Siegel (2016).
13Der folgende Link führt Sie zum Originaltext des Vortrags am MIT im Jahre 1972: http://eaps4.mit.edu/research/Lorenz/Butterfly_1972.pdf[22.12.2020].
14 Dr. House (2004–2012) wurde von David Shore für das Fox-Netzwerk kreiert.
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