Am schlechtesten gelingt uns dies natürlich in unseren Partnerschaften und Ehen.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den folgenden Dialogenin diesem Buch sagen:
Alle Dialoge sind frei erfunden, wurden jedoch inspiriert von den tatsächlichen Problemen der Paare, die ich im Rahmen der Paartherapie in den letzten Jahren kennenlernen durfte.
Dem ein oder anderen mögen die Dialoge banal, klischeehaft oder überzogen erscheinen. Sie sind es nicht!
Genau so geht es im Alltagsleben der meisten von uns zu, mit genau jenen alltäglichen Themenbereichen, wie vermeintlich nicht erledigten „Pflichten“, mit Erwartungen, bildhaften Vorstellungen vom Partner/von der Partnerin, mit Distanzen und „Scharmützeln“ zwischen den Partnern bis hin zu unüberbrückbar erscheinenden, tiefen Kluften.
Da werden in der Regel nicht die großen, bewegenden Themen der Menschheit verhandelt, sondern es wird eher das tagtägliche Miteinander besprochen.
Für all jene, die sich in diesen Dialogen wiedererkennen, ist dieses Buch geschrieben, mit der Hoffnung, durch die ein oder andere Erklärung des Geschehens dem Leser/ der Leserin Einsichten zu vermitteln und irgendwie hilfreich zu sein.
Heiner und Marlies – möglicher Dialog:
Heiner: |
Marlies, ich kann kein frisches Hemd im Schrank finden! |
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Wo sind die denn alle? |
Marlies: |
Die werden noch in der Wäsche sein. |
Heiner: |
Na, prima! Morgen ist doch das Meeting mit der Firmenleitung und da muss ich einigermaßen stilvoll aussehen! |
Marlies: |
Ja, das ist doch kein Problem! |
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Da stecken wir halt ein paar Hemden in die Waschmaschine und hinterher in den Trockner! |
Heiner: |
Okay! Hauptsache, ich habe morgen ein frisches Hemd! Du weißt doch, dass ich jeden Tag ein frisches Hemd brauche. Das ist doch nicht so schwer! |
Marlies: |
Nun hör aber auf! Du kannst die Hemden ja auch selbst mal in die Waschmaschine stecken! |
Heiner: |
Könnte ich, aber wir haben doch eine Arbeitsteilung! Du machst den Haushalt und ich sorge für das Geld! |
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Was hast du denn heute nur gemacht? |
Marlies: |
Na ja, erst mal musste ich ein langes Telefonat mit Elfi führen. Die war völlig durch den Wind. |
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Sie hat nämlich gerade ihren Job verloren und war außer sich! Das kannst du dir vorstellen! |
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Und dann musste ich mich heute doch wegen der neuen Wandfarben für das Wohnzimmer entscheiden! Der Maler wollte jetzt endlich Bescheid wissen. |
Heiner: |
Da verstehe ich den Maler aber auch! |
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Du machst jetzt aber schon eine gute Weile mit dieser Sache rum! |
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Warum dauert denn alles so lange bei dir? |
Marlies: |
Das ist eine schwierige Entscheidung für mich! |
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Das braucht Zeit! |
Heiner: |
Ja, wie scheinbar alles bei dir! Entscheide halt einfach oder ich entscheide. – Bei meiner Mutter ging das alles irgendwie viel schneller. |
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Überhaupt, was liegt denn hier alles herum! Denk dir nur, ich hätte überraschend jemanden aus der Firma mitgebracht. |
Marlies: |
Na, dann bitte eine Vorankündigung! Das weißt du doch! Am Nachmittag war ich dann noch lange mit Paulchen auf dem Spielplatz. Er ist doch so gerne draußen und mit anderen Kindern zusammen! |
Heiner: |
Ja, das ist ja sehr schön, aber irgendwie hast du den Haushalt nicht so recht im Griff. Das entspricht einfach nicht meinen Erwartungen! |
Marlies: |
Ja, ja, bei deiner Mutter war alles viel besser, ich weiß! Ich bin aber nicht deine Mutter! |
Heiner: |
Schon klar, aber in puncto Haushaltsführung wäre es manchmal nicht so schlecht! |
Marlies: |
Du hättest eben Mama heiraten sollen! |
Heiner: |
Auf jeden Fall wäre dann aufgeräumt und ein warmes Abendessen wäre dann auch auf dem Tisch! |
Marlies: |
Heiner, ich finde, du übertreibst mal wieder! |
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Ich tue, was ich kann! |
Es ist offensichtlich, dass Heiners Erwartungenan seine Frau bzw. an die Haushaltsführung seiner Frau nicht erfüllt werden. Dies wird bei diesem Paar ganz gewiss auch in Zukunft so sein, und allmählich wird es immer mehr Frustration auf beiden Seiten geben, die sich in immer heftigeren Streitereien und in dem Gefühl des Nicht-Verstehens und des Nicht-Verstanden-Werdens niederschlagen. Das Paar fängt an, sich voneinander zu entfernen, einander fremd zu werden.
Wie kann dies geschehen?
Wie sieht es denn aus mit Erwartungen und ihren Folgen in Beziehungen?
Haben Sie sich schon einmal bewusst gemacht, dass Erwartungen an den Partner/die Partnerin automatisch so etwas wie ein Gefällein eine Beziehung bringen?
Einer ist gewissermaßen „Chef“ und erwartet von seinem „Untergebenen“ die Erfüllung der eigenen Erwartungen. So wie zwischen Eltern und Kindern: Die Eltern erwarten, dass die Kinder ihre Hausaufgaben erledigen, sich die Hände waschen, ihre Zähne putzen etc. Hier erscheint uns dies ganz normal und hier gehört es auch in gewissem Rahmen hin.
Zwischen Partnern, die einander auf gleicher Ebenebegegnen wollen, ist dies jedoch ein schwer zu überwindendes Hindernis.
Mit der Erwartungan den Anderen in der Tasche werde ich gewissermaßen zum irgendwie Großen,der sich über den Kleinen stellt und von ihm etwas erwartet.
Ich werde zum Elternteil und wecke im Anderen seine früheren Strategien, mit diesen Erwartungen umzugehen: sei es Überhören, Vergessen, So-tun-als-ob, Aussitzen, Betrotzen etc.
Wir begegnen uns in der Folge dieser Erwartungenplötzlich nicht mehr als gleichberechtigte Partner, sondern – zumindest in diesem Aspekt der Beziehung – als Mama/Papaund Kind.
Schieflage der Beziehung
Das rächt sich! Denn der Partner/die Partnerin fühlt sich nicht nur nicht gesehen in seinem/ihrem Beitrag zum gemeinsamen Leben, er/sie fühlt sich auch ungerechtfertigt bestimmt vom Anderen im eigenen Tun und Sein! Bei den meisten von uns löst dies eine „Grundrevolution“ aus, die den Anderen immer mehr zum Feindwerden lässt, der mich selbst daran hindern will, „mein Eigenes“ zu leben.
Möglicherweise erhebt sich in Ihnen schon ein gehöriger Widerspruch gegen diese Aussage meinerseits. Dies ist mir auch hin und wieder in meiner Praxis begegnet, denn zum einen ist die persönliche Struktur eines Menschen, der viele Erwartungen an den Anderen hat, geprägt von der eigenen Kindheitserfahrung, dass es im Leben immer Erwartungen von Anderen gibt, mit denen man umgehen muss – ganz zu schweigen von den inzwischen inneren Erwartungen unseres Über-Ichsan uns selbst –, und zum anderen verbindet sich damit auch oft ein manchmal unbewusster Machtanspruch über den Anderen, den wir oft nicht freiwillig aufgeben wollen.
„Ich erwarte von dir, dass …“ macht den Anderen irgendwie zu meinem Untergebenen.
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