Diese begrifflichen Feinheiten finden sich, wenn auch leicht anders akzentuiert, bei Rössler (2008: 59ff.) wieder, indem sie verschiedene Positionen hinsichtlich der Begriffe ‚ Fertigkeit ‘ im Sinne Portmanns (1993) und ‚ Aktivität ‘ in Anlehnung an Krumm (2001) wiedergibt. Außerdem veranschaulicht sie sehr deutlich, dass eine Unterscheidung notwendig ist, da schon die unterschiedlichen Bezeichnungen darauf hinweisen. Die vier bisherigen kommunikativen Fertigkeiten werden alle als Infinitive angegeben (Hören, Sehen, Schreiben, Sprechen, Lesen), während Sprachmittlung mit einem Substantiv beschrieben wird und dadurch „nicht so einfach in die Reihe der kommunikativen Fertigkeiten – als deren sechste“ (ebd.) eingeordnet werden kann.
Wie in anderen Publikationen auch, spricht sie sich für eine andere Bezeichnung, nämlich die der Aktivität, aus, um so nicht nur dem GeR zu folgen, sondern zusätzlich die Grundlage von Sprachmittlung – das eigentliche kommunikative Ziel – zu betonen und hervorzuheben:
„ Sprachmittlung ist eine komplexe, unter Umständen auch interaktive Aktivität in einer mindestens zweisprachigen Sprechhandlungssituation, zu deren Realisierung sowohl rezeptive als auch produktive kommunikative Fertigkeiten beherrscht und angewandt werden müssen. “ (ebd.: 61; Hervorhebungen im Original).
Diese Interaktion wie auch die Kommunikationsabsicht betont ebenfalls Königs (vgl. 2017: 327f.; 2010: 96) und plädiert für eine Bezeichnung als komplexe Tätigkeit, die in diesem Umfang deshalb so nicht im schulischen Fremdsprachenunterricht erreicht werden kann, aber dadurch, so Caspari und Schinschke (2012: 40f.), mehr als eine reine Fertigkeit darstellt. Die Autorinnen stellen Sprachmittlung somit auf eine höhere Ebene als die anderen kommunikativen Fertigkeiten Schreiben, Sprechen, Lesen, Hör- und Hörsehverstehen; da Sprachmittlung nicht nur auf den eben genannten basiert, sondern auch auf andere Kompetenzen wie beispielsweise Text- und Medienkompetenz, interkulturelle Kompetenz oder Sprachbewusstheit zurückgreift (vgl. auch Abbildung 2.2).
Hallet (2008b) greift diese Idee des Rückbezugs auf, da er Sprachmittlung ebenfalls als komplex versteht und die Beschreibung als eine bloße Fertigkeit als nicht ausreichend ansieht, „denn die four skills sind selbst integraler Bestandteil“ (ebd.: 3f.; Hervorhebungen im Original) von Sprachmittlung, die noch weitere Kompetenzen wie die der Interaktion oder Interkulturalität umfassen kann (vgl. auch Philipp, Rauch 2014: 13). Des Weiteren spielen auch die von Kolb (2011: 181) betonten Fertigkeiten der Rezeption und Produktion eine wichtige Rolle, weil sie maßgeblich für Sprachmittlungsaufgaben sind, da nur durch diese der Ausgangstext verstanden und der Zieltext erstellt werden kann.
Reimann (2013b: 5) führt diesen Gedanken noch weiter aus und bezeichnet Sprachmittlung als transversale Fertigkeit mit einer ebenfalls hohen Komplexität, da mündliche und schriftliche Dimensionen, ähnlich wie bei Kolb (2011) die Produktion und Rezeption, in gleichem Maß von den Schülerinnen und Schülern bei der Aufgabenbearbeitung abverlangt werden. Zusätzlich begründet er dies damit, dass die Lernenden nicht nur zwischen den Sprachen, sondern auch den Kulturen mitteln müssen, so dass eine Einbettung des Aufgabensettings in komplexere Rahmen mit detaillierten Angaben für die Erstellung des Zieltextes angebracht erscheint (vgl. Reimann 2014: 5).
Philipp und Rauch (2014: 13) haben diese Komplexität exemplarisch in folgendem Schaubild (vgl. Abbildung 2.2) verdeutlicht, wobei dort die interkulturellen Aspekte nur sehr reduziert dargestellt werden. Dabei wird aber deutlich, dass Sprachmittlung meist auf mehrere oder sogar alle vier funktional-kommunikativen Kompetenzen rekurriert und so die Lernenden vor besonders hohe Anforderungen stellt, die auch im Unterricht mehrfach geübt werden sollten.

Abbildung 2.2: Andere angesprochene Kompetenzbereiche bei Sprachmittlung (Philipp, Rauch 2014: 13)
Das hohe Ausmaß der von den Lernenden anzuwendenden Strategien, die möglichst alle für die Bearbeitung von Sprachmittlungsaufgaben eingeübt sein sollten, wird in der folgenden Tabelle (vgl. Tabelle 2.5) deutlich, so dass die Bezeichnung der komplexen Aktivität für Sprachmittlung angemessen erscheint und im Rahmen dieser Arbeit verwendet wird. Diese Umschreibung umfasst meines Erachtens nicht nur die hohe Komplexität und die damit verbundenen höchst diversen Anforderungen in zahlreichen Bereichen, sondern bringt auch die Interaktion zwischen den verschiedenen an der Sprachmittlungssituation beteiligten Akteure, wenn in einigen Beispielen lediglich nur in schriftlicher Form, zum Ausdruck.
Lesestrategien |
Hörstrategien |
Sprach- strategien |
Schreib- strategien |
- den der Aufgabenstellung entsprechenden Lesestil selbständig anwenden (global, selektiv, detailliert, inferierend) |
- eine Erwartungshaltung aufbauen |
- Umschreibungsstrategien nutzen (z. B. Synonyme, Antonyme) |
- Notizen anfertigen |
- Schlüsselbegriffe, Kernsätze finden |
- aus Schlüsselwörtern auf das Thema schließen |
- auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen |
- Wortfelder und Paralleltexte nutzen |
- Wichtiges von Unwichtigem trennen |
- der der Aufgabenstellung entsprechenden Hörstil wählen |
- Gestik und Mimik einsetzen |
- Umschreibungsstrategien (z. B. Synonyme, Antonyme) |
- komplizierte Strukturen auf Kerngehalt reduzieren |
- auch bei partiellem Nichtverstehen weiterhin folgen |
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- auf andere (einfachere) Satzstrukturen ausweichen |
- visuelle Hilfen (Bilder, Grafiken) und Überschriften als Verstehenshilfen nutzen |
- ggf. Nichtverstehen signalisieren, nachfragen bzw. um Wiederholung bitten |
|
- Skizzen zur Veranschaulichung nutzen |
- Worterschließungsstrategien anwenden |
- Lautstärke, Tonhöhe, Sprechtempo, Intonation (ggf. Mimik und Gestik) als Verstehenshilfe nutzen |
|
- Texte strukturieren und gliedern |
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|
|
- Methoden der Eigenkorrektur (Checkliste, Nachschlagewerke) nutzen |
Tabelle 2.5: Beispiele für mögliche Strategien der einzelnen funktional kommunikativen Kompetenzen (Philipp, Rauch 2014: 15)
Modelle für Sprachmittlung
Nachdem Sprachmittlung im vorangegangen Teilkapitel als eine komplexe Aktivität eingestuft wurde, stellt sich nun die Frage, in wie weit diese in Form von Modellen als eine Vereinfachung der Realität dargestellt werden kann. Vor allem sind die dabei ablaufenden Prozesse und Strukturen von großem Interesse und wie diese anschaulich modelliert werden können. Es wurde schon eine ganze Reihe von Modellen innerhalb der Fachdidaktik entwickelt, die zum Teil aufeinander aufbauen bzw. unterschiedliche Aspekte integrieren und so eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattgefunden hat.
Die ersten Modelle aus dem GeR (Europarat 2001: 101), bei denen Sprachmittlung noch in die beiden Tätigkeiten bzw. Teilprozesse des ‚ Übersetzens ‘ und ‚ Dolmetschens ‘ untergliedert wurde, sind noch recht rudimentär angelegt und beleuchten zunächst nur die Umformung eines Textes A in den Text B mittels eine der beiden Tätigkeiten (vgl. Abbildungen 2.3 und 2.4).
In Abbildung 2.3 verläuft die Kommunikation zwischen Partner A, Partner B und dem Sprachverwender, dem hier die Funktion des Sprachmittlers bzw. der Sprachmittlerin zukommt. Diese ist nur zum Teil direkt und ist je nach Notwendigkeit entweder produktiv oder rezeptiv. Der/die Sprachverwender/in, der/die mehrere Sprachen spricht, empfängt einen Text A indirekt, beispielsweise in Form eines Briefes oder eines schriftlichen Textes, von Partner/in A und erstellt daraufhin einen neuen Text B, der parallel zu Text A ist und von Partner/in B empfangen wird; dieser neue Text B kann dann entweder schriftlicher oder mündlicher Natur sein (vgl. Europarat 2001: 100).
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