»Schnellstmöglich.«
»Am liebsten sind mir Ergebnisse. Handfeste Beweise. Schnelle Aufklärung. Na, Sie wissen schon. Wünsche noch einen schönen Tag.«
Siebels setzte sich, atmete dreimal tief durch und rief bei Sabine an.
»Du, mir ist da ein kleines Missgeschick passiert. Ich habe aus Versehen Jensen samt Frau zu unserer Hochzeit eingeladen.«
»Aus Versehen? Was heißt das denn?«
»Na ja, ich musste ihn dringend von etwas ablenken. Und da habe ich ihn halt zur Hochzeit eingeladen.«
»Wenn das zur Masche wird mit deinem neuen Ablenkungsmanöver, dann wird es doch noch ein richtig großes Fest.«
»Ha ha. Also schreib Herr und Frau Jensen bitte noch auf die Liste.«
»Schon erledigt. Ist vielleicht gut für deine Karriere.«
»Karriere? Was für eine Karriere? Ich bin Hauptkommissar.«
»Eben. Noch ein weiter Weg bis zum Polizeipräsidenten.«
»Ähm, ja. Ich muss dann mal Schluss machen.«
»Warte mal, ich muss dir noch was sagen.«
»Ja, was denn?«
»Letzte Nacht. Können wir das bei Gelegenheit wiederholen?«
Siebels suchte nach einer gescheiten Antwort, als Till ins Büro kam.
»War nicht schlecht, gelle«, säuselte er leise ins Telefon.
»Ausbaufähig.«
»Till ist da«, flüchtete sich Siebels aus der Unterhaltung.
»Dann will ich dich nicht in Verlegenheit bringen. Schönen Tag. Kuss.«
»Ausbaufähig. Till ist da. Was soll das denn heißen?«, wollte Till wissen.
»Wir fahren jetzt zu Nadja Sydow.«
»Hast du Geheimnisse vor mir?«
»Ich habe einen schlimmen Fehler gemacht.«
»Im Fall Sydow?«
»Nein. Im Fall Siebels Karlson.«
»Oh je. Streit? Schlimm?«
»Ich habe Jensen zur Hochzeit eingeladen. Samt Frau.«
»Oha. Hat er zugesagt?«
»Er freut sich drauf.«
»Warum hast du das gemacht?«
»Das war ein Ablenkungsmanöver.«
Till nickte wissend. »Der neue Polizeipsychologe soll ganz gut sein. Geh doch einfach mal hin.«
Siebels ignorierte die Bemerkung. »Habe ich dich eigentlich schon eingeladen?«
»Zur Hochzeit? Nö.«
»Mache ich später. Wir müssen jetzt los.«
Till schaute Siebels kopfschüttelnd hinterher und folgte ihm dann.
Auf der Fahrt zu Nadja Sydow berichtete Till noch einmal ausführlich von seinem Besuch bei Jens Schäfer, vom Kapitel Hanni und von seiner Spritztour, die er mit Anna Lehmkuhl machen würde.
»Anna Lehmkuhl will ich auch einladen. Und Petri. Meine Tochter kommt auch.« Siebels wirkte wie aufgedreht.
»Wo ist denn mein Buch?«, wollte Till wissen, als er den Namen Anna Lehmkuhl hörte, und sah sich im Wagen um.
»Was für ein Buch?«
»Na du weißt schon. Das Buch eben.«
»Ach, das Buch.« Siebels parkte den BMW vor dem Haus, in dem Nadja Sydows Eigentumswohnung lag. Große blumengeschmückte Balkone ragten zur Straßenseite. Das Haus hatte drei Stockwerke. Siebels stellte den Motor ab, stieg aus und zündete sich eine Zigarette an. Rauchend studierte er die Namensschilder am Hauseingang.
»Das Buch?«, fragte Till, der noch im Wagen sitzen blieb.
»Sie wohnt in der ersten Etage«, sagte Siebels, ging zwei Schritte zurück und versuchte, den Balkon von Nadja Sydow auszumachen. »Kommst du?«
Till stieg aus. »Ich will mein Buch wiederhaben.«
»Ja, ja. Das liegt im Büro.« Siebels trat seine Zigarette aus und klingelte bei Sydow.
Nadja Sydow ließ die beiden wortlos herein, nachdem Siebels sich vorgestellt und kondoliert hatte.
Nadja führte sie ins Wohnzimmer. In dem hell gefliesten Raum stand ein weißer Flügel vor einem vollgestopften Bücherregal. Vor dem großen Fenster befand sich eine gemütliche Couchgarnitur.
»Schön haben Sie es hier«, sagte Siebels.
Nadja schaute ihn aus tiefbraunen Augen an. »Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters«, sagte sie geheimnisvoll. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Danke, nein. Wir haben nur ein paar Fragen.«
»Wer hat die nicht?«
Siebels erinnerte sich an die Aussagen von Dr. Ritter und Sarah Fischer. Nadja sei hochbegabt.
»Der, der die Antworten bekommt«, sagte Siebels und wurde für seine Antwort mit einem Lächeln belohnt. »Es sieht alles danach aus, als hätte jemand nachgeholfen, als Ihre Stiefmutter im Pool ums Leben kam«, leitete Siebels seine Fragerunde ein.
»Sie war eine gute Schwimmerin.«
»Haben Sie einen Verdacht, wer da nachgeholfen haben könnte? Hatte Ihre Stiefmutter Feinde?«
»Meine Stiefmutter war ein einfältiger Mensch. Sie hatte weder Freunde noch Feinde.«
»Sarah Fischer war eine gute Freundin. Sie hat sie gefunden.«
»Ja, ich weiß. Sarah Fischer ist eine Esoterikerin. Sie war die Geschäftspartnerin meiner Stiefmutter. Ob sie jetzt trauert, wage ich aber zu bezweifeln.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Oh, ich will ihr auf keinen Fall einen Mord unterstellen. Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen. Aber es gab Differenzen zwischen den beiden.«
»Im geschäftlichen Bereich?«
»Ja, dort auch. Und im privaten Bereich. Meine Stiefmutter hatte vor einiger Zeit einen Freund. Er war einige Jahre jünger als sie. Sarah Fischer war scharf auf ihn und hat ihm hinterhergestellt. So viel zu dem Begriff Freundin.« Nadja verzog verächtlich die Mundwinkel.
Till hatte eine lederne Aktentasche bei sich, aus der er das Buch herauszog und auf den Tisch vor Nadja legte. »Die Anekdoten des Philipp von Mahlenburg. Ist das der Mann, von dem Sie gerade gesprochen haben?«
»Ja, das ist er.« Nadja warf nur einen kurzen Blick auf das Buch.
»Haben Sie es gelesen?«, wollte Till wissen.
»Ich habe es überflogen. Man kann es nicht wirklich als Buch bezeichnen. In einer halben Stunde hat man es gelesen. Wenn es nicht so groß gedruckt wäre, hätte es als Heftchen erscheinen können.«
»Was sagen Sie zum Inhalt?«, fragte Siebels.
»Unterste Schublade. Aber manchmal ist es so schlecht, dass es schon wieder amüsant ist.«
»Darf ich rauchen?«, fragte Siebels.
Nadja stellte ihm einen Aschenbecher hin und zündete sich auch eine Zigarette an.
»Kennen Sie Herrn von Mahlenburg persönlich?«
»Das haben Sie doch bestimmt gelesen. Es steht ja drin, dass wir uns begegnet sind.«
»Es steht drin, dass er Ihre Stiefmutter im Pool unter Wasser gedrückt hat. Dass er sich von Ihnen dazu inspiriert gefühlt hat.«
»Wie gesagt, ich habe es gelesen. Nur mit meinem Blick habe ich ihn dazu gebracht. Mit Gedankenübertragung. Ich wollte meine Stiefmutter töten und habe ihn mit meinen paranormalen Fähigkeiten als Werkzeug benutzt. Glauben Sie an so einen Hokuspokus?« Nadja lehnte sich entspannt zurück, zog genüsslich an ihrer Zigarette und betrachtete neugierig ihre Besucher.
»Sie haben ihn gereizt«, antwortete Siebels lapidar.
»Weil ich oben ohne bei ihm gesessen habe? Dann würde er ja zum Massenmörder, wenn er im Sommer auf Mallorca oder Ibiza ein paar Tage am Strand verbringen würde.«
Siebels lächelte. Till versuchte hinter die Fassade von Nadja zu blicken. Er konnte die junge Frau aber noch nicht einordnen. Da war die Frau aus der Beschreibung des Philipp von Mahlenburg. Direkt, vulgär und mit erotischer Ausstrahlung. Und da war die Frau, die nun vor ihm saß. Höflich, intelligent und mit einem unschuldigen Engelsgesicht. Lange braune Haare fielen ihr glatt über die Schultern. Eine kleine Stupsnase zierte ihr ungeschminktes Gesicht. Einige wenige Sommersprossen verteilten sich um die Nase. Dunkelbraune Augen strahlten Wärme aus.
»Hatten Sie noch Kontakt zu ihm, nachdem er die Beziehung zu Ihrer Stiefmutter beendet hatte?« Siebels drückte seine Zigarette im Ascher aus.
Nadja ließ sich Zeit mit einer Antwort. Dann antwortete sie auf eine Frage, die Siebels noch gar nicht gestellt hatte. »Sein richtiger Name ist Jens Schäfer. Er ist ein Überlebenskünstler ohne geregelte Arbeit und ohne geregeltes Einkommen.«
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