1. (48)Xenophon, Gryllus Sohn, war ein Athener aus dem erchischen Demus. Er hat ein seltsames und dabei überaus schönes Ansehen.
2.In einer engen Gasse soll ihm Sokrates einmal begegnet sein, ihn mit Vorhaltung des Stockes vorbeizugehen gehindert und gefragt haben, wo man allerlei Lebensmittel einkaufen könnte? Und auf erhaltene Antwort weiter gefragt haben: wo denn aus Menschen rechtschaffene Männer gezogen würden? Da nun Xenophon stutzte und nichts zu antworten wusste, sagte er zu ihm: So folge mir denn und lerne es. Von der Zeit an war er ein Zuhörer Sokrats.
3.Er hat auch zuerst dessen Vorträge aufgezeichnet und der Welt bekannt gemacht unter dem Titel: Denkwürdigkeiten und er ist auch unter den Philosophen der erste Geschichtsschreiber gewesen.
4.Aristipp sagt im vierten Buch von der Wolllüstigkeit der Alten, er habe den Klinias zärtlich geliebt und von demselben unter anderem gesagt: (49)Ich sehe Klinias mit größerem Vergnügen als sonst alles, was unter den Menschen schön ist. Ich wollte lieber für alles andere blind werden, wenn ich nur den Klinias allein sehen könnte. Ich bin des nachts und im Schlaf traurig, weil ich ihn nicht sehe. Dem Tag und der Sonne bin ich den größten Dank schuldig, weil sie mir den Klinias sichtbar machen.
5.Die Freundschaft des Kyrus erlangte er auf folgende Art: Er hatte einen vertrauten Umgang mit dem Böoter Proxen, einem Schüler des Leontiners Gorgias und Freunde des Kyrus. Als sich dieser zu Sardes bei Kyrus aufhielt, schickte er einen Brief nach Athen an Xenophon und forderte ihn auf, zu ihm zu kommen und Kyrus’ Freund zu werden. Er zeigte Sokrates diesen Brief und bat ihn um Rat. (50)Dieser wies ihn an, den delphischen Gott um Rat zu fragen. Xenophon gehorcht ihm, er kommt zu dem Gott, er fragt nicht ob, sondern wie er zu Kyrus gehen soll? Sokrates verwies ihm dies, riet ihm aber doch, die Reise anzutreten. Er kam zu Kyrus und genoss ebensoviel Freundschaft von ihm, als Proxen. Was im Kriegszug des Kyrus und bei dem Rückzug der Griechen geschehen ist, erzählt er selbst ausführlich.
6.Um die Zeit dieses Feldzugs lebte er in Feindschaft mit einem Pharsalier Menon, der eine Schar fremdes Kriegsvolk anführte, diesem machte er den schimpflichen Vorwurf, er missbrauche Lieblinge, die älter wären als er selbst. Von einem gewissen Apollonides sagte er schimpflich, seine Ohren wären ihm durchbohrt.
7. (51)Nach dem Kriegszug mit Kyrus, nach dem Verlust in der Landschaft Pontus und nach dem treulosen Verfahren des ordrysischen Königs Seuthes kam er nach Asien zu dem lakedämonischen König Agesilaus und übergab ihm das Kriegsvolk, das in Kyrus Sold gestanden hatte. Er stand in ganz ausnehmender Freundschaft bei ihm. Um diese Zeit wurde er, weil er den Lakedämoniern allzusehr zugetan war, von den Athenern aus dem Vaterland verbannt. Zu Ephes gab er die Hälfte von dem Geld, das er bei sich hatte, Megabyz, einem Priester der Artemis, bis zu seiner Rückkehr in Verwahrung; käme er nicht wieder zurück, so sollte er ein Bild daraus gießen lassen und der Göttin als Geschenk aufstellen. Von der anderen Hälfte schickte er Geschenke in den Tempel zu Delphi. Von da kam er mit Agesilaus nach Griechenland, wohin dieser zum Krieg wider die Thebaner berufen war. Die Lakedämonier erteilten ihm das Recht der öffentlichen Gastfreundschaft.
8. (52)Hier verließ er den Agesilaus und kam nach Skillus, einem Landhaus in Elea, welches nahe bei der Stadt lag. Seine Gattin Philesia folgte ihm dahin, wie der Magnesier Demetrius sagt, desgleichen seine beiden Söhne Gryllus und Diodor, wie Dinarch in einer Schrift wider ihn meldet. Sie wurden auch die Dioskuren genannt. Als Megabyz bei Gelegenheit der feierlichen Versammlung dahin kam und das Geld mitbrachte, kaufte er ein Landgut und widmete es der Göttin. Durch dasselbe floss der Selin, der mit einem Fluss bei Ephesus den gleichen Namen führt. Hier brachte er seine Zeit mit der Jagd, mit Bewirtung seiner Freunde und mit Abfassung seiner Geschichtsbücher zu. Nach Dinarchs Bericht haben ihm die Lakedämonier auch ein Haus und Land gegeben. (53)Ja, der Spartaner Philopidas soll ihm Sklaven, die von Dardannus gefangen weggeführt worden, als ein Geschenk dahin geschickt haben, um sie nach seinem Gefallen zu gebrauchen. Man sagt aber auch, dass die Eleer, als sie wider Skillus anzogen und die Lakedämonier nicht bald genug ankamen, das Landgut zerstört hätten.
9.Von diesem wären Xenophons Söhne mit wenigen Leuten ihres Hauses nach Lepreum entronnen, er selbst sei erst nach Elis, alsdann nach Lepreum zu den Söhnen und von da mit ihnen nach Korinth glücklich entkommen und habe sich daselbst wohnhaft niedergelassen.
10.Als um diese Zeit die Athener den Schluss fassten, den Lakedämoniern Hilfe zu leisten, schickte er die Söhne nach Athen, um für die Lakedämonier mit zu fechten. (54)Sie waren ja zu Sparta erzogen worden, wie Diokles in den Leben der Philosophen sagt. Was den Diodor anbelangt, so ist er, ohne etwas Ruhmwürdiges verrichtet zu haben, aus der Schlacht unverletzt zurückgekommen und hat einen Sohn gehabt, der mit seinem Bruder einen Namen führte. Gryllus hingegen stand bei der Reiterei (es war das Treffen bei Mantinea), focht mit großer Tapferkeit und blieb auf dem Platz, wie Ephor im 25. Buch berichtet, da Kesisodor die Reiterei und Agesilaus die ganze Armee anführte. In diesem Treffen blieb auch Epaminondas. Man sagt, Xenophon habe eben mit einem Kranz auf dem Haupt geopfert, als ihm der Tod seines Sohns berichtet worden und daher den Kranz abgenommen; denselben aber wieder aufgesetzt, da er versichert worden, dass er heldenmäßig gestorben sei. (55)Einige fügen hinzu, er habe auch nicht geweint, sondern gesagt: ich wusste ja, dass ich einen Sterblichen gezeugt hatte. Wie Aristotel meldet, haben überaus viele dem Gryllus teils aus Hochachtung gegen ihn, teils auch dem Vater zu Gefallen, Lob und Grabschriften aufgesetzt. Ja, Hermipp sagt im Buch von Theophrast, dass auch Sokrates auf Gryllus eine Lobrede geschrieben. Timon aber bespöttelt ihn in folgenden:
Schwächliche Zweiheit der Reden und Dreiheit, ja weiter und weiter,
so wie Xenophon schrieb, und Äschines selbst, der geübte.
11.So hat Xenophon sein Leben geführt. Er blühte ums 4. Jahr der 94. Olympiade und zog, als Xenänet Archon war, ein Jahr vor Sokrates Tode, mit Kyrus zu Felde. (56)Im 1. Jahr der 105. Olympiade, als Kallidemides Archon war, unter welchem auch Philipp, Amyntas’ Sohn, die Regierung über Makedonien antrat, hat er, wie der Athener Stesiklides in dem Verzeichnis der Archonten und olympischen Sieger meldet, sein Leben in einem sehr hohen Alter zu Korinth beschlossen, welches auch der Magnesier Demetrius bezeugt.
12.Er war ein rechtschaffener Mann, ein Liebhaber der Pferde und der Jagd und in der Kriegskunst sehr erfahren, wie aus seinen Schriften am Tage liegt. Er verehrte die Götter, opferte gern und wusste von den Opfern wohl zu urteilen. Sokrates’ Beispiel befolgte er eifrig.
13.Er hat an vierzig Bücher geschrieben, die einige auf diese, andere auf andere Weise abteilen. (57)Den Feldzug des Kyrus, wo er jedem Buch einen Eingang vorgesetzt hat, nicht aber dem Ganzen; die Kyropädie, die griechische Geschichte, die sokratischen Denkwürdigkeiten, das Gastmahl der Philosophen, das Haushaltungsbuch, ein Buch von der Pferdezucht, von der Jagd, von der Anführung der Reiterei, die Schutzschrift für Sokrates, von den Einkünften, den Hieron oder das Königsbuch, den Agesilaus und die Staatsverfassung der Athener und Lakedämonier, welche der Magnesier Demetrius aber für keine Schrift Xenophons halten will. Man sagt, er habe die verborgen liegenden Bücher des Thukydides wohl heimlich entwenden können, habe sie aber zu dessen Ruhm ans Licht gebracht.
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