»Ach, sehen Sie einmal an!« Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn von unten herauf an. »Ich muß mir doch auch etwas auf die Seite legen, seien Sie doch vernünftig, Mann! Ich habe zur Zeit kein Geld, man könnte keine zwei Dollar aus mir herauspressen. Wenn Dan nun keinen Erfolg hat, wo soll ich denn mein Reisegeld herbekommen? Seien Sie doch vernünftig, mein Liebling!«
»Sie haben Miss Ford hintergangen!«
»Aber nun schlägt es dreizehn! Heiliger Michael! Haben Sie sie vielleicht nicht hintergangen? Sie sind ein dummer Esel, daß Sie dieses hübsche Mädel gar nicht verdienen. Glauben Sie nur nicht, daß ich sie verachte, weil man leicht mit ihr fertig werden kann! Diana ist wirklich gut. Sie haben mich belogen, als Sie sagten, Sie seien verheiratet. Vielleicht sind Sie tatsächlich verheiratet, aber nicht mit Diana! Die ist viel zu vernünftig, um einen solchen Einfaltspinsel zu nehmen!«
Er ging in der Küche wütend auf und ab, sprach zu sich selbst, dann blieb er plötzlich vor ihr stehen.
»Sie haben mich der schändlichsten Gemeinheiten angeklagt, Sie haben mir meinen guten Ruf genommen – in ihren Augen bin ich jetzt der Doppelgänger!«
Heloise steckte sich wieder eine Zigarette an, setzte sich auf die Tischkante und baumelte mit den Beinen.
»Na, mein Junge, Sie haben aber wenig Sinn für Humor!« sagte sie vergnügt. »Diana kann sich gut kleiden – Donnerwetter, das Kleid, das sie heute nachmittag trug, war fabelhaft, dagegen sehe ich alt aus.«
Er beruhigte sich etwas, sah die Nutzlosigkeit ein, mit ihr zu streiten. »Ich werde noch in einem Irrenhaus enden! Aber ebenso sicher wird der Doppelgänger ins Zuchthaus kommen!«
»Kümmern Sie sich bloß nicht um anderer Leute Angelegenheiten! Dieses kleine Spiel hier geht sehr bald seinem Ende zu. Ich habe meine Aufgabe glänzend gelöst. In einigen Wochen kommt mein John nach Hause, und mit dem Doppelgänger werde ich auch noch fertig werden.«
»Meinen Sie, daß er doch noch kommt? Werden wir ihn sehen?« fragte Gordon gespannt.
»Wir werden uns sehen, und er wird fortgehen«, erwiderte sie geheimnisvoll. »Und er muß diesmal ehrlich mit mir teilen. Wenn er glaubt, daß ich mich diesmal mit zwanzig zu achtzig zufriedengebe, täuscht er sich. Ich kenne es von Hause aus nicht anders, als daß fünfzig zu fünfzig geteilt wird.«
»Jetzt warne ich Sie aber. Die Sache ist schon zu weit gediehen«, sagte Gordon nachdrücklich. »Im Geldschrank sind fünfzigtausend Dollar eingeschlossen, und deswegen wird er wohl hierherkommen wollen. Aber woher er das wissen konnte –«
»Fünfzigtausend?« fragte sie atemlos. »Das erklärt alles. Sie haben mir in vertraulichen Gesprächen einmal gesagt, daß Sie höchstens tausend Pfund zu Hause hätten, aber nicht –«
»Das Geld ist auch nur ausnahmsweise hier, um einen Amerikaner auszuzahlen«, erwiderte er ungeduldig. »Außerdem habe ich gar keinen Grund, Ihnen zu erklären, warum ich Geld in meinem Hause habe. Es liegt in meinem Geldschrank – das genügt doch!« Heloise war nachdenklich geworden.
»Er wußte es also – dieser gemeine Mensch, dieser Heuchler! Kann man da nicht alle Lust verlieren? Fünfzigtausend Dollar! Und das wollte er alles so mir nichts, dir nichts allein schlucken?«
Sie schien Gordons Gegenwart vergessen zu haben. Die Ungeheuerlichkeit dieses Verrats war zu groß.
»Deshalb wollte er also allein arbeiten! ›Gehe nach Ostende‹, sagte er, ›und überlasse mir das übrige.‹ Und das waren fünfzigtausend Dollar. Mir erzählte er, daß er tausend Pfund hier zu finden hoffte! Eine solche Gemeinheit ist doch noch nie in unseren Kreisen vorgekommen.«
»Was Sie da alles erzählen, interessiert mich nicht im mindesten«, sagte Gordon mürrisch.
»Aber er wird diesmal anständig mit mir teilen«, fuhr Heloise grimmig fort. »Er wird sich ordentlich benehmen, selbst wenn es ihm schwerfällt. Ja, mein Herr, zwischen Dan und Heloise Chowster muß es anständig zugehen! Dieser schamlose Mensch, dieser verdammte Affenpinscher!«
Die Hinterlist dieses Mannes änderte plötzlich ihre ganze Lebensanschauung. All ihre Ideale wankten.
»Es wird überhaupt nichts geteilt hier, verstehen Sie?! Ich werde mich doch nicht ausplündern lassen – denken Sie denn, ich bin ein Narr?«
Sie sah ihn an, als ob sie in seinem Gesicht das Gegenteil lesen wollte. Aber plötzlich änderte sich ihr ganzes Wesen wieder, als sie Dianas Schritte auf der Treppe hörte.
»Ich bitte dich um nichts mehr, Dan, du bist ja doch hart wie Stein. Ich wünsche dir alles Gute. Willst du mir nicht noch ein letztes Mal deine Hand geben?«
Gordon starrte sie entsetzt an, dann fielen seine Blicke auf Diana, und er verstand.
»Wir wollen doch nicht so voneinander scheiden, Dan! Ich verzeihe dir alles, was du mir angetan hast. Lebe wohl!«
Sie streckte zaghaft die Hand aus. Gordon hätte sie am liebsten links und rechts geohrfeigt.
»Guten Abend!«
»Sie niederträchtiger Halunke, wollen Sie ihr wohl sofort die Hand geben?« fuhr ihn Diana an.
Er gehorchte widerwillig. »All right – Guten Abend!«
Diana wußte zwar, daß Verbrecher abgestumpft und gefühllos waren, aber wie gemein und brutal sie sein konnten, hatte sie sich nie träumen lassen.
»Kommen Sie mit mir, meine Liebe. Sie sollen ihn nicht wiedersehen.«
»Danke vielmals«, sagte Gordon. »Das sind die ersten angenehmen Worte, die ich von Ihnen höre.«
Diana behandelte ihn mit der Verachtung, die er ihrer Meinung nach verdiente.
»Miss Ford, darf ich Sie um etwas bitten?« Heloise sah nachdenklich auf ihre Wohltäterin.
»Aber sicherlich.«
»Diese Kleider passen nicht recht zu meiner Gemütsverfassung. Sie denken natürlich, ich sei verrückt. Aber Kleider bedeuten sehr viel, selbst für eine Frau meiner Art. Und sie sind etwas zu bunt und schreiend für ein Mädchen mit gebrochenem Herzen. Wenn Sie ein etwas ruhigeres und ernsteres Kleid hätten, das mehr zu meiner Trauer paßte …«
Diana lächelte. Wie gut sie das verstehen konnte!
»Ich kann Ihnen das sehr gut nachfühlen. Kommen Sie in mein Zimmer, Heloise. Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Ich werde Superbus schicken, damit er auf diesen Mann hier aufpaßt!«
Inhaltsverzeichnis
Gordon lag in seinem Bett und lauschte. Eine Kirchturmuhr schlug eins. Vor einer Stunde hatte er gehört, wie Bobby draußen gute Nacht sagte, und er hatte ebenfalls mit gute Nacht geantwortet.
»Ich spreche nicht mit Ihnen«, rief Bobby unwirsch.
Er war den ganzen Abend fort gewesen, um den Polizeiinspektor Carslake zu sprechen, aber seine Bemühungen waren nicht sehr erfolgreich gewesen. Bobby machte seine Tür zu, auch Diana verschloß ihr Zimmer. Dempsi ging daran vorbei und hielt noch lange Monologe vor dem versperrten Portal ihres Gemaches. Von unten drang das Schnarchen von Julius Superbus herauf.
Alle Ausgänge aus dem Hause waren gesichert – mit Ausnahme eines einzigen, der kleinen Öffnung in dem großen Glasfenster des Studierzimmers. Gordon hatte sich vorher genau informiert, denn Diana konnte ja so vorsichtig gewesen sein, es zuzuschrauben. Aber sie hatte es anscheinend vergessen, oder sie traute Mr. Superbus, der im Studierzimmer auf dem Sofa schlief. Gordon war schon zweimal auf Zehenspitzen zu seiner Tür geschlichen und hatte die Klinke niedergedrückt. Er war in dieser Nacht nicht eingeschlossen worden. Da Bobby im Hause war, hatte Diana ihre Wachsamkeit verringert.
Es schlug halb zwei, Gordon verließ das Bett und kleidete sich an. Er hatte keinen Pfennig Geld bei sich, aber das Personal in den Hotels kannte ihn ja, und er konnte auf das Hotelpapier einen Scheck schreiben, dann hatte er so viel Geld, wie er nur brauchte. Dann wollte er aber hierher zurückkehren und sich Mr. Dempsi einmal vornehmen. Er hatte sich noch nicht entschieden, welchen Tod dieser Halunke sterben sollte, aber sicher würde ihm ein qualvolles Ende bevorstehen. Er dachte an Heloise … er hoffte für sie nur, daß sie inzwischen verschwunden war.
Читать дальше