»Aber warum denn?« fragte Heloise und lachte Diana unverschämt an. »Hat denn ein Verbrecher nicht auch das Recht auf ein bißchen Liebe? Ich will ja gern zugeben, daß Onkel Artur nicht so hübsch und süß ist wie Ihr lieber Wopsy, aber er ist in Tante Lizzies Augen wirklich ein netter Junge.«
Gordon wäre dazwischengefahren, wenn er nicht vollständig gebrochen gewesen wäre. Er ging in die Aufwaschküche und ließ seinen schmerzenden Kopf auf die Messerputzmaschine sinken.
Diana fühlte, daß es absurd war, sich einer solchen Frau gegenüber zu antworten. Aber sie tat es dennoch.
»Mr. Dempsi ist – ein lieber Freund von mir. Wie können Sie ihn mit Ihrem Komplicen vergleichen?« Es war ihr elend zumute, denn sie erkannte plötzlich bestürzt, daß der Doppelgänger entschieden der Begehrenswertere von beiden Männern war. Heloise hatte sie gespannt beobachtet.
»Ach, die letzten Ereignisse haben mir einen Stoß versetzt. Es ist wirklich keine Beschäftigung für mich«, seufzte Heloise.
Ihre Worte machten Eindruck. Dianas Gesicht hellte sich auf und nahm einen freundlichen Ausdruck an.
»Es tut mir manchmal wirklich leid um Sie.«
Heloise senkte den Kopf.
»Ich bin fast immer traurig. Wenn Sie wüßten – es ist ein Höllenleben«, sagte sie bitter.
Diana fühlte Mitleid mit ihr. Die Verlassenheit und das tragische Geschick dieser Frau riefen nach Hilfe.
»Daran hätte ich eben denken sollen«, sagte Diana gütig. »Es tut mir leid, daß ich eben so hart zu Ihnen war.«
Der größte Stratege zeichnet sich dadurch aus, daß er den Augenblick erkennt, in dem der Feind zu schwanken beginnt. Heloise brachte jetzt ihr schweres Geschütz in Front.
»Ich war gut, bevor ich ihm begegnete!« Sie schluchzte unterdrückt.
Gordon hörte zu seinem Entsetzen diese Worte und kam eilig in die Küche zurück.
»Diese Heuchelei –«
»Seien Sie sofort ruhig!«
Der Mut verließ ihn wieder, als Diana ihn zornig anblitzte.
»Er hat mich erst schlecht gemacht, er hat mich in den Abgrund gezogen –«
Heloise kämpfte um ihre Sicherheit und Freiheit. Sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin.
Dianas Stimme zitterte, als sie sich an den bestürzten Mann wandte.
»Sie gemeiner, brutaler Mensch! Daß es überhaupt möglich ist, solch einen Verbrecher auf die Menschheit loszulassen! Ich habe das schon geahnt. Sie sind ein Tiger, ein Vampir in Menschengestalt! Warum verlassen Sie ihn denn nicht, Heloise?« fragte sie liebevoll.
Heloise wischte sich die Augen und schluchzte.
»Er hat mich vollständig in der Hand. Diese Männer lassen eine Frau nicht wieder los. Ich bin ihm verfallen bis zum Ende!«
Gordon sprang auf. Sie wich angstvoll vor ihm zurück.
»Lassen Sie nicht zu, daß er mich anrührt!« rief sie erschrocken.
In der nächsten Sekunde hatte Diana den Arm um sie gelegt.
»Zurück!« donnerte sie Gordon an. »Schlägt er Sie auch?«
Heloise nickte mit jener zögernden Schüchternheit, die so überzeugend wirkt.
»Ich bin manchmal am ganzen Körper schwarz und braun und blau«, weinte sie. »Er wird mich sicher deshalb wieder furchtbar schlagen. Aber kümmern Sie sich nicht um mich, Miss Ford, ich bin es nicht wert. Ich muß bei ihm bleiben bis zum bitteren Ende – der Himmel mag mir helfen!«
»Sie gemeiner Schuft!«
Heloise weinte. Gordon war so entsetzt, daß er auch hätte weinen mögen.
»Warum können Sie ihn denn nicht verlassen? Sind Sie mit ihm verheiratet?«
Heloise hatte sich wieder etwas beruhigt. Sie lächelte jetzt unendlich traurig, und ihre müden, abgespannten Gesichtszüge schienen eine Geschichte von maßloser Qual und Erniedrigung zu erzählen.
»Diese Art Männer heiraten nicht«, sagte sie leise.
Diana schaute Gordon mit Basiliskenaugen an.
»Aber er wird Sie jetzt heiraten«, erwiderte Diana.
Heloise warf sich Gordon zu Füßen. Er machte nicht einmal den Versuch, seine Hand fortzuziehen, als sie sie umklammerte. Dieser entsetzliche Traum mußte doch einmal zu Ende sein! So ungeheuerliche Dinge konnten sich doch in einer wohlgeordneten Welt nicht zutragen! Er brauchte sich ja nur ruhig zu verhalten – gleich würde ihn Trenters Stimme wecken: »Es ist acht Uhr, mein Herr. Ich fürchte, es regnet heute.« Trenter entschuldigte sich immer wegen des schlechten Wetters. Und dann würde er die Augen öffnen …
Aber Heloisens seufzende Stimme weckte ihn.
»Du hast gehört, was die liebe junge Dame eben gesagt hat – heirate mich, Dan! Ach bitte, heirate mich!«
Gordon lächelte wie ein Narr. Diana hielt das für ein höhnisches, sarkastisches Grinsen.
»Mach mich doch wieder so gut, wie ich war, als du mich von Connecticut fortlocktest«, bat Heloise.
Sie hatte zum Schluß nur noch ganz leise gesprochen, und nun erstickten ihre Worte in einem Schluchzen. Für einen Augenblick erlangte Gordon seine Selbstbeherrschung wieder.
»Was soll denn dieses ganze Geplärr bedeuten?« fuhr er sie an und versuchte, seine Hand frei zu machen.
»Mann!« rief Diana wütend. »Sehen Sie sich jetzt vor!«
»Ich sage Ihnen –«
»Sie werden das Mädchen heiraten!«
»Ich – ich kann nicht – und ich will auch nicht! Schert euch doch alle zum Teufel!«
Heloise brach unter diesem Schicksalsschlag vollkommen zusammen.
»Aber du hast es mir doch versprochen – denke doch an deine heiligen Eide! Du wirst dich doch noch an dein Wort halten! Sage doch, daß es nicht wahr ist, Dan!«
Diana empfand das tiefe Leid dieser Frau.
»Du meinst es doch nicht so, Dan – du hast doch eben nur einen Scherz gemacht!«
Gordon zeigte seine Zähne und schnitt eine Grimasse.
»Oh, ich sehe, du lächelst wieder – du siehst mich wieder gütig an! Wir werden in Zukunft dieses elende Handwerk lassen – diese liebe junge Dame hat recht. Wir wollen ein anderes Leben beginnen. Nicht wahr, Dan, du versprichst es mir? Ich werde dann wieder deine liebe, kleine Frau sein, die auf der Veranda sitzt, während du die Hühner im Garten fütterst!«
»Das verdammte Hühnerfutter!« rief Gordon außer sich vor Wut. »Ich wünsche Sie und Ihre ganze Veranda zum Kuckuck! Heiraten soll ich Sie auch noch? Diana, kannst du denn dieses ganze Theater nicht durchschauen? Sie spielt dir etwas vor! Zwischen uns besteht keine Beziehung!«
»Er verhöhnt mich auch noch!« stöhnte Heloise und warf sich auf den Boden. Diana war sofort an ihrer Seite und hob sie wieder auf.
»Kommen Sie mit mir, mein Liebling, alle Bitten an diesen steinharten Wüstling sind doch nur umsonst und verschwendet und Sie können obendrein noch lachen!«
»Ich lache nicht«, sagte Gordon beleidigt. »Was zum Teufel sollte ich denn über diese Gemeinheit auch noch lachen! Wenn es überhaupt etwas zu lachen gäbe, dann könnte man über Sie lachen, die sich von einer solchen Gaunerin hereinlegen läßt!«
Diana sah ihn verächtlich an und wandte sich dann ganz dem Mädchen zu.
»Wenn ich Ihnen nun das Geld zur Rückreise schenkte, würden Sie dann nach Hause fahren?«
Heloise nickte schwach.
»Ich werde es Ihnen morgen geben. Kommen Sie jetzt.«
Heloise befreite sich sanft aus ihren Armen.
»Nein – ich will hierbleiben«, sagte sie ganz gebrochen. »Ich muß Dan etwas sagen – etwas, das keine andere Frau hören soll.«
Diana wurde bleich.
»Oh, ich verstehe«, sagte sie freundlich und ging hinaus.
Heloise wartete, schlich sich zur Tür, lauschte eine Weile, dann drehte sie sich plötzlich in ausgelassenster Freude um.
»Holla!« sie tanzte wild in der Küche umher. »Mein Junge, das ist eine Frau! Heloise, dein Gehalt ist erhöht, wie stehst du nun da?«
»Sie – Sie verruchtes Frauenzimmer!« rief Gordon atemlos. »Wie dürfen Sie – das ist doch die äußerste Schamlosigkeit!«
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