Florian Giese / Alexander Schug
13. August 1961
Wie die Berliner Mauer entstand und was von ihr blieb
Mit zahlreichen historischen Fotografien
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
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ISBN: 978-3-86408-017-3 (epub) / 978-3-86408-018-0 (pdf)
Lektorat: Dr. Christian Jerger
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Über die Autoren:
Florian Giese, 1970 in Berlin geboren, hat Geschichte und Politikwissenschaft studiert und war Wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten und Referent beim Beauftragten der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Neuen Bundesländer. Er befasst sich mit Themen der deutschen Zeitgeschichte, zahlreiche Publikationen zur Geschichte des geteilten Deutschlands und der Stadt Berlin.
Alexander Schug, Jg. 1973, studierte Neuere und Neueste Geschichte in Dresden, London und Berlin, 2007 Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin, zahlreiche Publikationen zur politischen Kulturgeschichte, Verleger.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
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Einleitung: Die Berliner Mauer 1961-1989
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ – wie die Mauer das Leben in Berlin veränderte
Mauer und Erinnerungskultur
Anhang
Einleitung: Die Berliner Mauer 1961-1989
von Alexander Schug
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland von den Alliierten in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren aufgeteilt. Im Zuge der Konfrontation des ‚Kalten Krieges’ zwischen den westlichen Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite standen sich zwei unterschiedliche politische Systeme auf deutschem Boden gegenüber. 1949 kam es zur Gründung der beiden deutschen Staaten: Die Bundesrepublik Deutschland entstand als eine westlich repräsentative Demokratie mit Mehrparteiensystem, freien Wahlen und Gewaltenteilung. Dem stand das Prinzip der Einheitsfront mit Blockparteien unter Führung der SED in der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber.
Während die Bundesrepublik mit Unterstützung ihrer westlichen Verbündeten und auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, der bis heute als ‚Wirtschaftswunder’ verklärt wird, erlebten viele in der DDR die Folgen massiver Reparationen und die Demontage wichtiger Industrieanlagen durch die sowjetische Besatzungsmacht. Infolge von Missständen in der sozialistischen Planwirtschaft klaffte die wirtschaftliche und soziale Entwicklung beider Staaten seit den 1960er Jahren immer weiter auseinander, auch wenn die DDR zeitweilig zu den zehn größten Industriestaaten der Welt gezählt wurde. Deshalb, aber auch insbesondere aus politischen und familiären Gründen, flüchteten viele Menschen in die Bundesrepublik. Allein zwischen 1945 und 1961 waren es rund dreieinhalb Millionen.
Um diese Fluchtbewegung gen Westen zu stoppen, wurde bereits am 26. Mai 1952 die Grenze zur Bundesrepublik mit Stacheldraht abgeriegelt. In Berlin blieben jedoch zahlreiche Sektorenübergänge offen, weshalb sich die ‚Abwanderung’ hier fortsetzte. Die SED-Führung sah sich daher zu einer Verschärfung der Strafgesetze veranlasst: Seit Dezember 1957 galt das Verlassen der DDR als ‚Republikflucht’, und bereits bei Vorbereitung und Versuch drohte Gefängnis. 1961 stimmte der sowjetische Partei- und Staatsführer Nikita Chruschtschow schließlich einer Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin zu. Im Juli begannen die geheimen Vorbereitungen zur Grenzschließung, die dann in der Nacht vom 12. auf den 13. August erfolgte. 1
Übersichtskarte zur Teilung Berlins (Quelle: Incnis Mrsi, based on Sansculotte’s work)
Die Berliner Mauer wurde zum Symbol des ‚Kalten Krieges’ und hatte 28 Jahre Bestand. Erst der Amtsantritt Michail Gorbatschows in der Sowjetunion führte mit ‚Glasnost’ (Offenheit) und ‚Perestroika’ (Umgestaltung) zu grundlegenden politischen Veränderungen, von denen auch die DDR nicht unberührt bleiben sollte, auch wenn sich die SED-Führung dem zunächst entschieden widersetzte. Die Ostblockstaaten erhielten unter der neuen sowjetischen Führung mehr Freiheiten und mussten bei politischen Reformen nicht mehr sofort die militärische Intervention der Sowjetunion fürchten. Die ungarische und die polnische Regierung nutzten diese Chance – anders als die DDR. 2Heute wird die besondere Rolle der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność in den 1980er Jahren sowie die Vorreiterrolle Ungarns bei der Öffnung des ‚Eisernen Vorhangs’ 1989 allgemein anerkannt und gewürdigt. Zwar fand auch in der DDR ein Wandel statt, jedoch nicht in der überalterten Staatsführung, sondern in Folge einer friedlichen Revolution, ausgelöst durch oppositionelle Gruppen innerhalb der Bevölkerung. Bereits seit den 1980er Jahren bildeten sich – vor allem im kirchlichen Milieu – informelle oppositionelle Gruppen, die für Menschenrechte und Pluralismus eintraten. Sie wurden zur Keimzelle der friedlichen Revolution in der DDR und fanden 1989 den lange erhofften Zulauf aus der Bevölkerung. 3
Aufbau und Ausbau der Grenzanlagen
Volkspolizisten hinter der Mauer am Potsdamer Platz. 18.8.1961 (Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)
Die Berliner Mauer war kein statisches Gebilde, das einmal errichtet fast 30 Jahre unverändert geblieben ist. Sie wurde vielmehr laufend verändert und perfektioniert. Die Mauer war auch nicht einfach eine Betonwand, wie sie vom Westen her wahrgenommen wurde, sondern setzte sich aus verschiedenen Sperranlagen zusammen. 4
Der Ausbau der Grenzanlagen vollzog sich in mehreren Phasen. Zunächst wurde West-Berlin in den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 mit Stacheldraht und provisorischen Sperren abgeriegelt. In der Folgezeit entstand an deren Stelle eine Mauer aus großen Blockelementen und mehreren Lagen kleinerer Hohlblocksteine, die mit einem Stacheldraht abschloss. Mitte der 1960er Jahre wurde diese Grenzanlage durch eine Mauer aus schmalen Betonplatten ersetzt, auf der ein Abwasserrohr aus Beton angebracht war, um das Übersteigen der Mauer zu verhindern. Mitte der 1970er Jahre löste diese wiederum die so genannte ‚Grenzmauer 75’ ab, die deutlich widerstandsfähiger und von Fahrzeugen nicht zu durchbrechen war. Sie bot außerdem ein glattes, ‚sauberes’ Erscheinungsbild in Richtung West-Berlin, wie Axel Klausmeier und Leo Schmidt in ihrer Dokumentation der Berliner Mauer schreiben, „weil den Machthabern der DDR seit den siebziger Jahren immer mehr daran gelegen war, die Außenwirkung ihres Staates nicht durch die offensichtliche Brutalität der Grenzanlagen zu beeinträchtigen.“ 5
Die eigentliche Mauer stellte das ‚Vordere Sperrelement’ der Grenzanlagen dar, das Ost-Berlin von der vermeintlich ‚feindwärtigen’ Seite, also den Westsektoren trennte. Tatsächlich waren die Sicherungsanlagen allerdings auf die ‚freundwärtige’ Seite, also auf das eigene Territorium ausgerichtet, sollten sie doch Menschen an der ‚Republikflucht’ hindern. In Richtung Osten wurde die Vorderlandmauer daher durch ein gestaffeltes System von Sperrelementen ergänzt, die Fluchtwillige daran hindern sollten, auch nur in die Nähe der Vorderlandmauer zu gelangen.
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