er verbindet mich mit den Menschen und Geschöpfen;
gleichzeitig bewahrt er mich vor Verschmelzung
und vor der Vergötzung des Vergänglichen,
die im Tod endet.
Der Ort für das Alleinsein (mit sich und mit Gott)
ist die „Wüste“.
„Wüste“ hat als Symbol doppelte Bedeutung:
Sie ist zunächst lebensfeindlich;
Ort der Dämonen, der bösen Mächte.
Zur Wüste gehört aber immer auch die Oase,
wie der Stern zur Nacht.
Oase ist der Ort des Lebens und der Gotteserfahrung.
Wir leben von unseren Oasen!
Wer leben will,
darf die Wüste nicht scheuen.
Wüstentage werden Oasentage!
Exerzitien und Besinnungstage
führen zu Einsicht und Klarheit;
sie ermöglichen Entscheidungen
und bewirken Entschiedenheit.
Jesus muß sich wie jeder Mensch damit
auseinandersetzen,
nach welchem Prinzip er leben will.
Das Evangelium zeigt heute
drei unvereinbare Prinzipien:
Konsum (Steine zu Brot machen,
d.h. Herrschaft der Triebe) oder Herrschaft über die Triebe; Gewalt oder dienende Liebe; Gängelung durch Sensation oder liebende Werbung. Alle drei in einem Wort: Gott oder Mammon.
Herr, gib mir Mut zur Einsamkeit und zur Enthaltsamkeit, damit wir uns gegenseitig finden.
Zweiter Fastensonntag (Lk 9,28b-36)
Während er betete, veränderte sich
das Aussehen seines Gesichtes.
Im betenden Menschen
wird das Göttliche sichtbar.
Wenn ich im Gebet
„mein Herz zu Gott erhebe“
mit allen Beschädigungen und „Infarkten“,
bekomme ich ein „neues Herz“,
ein neues Lebensprinzip.
Das „neue Herz“ verändert mich
und durchpulst mein ganzes Verhalten
bis hin zu meiner körperlichen Ausdrucksgestaltung.
Der Mensch,
der auf das Prinzip Liebe eingestellt ist,
denkt, fühlt und handelt anders
als der egoistisch „betriebene“ Mensch.
Der Betende ist zugleich der Liebende;
er hat ein anderes Aussehen,
ein anderes Ansehen,
Tonfall der Stimme …
Alles ist anders als beim „normalen Egoisten“.
Wir alle sind in der Regel „normale Egoisten“,
aber im Gebet hätten wir die Möglichkeit,
immer wieder in lichte Augenblicke einzutreten,
die allmählich – wenn auch nur ein wenig –
unser Leben verändern
und auf Gott hin durchsichtig machen.
Ein betender Mensch
verändert nicht nur sich selbst;
er verändert auch seine Umgebung.
Ein betender Mensch ist eine Herausforderung:
Die einen werden aggressiv und noch „verstockter“;
die anderen fühlen sich innerlich angerührt
bis hin zur Begeisterung.
Bei diesen Veränderungen
geht es immer um Veränderungen
im inneren Bereich
oder aus dem inneren Bereich des Menschen.
Den Hinweis des Evangelisten,
„Sie waren eingeschlafen,
wurden jedoch wach“,
kann man auch als mystisches Geschehen deuten:
Sie gerieten in Trance
und wurden fähig zu Visionen,
zur mystischen Schau
(„myein“ heißt: die Augen schließen!) . Beim Schlafen (Meditieren) wird die äußere Wahrnehmung ausgeschaltet; dadurch kann die innere Wahrnehmung „wach“ werden. (So sind auch die Träume Wahrnehmung des Unbewußten.)
Der Mystiker durchblickt auch die Bilder
von der „Wolke“, vom „Schatten“
und von der Stimme aus der Wolke.
Nur für Augenblicke gibt die Wolke
den Blick frei;
dann stehen wir wieder im Schatten Gottes.
Wolke ist Symbol für Verhüllung
und Enthüllung.
Wenn wir in der Wolke (im Nebel) sind, wenn wir Irdischen Gott ganz nahe sind, sehen wir ihn paradoxerweise überhaupt nicht. Ein Sprichwort besagt diese Erfahrung: „Wenn die Not am größten ist, ist Gott am nächsten“. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang das Gesprächsthema der Lichtgestalten: das Ende Jesu in Jerusalem.
Herr, laß mich an deine Nähe glauben, auch wenn ich sie nicht sehen kann.
Dritter Fastensonntag (Lk 13,1-9)
„Ihr werdet genauso umkommen,
wenn ihr euch nicht bekehrt.“
Was war geschehen?
Ein Massaker und ein Unfall,
bei dem „unschuldige“ Menschen ums Leben kamen.
Damals wie heute
verbinden die Menschen
derartige Vorfälle mit der doppelten Gottesfrage:
Was müssen diese Menschen verbrochen haben,
daß sie so bestraft werden?
Kann es einen gütigen Gott geben,
wenn er so etwas zuläßt?
Jesus reagiert gereizt:
„Ihr alle werdet genauso umkommen …“
Das heißt: Ihr mit eurem „unschuldigen“ Menschenbild
und mit eurem menschengemachten Gottesbild
vom strafenden Vergeltungsgott habt noch gar nichts verstanden –
weder von Gott noch vom Menschen.
Auch der bravste Mensch hat kein Anrecht darauf,
daß ihm nichts passiert,
und daß Gott die von ihm
oder nicht von ihm verursachten Unfälle
verhindern muß.
Gott straft nicht.
Die Strafe und das Bestrafungsbedürfnis
entspringen in der Schuld selbst.
Schuld ist die „Sollspannung“
zwischen dem Sein-Sollenden
und dem Nicht-Sein-Sollenden.
In dieser Spannung entsteht sowohl
das Bedürfnis nach Vergeltung und Strafe
als auch jede Art von „krimineller Energie“.
Beides sind wie die zwei Seiten einer Münze.
Strafe entsteht also in der Schuld.
Nur Menschen können schuldig sein;
also „müssen“ nur Menschen strafen, aber nicht Gott.
Im Grunde bestrafen sich die Menschen immer selbst:
entweder gegenseitig oder einseitig: jeder sich selbst.
Beides kannst du nicht voneinander trennen,
oft nicht einmal unterscheiden.
Gott straft nicht – ganz im Gegenteil:
Er wollte uns aus unserer
aus der Schuld stammenden Strafpraxis erlösen
durch die Ausgießung seines Erbarmens.
So lange aber unser Erlösungsprozeß noch läuft,
brauchen wir Justiz und Strafvollzug,
um hier auf Erden zu überleben.
Hier ist Strafe das kleinere Übel;
das größere wäre Ausrottung und Selbstvernichtung.
Ich kann rein subjektiv etwas als „Strafe Gottes“ verstehen, wenn ich z.B. als Betrunkener einen Unfall verursache. Objektiv ist der Unfall die Folge vom Alkoholgenuß, die Gott nicht verhindert, aber auch nicht verhindern „muß“, weil er letztlich alles, auch meine Schuld, im Griff hat.
Auch für die Leidfrage gilt:
Gott greift nie direkt ein,
weil er letztlich alles im Griff hat
und in allem – auch im Leid – mächtig ist.
Das abschließende Gleichnis
vom unfruchtbaren Feigenbaum
zeigt die „Geduld“ Gottes.
Herr, erlöse mich von Schuld und Sünde, damit ich nicht mich selbst und andere bestrafen muß·
Vierter Fastensonntag (Lk 15,1-3.11-32)
„Dein Bruder war tot und lebt wieder“
Trau dich leben – trau dem Leben
Jeder muß sein Leben leben,
du das deine und ich das meine.
Die Freiheit, selbst zu leben,
darf ich niemand nehmen
und ich darf sie mir
von niemand nehmen lassen.
Ich muß mein Leben wagen , denn ich nehme das Risiko auf mich, daß ich vieles leidvoll lernen muß und vieles falsch mache. Durch Fehler lernt man; wer keine Fehler macht oder keine Fehler zugeben kann, lernt nichts dazu; er lernt das Leben nicht, das heißt das Selbstleben.
Der „Richtigmacher“ bleibt immer abhängig von anderen,
von dem, was die Leute sagen,
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