Jörg M. Pönnighaus
Bei abnehmendem Mond
Aufzeichnungen aus dem Lugala-Krankenhaus in Tansania
ATHENA
edition exemplum
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E-Book-Ausgabe 2014
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ISBN (Print) 978-3-89896-540-8
ISBN (ePUB) 978-3-89896-862-1
RMA:rural medical assistant. Zweijährige medizinische Ausbildung nach sieben Jahren Volksschule
CO:clinical officer. Dreijährige medizinische Ausbildung nach vier Jahren Oberschule
AMO:assistant medical officer. Zweijährige Zusatzausbildung nach CO Ausbildung
MO:medical officer. Sechsjähriges ärztliches Studium an einer Universität
NO:nursing officer. Schwester, Hebamme oder Pfleger mit (meist) zweijähriger zusätzlicher Ausbildung
TSH:tansanische Schillinge
TUGHE:Trade Union of Government and Health Services Employees, die Gewerkschaft der Regierungs- und Gesundheitswesenangestellten
Gesundheitsposten:es sollten ein clinical officer, eine Hebamme und eine Hilfsschwester dort arbeiten (Engl: dispensary)
Gesundheitszentrum:sollte so ausgestattet sein, dass Kaiserschnitte gemacht werden können (Engl: health centre)
Moses Mwemi:AMO
Ignaz Mollel:Buchhalter, Verwalter (bis Ende 2005)
Mathew Matimbwi:Ingenieur
Henry Nyangi:CO (2006 nach Ifakara zur Weiterbildung zum AMO)
Stanslaus Makassy:CO
Lusekelo Mponi:CO
Elias Lyabonga:CO
Josephat Ngumbuke:RMA (einjährige Zusatzausbildung im Zähne ziehen)
Elesia Nyemele:Krankenschwester (Oberschwester bis Ende 2006)
Mama Chogo:NO (stellvertretende, dann leitende Oberschwester)
David Tindwa:NO
Hilda Raspitsos:NO
Yusta Kidasi:NO
Daud Lothi:NO (einjährige Zusatzausbildung in Anästhesie)
Samueli:NO
Fabiola:NO
Josephat Mtandi:Pfleger (einjährige Zusatzausbildung in Anästhesie)
Lenna Matimbwi:Hebamme (einjährige Zusatzausbildung in Anästhesie, ab 2007 stellvertretende Oberschwester)
Prisca Ngozi:Hebamme (Frau von Lothi)
Mwahija:Hebamme
Betty:Hebamme
Shemdoe:Hebamme
Prisca Swale:Hebamme
Vumi(lia):Hebamme
Serapia:Hebamme (später mit Nyangi verheiratet)
Asha:Hebamme (später mit Lusekelo verheiratet)
Violet:Hebamme
Upendo:Hebamme
Boniface Kilangali:Pfleger
Bahati:Hilfsschwester
Jessica:Hilfsschwester
Edda:Hilfsschwester
Mduda:Hilfspfleger
Ndali:Hilfspfleger
Likingeme:Hilfspfleger
Mafunde:Kassierer
Sendikali:Reinemacher
Mwachiko:Laborassistent (zweijährige Ausbildung)
Emmanuel Mwamdeta:Laborassistent
Issa:Laborassistent
Doris:Mikroskopistin (einjährige Ausbildung)
Bumija:MTA (dreijährige Ausbildung)
Esekiel Kaberege:MTA (dreijährige Ausbildung)
Kuandika:Automechaniker
Makali:Fahrer
Dr. Marcel:schweizer Arzt in Ifakara, leitet dort ein HIV-Projekt
Jutta:meine Frau
Lottchen:Tochter, 2000 geboren
Klärchen:Tochter, 2002 geboren
Mbena:ein Bena
Wabena:mehrere Bena, die Bena; Ackerbauern um Lugala herum und nach Westen hin
Wandamba:ursprünglich vor allem Fischer
Wasukuma (WaSukuma):Aus dem Nordwesten von Tansania eingewandert; vor allem Viehhalter
Wamassai (Massai):Ebenfalls eingewandert, vor allem Viehhalter
Waporogoro:Wohnen von Mtimbira ostwärts
Mzungu:ein ›Weißer‹ (einer, der erstaunliche Sachen macht)
Wazungu:mehrere ›Weiße‹
[3. August 2006]
Halb vier ist keine gute Zeit. Moses ist schon lange verschwunden. Ich bin erschöpft. Nur Mwahija war noch da. Auch Tindwa und Shemdoe waren schon leise und unauffällig gegangen. Aber vielleicht weil es ein Kind war, raffte ich mich noch einmal auf. Die zwei Klötze – richtige Sukuma –, die es brachten, waren vermutlich ihre Brüder, oder ihre Halbbrüder oder vielleicht auch nur ihre Vettern. Diese Unterschiede spielen hier ja keine Rolle. Das Kind, das Mädchen, mochte so um die zehn Jahre alt sein.
Bauchschmerzen habe es.
Ich sagte, es solle sich auf die Untersuchungsliege legen.
Währenddessen sah ich mir schnell noch einen Patienten an, der mit der Frage geschickt worden war, ob vielleicht sein Finger gebrochen sei. Das war schnell gemacht unterm Bildverstärker. Der Finger war nicht gebrochen.
Zurück zu dem Mädchen.
Es lag inzwischen auf der Liege neben dem Ultraschallgerät, war aber noch nicht ausgezogen.
Es muss sich ausziehen, sagte ich zu den Klötzen.
Sie erklärten es dem Mädchen in KiSukuma.
Der Bauch von dem Mädchen war angeschwollen, die Ärmchen und die Beine waren ganz dünn.
»Seit wann ist der Bauch so angeschwollen?«
»Noch keinen Monat.«
Ich tastete den Bauch ab. Es hatte einen harten Tumor im Bauch. Der zog sich quer durch den Bauch bis in den rechten Unterbauch. Ging er von der Milz aus? War es eine riesig vergrößerte Milz? Möglich, wir hatten in den letzten zwei oder drei Monaten schon zwei solche Kinder gehabt. Nein, der Tumor schien sich von der Milz abgrenzen zu lassen. Oder doch nicht? Ich nahm den Schallkopf vom Ultraschallgerät zur Hand. Da war die Milz und in der Milz war irgendwie ein großer Rundherd – ein Abszess? – und dann war da eben der Tumor, der sich quer durch den Bauch zog. Es sah so aus, als sei es eine vergrößerte Milz, eine riesig vergrößerte Milz.
Ich bat Mwahija, mir eine Spritze zu geben. Ich wollte den Abszess (?) anpunktieren. Wenn es ein Abszess war, dann hatte ich ja immerhin so etwas wie eine Diagnose. Es konnte auch eine TB sein.
Das Mädchen hielt still.
Es hatte überhaupt noch kein einziges Wort gesagt, fiel mir auf.
Es ließ sich nichts aspirieren, jedenfalls kein Eiter.
Ich überlegte.
Die beiden Klötze mit ihren schwarzen Umhängen sahen mich erwartungsvoll an.
»Das Mädchen hat einen großen Tumor im Bauch«, sagte ich schließlich.
»Einen großen Tumor?«
»Ja, einen großen Tumor.«
»Einen großen Tumor«, nickten die beiden.
Ich sagte, dass das Mädchen wieder aufstehen und sich wieder anziehen könne.
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