In Versailles erlebte Robespierre die revolutionären Unruhen und betrachtete die Entwicklungen mit großer Freude, sah er doch bereits „[d]ie Aristokratie […] in den letzten Zügen“ und den „Hof […] in Todesangst“. Sein Vorhaben nach Freiheit und Gleichheit für das französische Volk zu kämpfen, machte Robespierre auch weiterhin in der Nationalversammlung öffentlich. Mit seinen linksradikalen Forderungen fand er sich bald auf Seiten der Jakobiner wider, einem politischen Club, der sich während der Französischen Revolution als Gegenpol zu den Girondisten etablierte. Der Jakobinerklub, dessen Präsident Robespierre 1790 wurde, war stark gefärbt vom rousseauschen Gedankengut und verfolgte eine Politik für das einfache Volk.
1792 wurde gegen den König unter Führung Robespierres Anklage wegen Hochverrats erhoben. Mit der anschließenden Hinrichtung des Monarchen, entbrannte die Zeit der Terreur, der Schreckensherrschaft, in der sowohl gegen die äußere Bedrohung des revolutionären Frankreichs als auch gegen potentielle Revolutionsfeinde gewaltsam vorgegangen wurde. Für Robespierre, der Mitglied des Nationalkonvents war, bedeutete der Terror eine Reinigung des Staates von jeglichen Gegnern, die zur Durchsetzung der republikanischen Tugenden unabdingbar war. Während der Zeit der Terreur wurde Robespierre am 27. Juli 1793 zum Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, dem Exekutivorgan des Nationalkonvents, gewählt. Er baute die Macht des Wohlfahrtsausschusses soweit aus, dass dieser bald über uneingeschränkte Vollmachten verfügte. In den folgenden Monaten wurden dadurch unzählige Menschen auf Grund ihrer konterrevolutionären Meinungen zum Tode verurteilt, um den Aufbau der „Herrschaft der Tugend“, wie es Robespierres Ziel war, voranzutreiben. Doch der Widerstand gegen den Terror spitzte sich zu. Das beständige Verlangen Robespierres, den Staat weiter zu säubern und die Schreckensherrschaft nicht zu beenden, führten dazu, dass sich der Wohlfahrtsausschuss gegen Robespierre selbst richtete. Am 27. Juli 1794 wurde der Schreckensherrscher verhaftet und einen Tag später ohne Gerichtsverhandlung, ganz nach ehemaligem Vorgehen gegen die Revolutionsfeinde, hingerichtet. Der noch heute berühmte Ausspruch seiner girondistischen Gegner symbolisiert damit auch Robespierres eigenes Ende: „Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.“
Die Rezeption Robespierres ist bis heute groß. Vor allem in der Literatur finden sich häufig Anknüpfungspunkte an sein Leben. Das Drama „Dantons Tod“ von Georg Büchner aus dem Jahr 1835 ist wohl das berühmteste Werk, das den historischen Stoff verarbeitet und Robespierre als Gegenspieler zu Danton zeigt.
Quellenteil:
Maximilien de Robespierre – „Erinnerungen“
Euch widme ich diese Schrift, ihr Manen des Bürgers von Genf, damit sie, wenn ihr das Licht der Öffentlichkeit bestimmt ist, unter dem Schutz des beredtsten und tugendhaftesten der Menschen stehe. Mehr als je bedürfen wir heute der Beredsamkeit und der Tugend. Göttlicher Mann, dir danke ich es, daß ich mich selbst erkannt habe. Daß ich in früher Jugend schon lernte, meine Menschenwürde hochzuhalten, über die großen Gesetze der sozialen Ordnung nachzudenken. Das alte Gebäude ist zerfallen. Die Pfeiler eines neuen Baus haben sich auf seinen Trümmern erhoben, und dank dir habe auch ich ihnen meinen Baustein eingefügt. Nimm meine Huldigung! So arm sie ist, darf sie dir gefallen: nie habe ich den Lebenden Weihrauch gestreut.
Ich habe dich am Ende deiner Tage gesehen, diese Erinnerung ist mir der Quell einer stolzen Freude; ich habe deine erhabenen Züge betrachtet, ich habe die Furchen des bitten Kummers gesehen, zu dem die Ungerechtigkeit der Menschen dich verdammt hat. Seitdem erkannte ich die Sorgen eines edlen Lebens, das sich dem Streben nach Wahrheit weiht. Sie haben mich nicht erschreckt. Das Bewußtsein, das Wohl seines Nächsten bezweckt zu haben, ist der Lohn des Tugendhaften; später erst folgt die Dankbarkeit der Volker, die seinem Andenken die Ehre gönnen, welche seine Zeitgenossen ihm versagt haben.
Wie du, möchte ich dieses Glück um den Preis eines mühevollen Lebens, selbst um den Preis eines frühzeitigen Todes erkaufen.
Bestimmt, mitten unter den größten Begebenheiten, welche je die Welt bewegt haben, eine Rolle zu spielen; im Begriff, die Gewitter losbrechen zu sehen, welche von allen Seiten sich zusammenballen, deren Wirkung kein menschlicher Verstand erraten kann, bin ich mir selbst, bin ich es bald auch meinen Mitbürgern schuldig, Rechenschaft von meinen Gedanken, meinen Handlungen abzulegen. Dein Beispiel ist da. ist vor meinen Augen; deine bewunderungswürdigen „Bekenntnisse“, freimütige Offenbarung der reinsten Seele, werden der Nachwelt ein Vorbild der Kunst, mehr noch ein Wunder der Tugend sein. Ich will deiner Spur folgen; sollte ich auch keinen Namen hinterlassen, nach dem künftige Jahrhunderte forschen werden; wohl mir, wenn ich in der gefährlichen Laufbahn, die eine unerhörte Umwälzung vor uns auftut, den Eingebungen treu bleibe, die ich aus deinen Schriften geschöpft habe.
Ich bin in Arras 1) geboren; meine Familie stand daselbst in einem bedeutenden Ansehen: das Glück hatte sie nicht begünstigt, nur ihren Tugenden dankte sie die Achtung, deren sie genoß. Der Ahnherr meines Vaters war ein Irländer: der Sache der Stuarts ergeben, begleitete er den letzten Sprößling dieses königlichen Hauses nach Frankreich, und ließ sich, nachdem er die Pflicht erfüllt, die ihm sein politischer und religiöser Glaube auferlegt, im Artois 2) nieder. Sein Grabmal ist noch in der Kirche von Carvin, einem Flecken bei Béthune.
Seine Kinder hatten die ehrenvolle Laufbahn der Rechte eingeschlagen; auch mein Vater war Advokat bei dem Obergericht von Artois. Seine Talente und seine Rechtlichkeit hatten ihm zahlreiche Klienten und ein unabhängiges Auskommen verschafft; seinem Glücke fehlte nichts als eine Gattin seiner Wahl, er suchte danach, nicht in den Reihen der Aristokratie, wozu seine Geburt ihn berechtigt hätte, sondern in den bescheideneren, tugendhafteren der arbeitsamen Bürger. Die Tochter eines Brauers, Marie Josephine Carreau, fesselte sein Herz; er trug ihr seine Hand an. Mein Großvater, den diese unstandesgemäße Verbindung verdroß, bemühte sich umsonst, sie zu hintertreiben. Die Liebe meines Vaters siegte über seinen Widerstand; die Tugend seiner jungen Gattin vollendete das Werk; bald gewann sie das Herz des Greises, der ihren Wert erkannte, seine Vorurteile vergaß, und nur noch die geliebte Tochter in ihr sah.
Ich war die erste Frucht dieser glücklichen Ehe, ein zweiter Sohn und noch zwei Töchter befestigten sie noch mehr. Ach! Wir sollten früh mit dem Unglück vertraut werden; unsre vortreffliche Mutter starb; nur ich kann von diesem traurigen Ereignis sprechen, dessen Erinnerung tief in mein Herz gegraben bleibt. Neun Jahre war ich alt, aber mein kindischer Verstand hatte bereits die ganze Liebe begriffen, die sie uns gewidmet hatte, die ihr schwaches Leben verzehrte. Ich weinte heftig; ich erriet, was der Tod sei, und war über meinen jüngern Bruder empört, der, mit aller Sorglosigkeit eines Kindes, neben dem Gemache spielte, in dem die teure Leiche ruhte.
Diesem ersten Schlage folgten andre nach; der Schmerz meines Vaters hatte keine Grenzen, seine Vernunft wurde irre, man war genötigt, ihn aus seiner Heimat zu entfernen, um seine Geisteskräfte und seine Gesundheit wiederherzustellen. Er durchreiste nach und nach Deutschland, England und Amerika, blieb einige Zeit in Köln und versuchte, als die dringenden Bitten der Familie ihn nach Arras zurückriefen, seinen alten Beruf wieder zu ergreifen; aber die traurigen Erinnerungen, welche seine Geburtsstadt in ihm erweckte, die tiefe Melancholie, welche seit seinem Wittum ihn beherrschte, machten ihm den Aufenthalt in Arras immer unerträglicher; er verließ die Stadt, um nie wieder zurückzukehren. Später erfuhr ich, daß er nach einem in Schmerz auf Reisen verbrachten Leben in München gestorben sei. —
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