Der Ausweg
von
Gundolf S. Freyermuth
FUEGO
Kein Geld, nur die große Liebe und ein Traum: Leben wie ein Rock’n’Roller.
„Der Ausweg“ erzählt von den unmoralischen Abenteuern eines bundesdeutschen Helden: Harry Mann, 38 Jahre alt und ohne Lebensunterhalt, ergreift die Gelegenheit, von der er glaubt, dass es seine letzte ist – ein Mord, zu begehen aus Liebe zu Frau und Geld.
Doch seine Tat hat unerwartete Konsequenzen: Aus dem tristen Berliner Hinterhof-Alltag wird Harry Mann in eine schöne weite Welt aus politischer Korruption, Erpressung und Attentaten katapultiert … Was in Berlin als privates Verbrechen begann, endet in Los Angeles mit einem hochpolitischen Showdown.
Von Mord zu Mord verstärkt sich dabei der Verdacht: Unter allen Beteiligten ist Harry Mann vielleicht sogar der unschuldigste.
Alle in diesem Roman genannten Personen und Ereignisse sind fiktiv. Wenn existierende Orte, eingeführte Markennamen oder bekannte Institutionen des öffentlichen Lebens wie Städte, Hotels, Personenkraftwagen oder politische Parteien erwähnt werden, so ist das notwendiger Bestandteil realistischen Erzählens und bedeutet in keiner Weise, dass die geschilderten, frei erfundenen Ereignisse sich in den genannten Städten, Hotels, Personenkraftwagen oder politischen Parteien je zugetragen hätten. Jede Übereinstimmung mit lebenden Personen oder tatsächlichen Ereignissen wäre daher rein zufällig.
Zur Erstausgabe des Romans schrieb der Spiegel unter dem Titel „Ein Killer für Hollywood“:
„Mit Der Ausweg hat der West-Berliner Literaturwissenschaftler und Reporter Gundolf S. Freyermuth sein Debüt im Thriller-Genre, dem ‚Heldenbusiness’ (Loren D. Estleman), abgeliefert. Ein fulminanter Einstieg: Freyermuths Tiefkühl-Prosa hat die Präzision (und bisweilen auch die Melancholie) von guten Rocktexten, ein Spiel aus brillanten Einsichten und Katerstimmungen, aus Verfolgungsjagden, lausigem Sex in Hollywood-Hotels und Geldpaketen in Hamburger Briefkästen, ja überhaupt Zahlungen und Tauschgeschäften aller Art, denn im kalt gekachelten Alptraum der achtziger Jahre hat alles seinen Preis: Morde, Meinungen, Körper, Liebe.“
Der Spiegel, 28/1989, 10. Juli 1989. Die komplette Rezension findet sich im Internet [ Link].
Und in einem Beitrag der Redaktion LeseZeichen des bayerischen Fernsehens hieß es:
„Der Thriller entpuppt sich als Ausweg: als Möglichkeit, einen Gesellschaftsroman zu schreiben.“
Für Angie
Vorwort zur Neuausgabe
“Wir alle suchen ständig nach einem Ausweg. Ich lebe auch lieber in der Welt von Ingmar Bergman oder Louis Armstrong. Die Realität verletzt uns am Ende immer.”
(Woody Allen, 1999)
Bücher wie Nationen und Kulturen haben ihr Schicksal. Als ich meinen Roman begann – vor einem knappen Vierteljahrhundert, in den letzten Monaten der alten Bundesrepublik –, schienen er und ich vom Glück verfolgt.
Die rund 600 000 Anschläge schrieb ich in neun spannenden Monaten der Jahre 1987/88, auf einem Mac SE und im Pendelverkehr zwischen Westberlin, wo ich einige inspirierende Semester an dem Institut lehren durfte, an dem ich in den siebziger Jahren studiert hatte, und im wundersamen Los Angeles, wohin mich der stern regelmäßig als Reporter schickte. Der Ausweg war mein zweites Buch, zudem mein erster Roman. Doch nur mit einem der elf weiteren Bücher, die ich seitdem veröffentlichte, verbinde ich so glückliche Erinnerungen. Vielleicht auch, weil die Frau, der ich das Buch am Ende widmete, immer mit dabei und voller Begeisterung war …
Literarisch fühlte ich mich in dieser Zeit ein wenig als Geheimagent. Denn ich verfolgte eine doppelte Erzählabsicht: Auf den ersten Blick, für die schnelle Lektüre, wollte ich einen spannenden Thriller schreiben. Gute rasante Unterhaltungsliteratur. Darunter aber platzierte ich eine zweite Ebene gewissermaßen augenzwinkernder Anspielungen; einerseits und vor allem auf die damals aktuellen politischen Skandale – von Flick bis Barschel –, über die ich als langjähriger (stern-) Reporter meinte, ein wenig mehr zu wissen, als meinem Gewissen gut tat; andererseits auf die literarische Tradition des realistischen Romans, handele er nun von Kriminalfällen oder schlicht von den „normalen“ – geschäftlichen, erotischen, intellektuellen – Abenteuern, die spätestens an seinem Ende unser Leben ausmachen. In der bürgerlichen Gesellschaft, sagte Brecht einst, sind alle Abenteuer Verbrechen.
Sobald meine Geschichte über die Varianten bundesdeutscher Korruption im Rohentwurf stand, las Hans-Helmut Röhring die wenigen Seiten und war sofort bereit, den Roman zu veröffentlichen. Und kaum hatte ich so den ersten der wenigen liebenswerten und zugleich integren Verleger gefunden, denen ich in meinem literarischen Leben begegnen sollte, platzte dem stern ein geplanter Vorabdruck und Michael Jürgs, der damalige Chefredakteur, bot mir an, den Ausweg in 15 Folgen und Millionenauflage vorab zu veröffentlichen.
Die Hardcover-Edition, die dann im Frühjahr 1989 erschien, startete entsprechend stark. Die Rezensionen waren reichlich und fielen fast ausschließlich positiv aus. Am nachhaltigsten blieben mir zwei im Gedächtnis: die kurze Besprechung, die Matthias Matussek im Spiegel schrieb, und ein Beitrag im Lesezeichen-Magazin des bayerischen Fernsehens. Denn beide trafen exakt meine Absichten.
Matussek schrieb über den Helden des Romans Harry Mann: Er „hat einen Hang zum Grübeln: Er stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Aber er stellt sie sich auf dem Computer, als faszinierende, intellektuelle Programm-Spielerei. In all den Jahren ist ein kühles, unsentimentales Talent in Mann herangereift, von dem niemand, am allerwenigsten er selbst, etwas ahnte: Er hat das Zeug zum Killer.“ Und die Lesezeichen-Redaktion meinte über mich, den Autor: „Der Thriller entpuppt sich als Ausweg: als Möglichkeit, einen Gesellschaftsroman zu schreiben.“
Die Taschenbuchrechte wurden schneller verkauft, als ich darüber nachdenken konnte, welchen der willigen Verlage ich akzeptieren sollte. Obendrein fanden sich wenige Wochen nach Erscheinen ein geneigter TV-Redakteur und ein mutiger Produzent, die aus meinem Erstlingswerk einen TV-Zweiteiler produzieren wollten: Georg Alexander, ein Freund aus Los-Angeles-Tagen, der gerade zum WDR nach Köln zurückgekehrt war, sowie Dr. Norbert Schneider, der Chef der Allianz-Film, den Wolfgang Menge auf mein Buch aufmerksam machte.
Frohgemut begann ich mit der Arbeit am Drehbuch und zugleich auch am zweiten Band. Das Erstlingswerk und sein Autor hätten es nicht besser treffen können. Doch mit diesem typischen Anfängerglück sollte es bald vorbei sein.
In den letzten Monaten des Jahres 1989 brach dann das Unheil in drei Wellen herein; wobei ich die genaue Reihenfolge nicht mehr erinnere. Fiel zuerst die Mauer? Oder wechselte Georg Alexander schon zuvor vom WDR zum ZDF und hinterließ mein TV-Projekt verwaist einem gänzlich desinteressierten Nachfolger? Das fertige und abgenommene Drehbuch zu dem Ausweg-Zweiteiler jedenfalls wanderte in die Schublade, um für immer vergessen zu werden. Lediglich mit Volker Schlöndorff fand es wenig später noch einen einsamen, wenn auch begeisterten Leser …
Der Ausweg, der ja nicht nur für seinen Helden, sondern auch für seinen Autor als Ausbruch gedacht war, mündete so in eine historische Sackgasse. Der Taschenbuchverlag sah das wie der WDR. Er zahlte das vertraglich vereinbarte Honorar, brachte das Buch jedoch nicht mehr heraus.
Mit dem Mauerfall war mein Thriller über Nacht veraltet – seine Grundkonstellation zwischen Ost und West, seine bundesdeutschen und vor allem seine Westberliner Charaktere, ihre Probleme und Sehnsüchte, die angesichts der Aufbruchsstimmung der frühen neunziger Jahre und der monumentalen Widrigkeiten der Integration von Ost und West sekundär, wenn nicht unwichtig schienen.
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