Die Raucher inhalierten den Sauerstoff direkt durch die Zigarette. Ihre Zigarette war eine Art Schnorchel, mit dem sie uns den Sauerstoff entzogen und als Zigarettenqualm zurückgaben. Sie wirkten wie eine andere humanoide Spezies, sie ernährten sich von gasförmigen Speisen und hatten durch das Rauchen eine besondere Form der Kiemenatmung entwickelt.
In meiner Jugend war ich umgeben von Rauchern. Alle meine Freunde rauchten aus Leibeskräften. Es sei eine Sucht, sagten sie mit ernsten Gesichtern, und ich solle mich freuen, dass ich Nichtraucher sei. Dann begannen sie, den Tabaksbeutel aus der Tasche zu ziehen und sich vergnügt eine zu drehen. Damals wurde mir endgültig klar, dass Raucher nicht nur eine andere, sondern die überlegene Art waren. Raucher hatten immer etwas zu tun. Selbstdreher natürlich am allermeisten. Sie hantierten unentwegt mit ihren Raucherutensilien, konnten peinigende Gesprächspausen mühelos überbrücken und hatten immer einen Vorwand, Frauen anzusprechen, die natürlich auch begeistert rauchten. Sie konnten überall und mit jedem ins Gespräch kommen, und ihr Kommunikationsinstrument war die Zigarette. Wenn der Gegenüber dann ausnahmsweise mal nicht rauchte, zögerten sie nicht, dem anderen sofort zu versichern, wie gut er es habe. Sie würden ja auch gerne aufhören, aber könnten leider nicht.
Die hatten ihre Sucht, ich hatte gar nichts. Ich konnte einfach nicht rauchen. Dabei wäre ich gerne Raucher geworden, aber ich schaffte es nicht. Ich hatte mir irgendwann mal ein Päckchen Camel gekauft und es versucht, war aber vor lauter Husten nicht zum Rauchen gekommen. Es wollte mir nicht in den Kopf, und in die Lungen erst recht nicht. Erfahrene Raucher versicherten mir, dass sei nur am Anfang so, spätestens nach der ersten Schachtel hätte ich mich daran gewöhnt und das Rauchen würde mir zur Selbstverständlichkeit werden. Das erschien mir blödsinnig. Wieso sollte ich eine Schachtel lang husten, mein erstes Bier hatte mir ja auch sofort geschmeckt, und die erhoffte Wirkung stellte sich schon beim zweiten ein. So gab ich das Rauchen auf, bevor ich damit angefangen hatte, was ja nun besonders albern war. Ein ganz kleiner Rest von Raucher ist aber dennoch in mir geblieben. Ich ertappe mich manchmal in Situationen, in denen ich mich cool und unbeobachtet fühle, wie ich zwei Finger zum Mund führe, meinen Lippen eine unsichtbare Zigarette entnehme und deren unsichtbaren Rauch lange und genussvoll in den Raum blase, wobei ich leicht nachdenklich, aber überlegen in unsichtbare Fernen blicke. Das passiert fast immer im Auto, während im Radio Rauchermelodien wie »Ricky don’t loose that number« von Steely Dan oder »Oye como va« von Santana laufen. Es sind höchstens zwei oder drei Züge, die ich da nehme, dann bemerke ich die Frau im Auto neben mir, die mich schon missbilligend beobachtet, und ich lasse die unsichtbare Zigarette im Fahrgastraum verschwinden. Mein Auto ist voll von diesen unsichtbaren Dingern. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie man diese Manie nennen soll, wahrscheinlich ist es so etwas wie Trockenrauchen. Und wahrscheinlich wird das auch bald verboten. Kneipen müssen extra Räume für Trockenraucher einrichten, und wenn man sich ein unsichtbares Päckchen Trockenzigaretten kauft, steht darauf: »Vorsicht! Trockenrauchen führt zum Verlust Ihrer Würde und macht Sie gesellschaftlich unmöglich.«
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