Der Anwalt antwortete mir nach ein paar Monaten: „Höre auf zu suchen! Amirs Gnade liegt bei Gott. Sei froh, dass dein Sohn nicht im Gefängnis verbrannt worden ist!“ – Viele Gefangene sind in den geheimen Gefängnissen verbrannt worden.
EF
Verbrannt? Wirklich verbrannt?
US
Ja. Weißt du, wie ein alter Ofen funktioniert? Genau so machen sie es. Sie verbrennen Gefangene genau so, machen Feuer unter ihren Füßen!
Dieser Satz kam von den Lippen des Anwalts in meine Ohren. Nachdem ich das gehört hatte, bekam ich einen Nervenzusammenbruch!
Um Scharif erzählte dann, wie Frauen und Männer gefoltert wurden und werden. Ich lasse es hier aus guten Gründen raus!
EF
Das sind richtige Monster!!! Nicht einmal wilde Tiere würden so etwas machen!!!
US
Gott hat Syrien längst verlassen. Das sind keine Menschen mehr. Das sind Monster.
Jamila fügt hinzu: „Der Teufel hat dort einen Körper und ein Gesicht bekommen und herrscht dort!
US
Ich hatte Angst um meine jüngsten Kinder. Meinem Sohn Sharif wurde gedroht, auch ins Gefängnis geschmissen zu werden.
Aus diesem Grund entschied ich mich nach langem Nachdenken, mein Heimatland zu verlassen.
Ich nahm Sharif, Samira, Faris und Fida und flüchtete zuerst in die Türkei. Samira und Faris blieben bei ihrem Vater. Ich versprach ihnen, dass ich die beiden später durch die Familienzusammenführung auch nach Deutschland bringen würde.
EF
Also flüchtetest du mit deinen jüngsten Kindern Fida und Sharif?
US
Genau. Damals wusste ich aber noch nicht, dass die Zusammenführung von Familien nur für minderjährige Kinder gilt. Jetzt kann ich Samira und Faris nicht nach Deutschland bringen. Meine Familie ist nicht mehr zusammen. Ich leide sehr darunter. Meine Gedanken sind ständig bei Faris und Samira, ganz zu schweigen von Amir, der noch in Syrien im Gefängnis ist.
Ich kann so nicht auf Dauer in Deutschland bleiben. Ich fühle mich so elend, als hätte ich meine Familie im Stich gelassen. Es hat keinen Sinn, weit weg von meinen Kindern zu leben. Ich will wieder zurück in die Türkei. Dann bin ich wieder vereint mit meiner Familie und näher bei meinem Sohn Amir!
EF
Nach all dem Leid und den Gefahren der Reise nach Deutschland willst du wieder zurück?
US
Ja. Ich bin durch die Hölle gegangen. Die Reise war sehr schwer. Wir begegneten mehrmals dem Tod!
Mehrmals musste ich die Zähne zusammenbeißen. Doch ich sagte mir immer wieder: Gott wird uns beschützten! Daraus habe ich Kraft geschöpft.
Nachdem wir all dies erlebt haben, ist mir eins ganz klar: Mein Leben sind meine Kinder! Wenn ich nicht mit allen meinen Kindern hier in Deutschland leben kann, hat das keinen Sinn. Ich will zurück zu meiner Familie. Von hier aus bin ich auch machtlos. Ich kann meine anderen Kinder nicht unterstützen, ihnen nicht nahestehen, kann meinen ältesten Sohn nicht in die Arme nehmen und trösten, sollte er aus dem Gefängnis herauskommen. Ich weiß, das Leben in der Türkei ist ein hartes Leben, aber ich bin bereit dazu, es auf mich zu nehmen. Inshallah! So Gott will!
EF
Danke, Um Sharif, dafür, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast! Inshallah! Hoffentlich bist du bald wieder mit deiner Familie vereint!
Die Sprache lernen und anderen Flüchtlingen helfen
Hassim und Abbas, zwei Jugendliche aus Syrien
Hassim kommt fröhlich und lachend ins Büro. Er sprudelt immer voll positiver Energie. Seit zwei Wochen ist er in eine Wohngemeinschaft gemeinsam mit anderen, deutschen Studierenden eingezogen. Er hat auch schon seinen blauen Flüchtlingspass. Hassim ist bei allen sehr beliebt.
Kaffee? – frage ich ihn. „Sehr gerne!“ antwortet er. Gemeinsam gehen wir in die Küche.
Na? Alles klar bei dir? Wie ist das Leben in der neuen Wohnung? – „Alles Super! Ich werde wie ein Bruder behandelt. Mir wurde ein PC geschenkt und viele Möbel. Wir gehen oft in Konzerte und machen Ausflüge. Die Deutschen sind so nett zu mir!“ – Das freut mich Hassim. Du bist echt von Gott geliebt, antworte ich ihm.
Bevor ich anfange, mit ihm das Gespräch zu führen, meint Hassim abwehrend: „Ich will nicht über Syrien sprechen. Ich habe so viel Schlimmes gesehen. Aber gerne teile ich mit dir meine Erfahrungen während der Reise. Ist das ok?“, fragt er. Natürlich, sagte ich ihm: Ich bin dankbar für alles, was immer du mir mitteilen möchtest.
Hassim sitzt leuchtenden Augen voller Aufregung auf seinem Stuhl und meint: „Yallah, ich bin bereit!“
EF
Hassim, wie war dein Leben vor dem Krieg?
Hassim (in der Folge H)
Mein Leben war sehr schön! Ich habe viel Zeit mit meiner Familie und mit meinen Freunden verbracht. Jeden Tag, wenn ich von der Schule zurückgekommen bin, hatte meine Mutter schon das Essen vorbereitet, und wir aßen in aller Ruhe zu Mittag. Am Nachmittag war ich dann unterwegs mit meinen Freunden.
EF
Du bist aus Homs, richtig?
H
Genau. Homs war eine wunderschöne Stadt, mit viel Natur in der Umgebung.
EF
Hast du Geschwister?
H
Ja. Ich habe einen jüngeren Bruder und drei ältere Schwestern. Das Schönste für mich war immer, mit meiner Familie zusammen zu sein, mich nicht fremd zu fühlen, in einem anderen Land.
Hassim seufzt …
Das ist das Schwierigste für mich in Deutschland: Ich bin hier ganz allein. Niemand von meiner Familie ist hier. Das macht mich sehr einsam.
EF
Hassim, du hast in Homs studiert und warst schon im zweiten Semester. Richtig?
H
Ja, richtig. Ich habe Maschinenbau studiert. –
Bevor ich mein zweites Semester abschließen konnte, fing der Krieg an. Damals war ich 18 Jahre alt. In diesem Alter war es Pflicht, Militärdienst zu leisten.
Eines Tages, auf dem Weg zur Universität, wurde ich am Checkpoint angehalten. Ich wurde herausgeholt, und mir wurde von den Soldaten gesagt: „Heute ist dein letzter Tag in der Universität. Morgen kommst du zur Militärbasis, bringst alle deine Papiere mit und meldest dich zum Militärdienst!“
Ich ging nach Hause und erzählte alles meinen Eltern. Sie besprachen sich in der Nacht lange und ausführlich. Am frühen Morgen sagten sie mir, dass es aus ihrer Sicht das Beste für mich sei, wenn ich in den Libanon gehe. Klar, meine Eltern wussten, was es heißen würde, wenn ich als Soldat mitten in diesen Konflikt geraten würde.
Ende 2012 floh ich dann in den Libanon.
EF
Warst du alleine im Libanon? Blieben deine Eltern in Syrien zurück?
H
Ja, meine Eltern blieben in Syrien. Mein Vater hatte seine eigene Firma. Eine Transportfirma, um Menschen von Homs nach Beirut zu bringen. Dadurch konnte ich mehrmals meinen Vater im Libanon treffen, ihn fragen, wie es der Familie geht. Das hat vieles erleichtert. Doch das blieb so nicht auf längere Dauer.
Ein paar Monate danach wurde mein Vater an einem Checkpoint festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Eineinhalb Jahre blieb er im Gefängnis in Homs. Während dieser Zeit hatte meine Familie keinerlei finanzielle Unterstützung. Somit arbeitete ich im Libanon und habe Geld nach Hause geschickt. Mein Vater wurde erst entlassen, nachdem meine Familie 13.000 Dollar gezahlt hatte. Seitdem habe ich meinen Vater und meine Familie nicht mehr gesehen.
EF
Du hast aber jetzt Kontakt mit deiner Familie?
H
Gott sei Dank! Meinem Vater geht es gut. Meiner Familie auch. Sie leben unter dem Schutz der Barmherzigkeit Gottes.
EF
Lebt deine Familie noch in Homs?
H
Nein. Unser Haus wurde bombardiert. Meine Familie floh in ein Dorf in der Nähe, das Aldiea heißt. Gott sei Dank es geht ihnen gut. Erst gestern habe ich mit ihnen telefoniert.
Aber sie berichteten, dass jetzt schon ganz in der Nähe von Aldiea geschossen wird.
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