Der Tanz ist kein Ergebnis einer bestimmten Technik. Er entspringt einem nach der Philosophie des Herzen gelebten Leben, eine Philosophie, die alle Ihre Taten prägt. Das kann nicht erreicht werden, indem Sie Ihr Bewusstsein und Ihre Anstrengungen nur in die Momente einbringen, die „Ausbildung“ bzw. „Training“ genannt werden. Ein Hund ist ein Hund, vierundzwanzig Stunden am Tag. Seine Welt ist geprägt von dem, was Sie sagen und tun, und zwar nicht nur während der Trainingseinheiten, sondern während der gesamten Zeit, die er mit Ihnen verbringt. Unfähig, unehrlich zu sein in seiner eigenen Kommunikation, ein Experte bei der Beobachtung, nimmt der Hund nicht nur wahr, was Sie tun, sondern glaubt auch, dass das, was Sie tun, exakt Ihre Beziehung zu ihm widerspiegelt. Die Beziehung – der Dreh- und Angelpunkt, um den es letztendlich geht – wird in jeder Tat aufgebaut oder erschüttert.
Einige schrecken bei diesem Gedanken zurück, sagen: „Das ist zu viel Arbeit!“ Damit geben sie zu, dass sie nicht bereit sind, so viel Anstrengungen und Arbeit in die Beziehung zu stecken, da es sich „nur“ um einen Hund handelt. Doch für alle, die dazu bereit sind, die mit einem Hund als Partner tanzen möchten, ist diese Tatsache eine willkommene Möglichkeit, jeden Augenblick bewusst und zielgerichtet zu nutzen.
„Bildung ist etwas Wunderbares. Doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann“, schrieb Oscar Wilde. Niemand kann Ihnen beibringen, wie man mit einem Hund tanzt. Es gibt keine Rezepte oder Anleitungen, keine schnellen Tipps und keine magisch geknoteten Leinen, die den Weg erleichtern. Dieses Buch bietet die warnenden Geschichten verbreiteter Fehlschläge und Missverständnisse zwischen Menschen und Hunden. Sie werden beschrieben, damit Sie nicht dieselben Fehler machen. Wenn Sie sie bereits gemacht haben, seien Sie versichert, dass viele Reisende auf diesem Weg auch stolperten. Die hier dargebotene Philosophie ist meine, aber sie zeigt den Weg zu einem echten Ort, an dem ein Hund Sie freudig begrüßt. Vielleicht hilft Ihnen dieses Buch, Ihren Weg zum Tanz zu finden, voller Freude und mit ganzem Herzen.
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DIE QUALITÄT DER BINDUNG
Die Welt ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt, aber hie und da jemanden zu wissen, der mit uns übereinstimmt, mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns dieses Erdenrund erst zu einem bewohnten Garten.
GOETHE
Wenn wir eine Beziehung zu einem Hund oder einem anderen Wesen eingehen, suchen wir nach einer Bindung oder vielmehr nach dem, was wir als Ergebnis davon empfinden: Behaglichkeit, Liebe, Anerkennung, Friede und Freude. Wir suchen und streben nach einer Qualität in der Bindung, die – hoffentlich – beiden Seiten Freude bereitet, einem Tanz zweier Seelen, die sich in gegenseitiger Übereinstimmung bewegen. Obwohl wir möglicherweise nicht in Worte fassen können, wonach wir suchen, erkennen wir es, wenn wir es finden. Einfach ausgedrückt, es fühlt sich gut an, wenn es richtig ist, und es fühlt sich nicht gut an, wenn etwas nicht stimmt. Wenn es richtig ist, ist es wunderbar, unglaublich, unbeschreiblich richtig. Wenn es falsch ist, kann es schrecklich und unerträglich falsch sein. Was uns manchmal verrückt macht, ist, dass wir, selbst wenn die Bindung stark und gut ist, möglicherweise nicht wissen, wie dieser Moment erreicht wurde oder welche zauberhafte Zutat geholfen hat, ihn entstehen zu lassen, oder warum er sich auf rätselhafte Weise leider wieder in eine Banalität oder Routine verwandelt hat.
Da diese Art starker Bindung schwer zu erreichen ist (ob zu Tieren oder zu Menschen), verstehen wir möglicherweise nicht, dass sie kein Ziel und keine „Sache“, sondern ein Prozess ist, noch dazu ein dynamischer. Obwohl uns die Werbung suggeriert, dass uns bestimmte Produkte (Autos, Seife, Bier, Hundefutter oder Jeans) die gesuchten, erfüllten Beziehungen ermöglichen, gibt es in Wahrheit keine bestimmte Formel für die Entstehung starker Bindungen. Bei unserer rastlosen Suche in Büchern, Videos und Seminaren fragen wir nach Rezepten, die uns helfen, das zu erreichen, von dem wir wissen, dass es existiert. Eine solche Beziehung zwischen uns und unseren Tieren ist möglich, wenn auch unter Umständen nicht einfach, und ganz sicher entsteht sie nicht automatisch. Wir haben sie kennen gelernt, sie gesehen oder davon gelesen – und wir möchten mehr. Wir möchten eine Straßenkarte dorthin, weil wir bereits dort waren oder andere kennen, die dort waren, und wir wissen, dass wir dorthin gelangen möchten.
Keiner von uns plant bewusst eine Beziehung voller Konflikte, Frustration oder Enttäuschung. Doch die von uns gesuchte tiefe Beziehung fehlt möglicherweise, besonders wenn wir fälschlicherweise die Gesetzmäßigkeiten des Hundeverhaltens, die Trainingstheorie und Ausbildungstechnik für eine Beziehung halten. Um zu finden, wonach wir suchen, müssen wir am Anfang beginnen, die Grundlagen prüfen, auf denen die gesamte Beziehung basiert: die Qualität der Bindung selbst.
Von Natur aus eher mechanisch waren der Hundeausbildung Wörter wie Qualität lange fremd. Sie können den Index der meisten Hundebücher untersuchen, ohne darin das Wort Qualität zu finden. Das könnte teilweise daran liegen, dass wir mit einem Wort wie Qualität im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen Hunden und Menschen in trübem Wasser fischen. Wenn wir fragen: „Was ist Qualität?“, befinden wir uns wirklich in Untiefen. Philosophen haben tausende von Jahren versucht, diese Frage zu beantworten, ohne eine definitive Antwort zu finden, da sich die meisten Dinge, die wirklich zählen und unser Leben stark prägen, nicht so einfach definieren lassen. In Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten beschäftigt sich Robert Pirsig mit der Frage der Qualität. Ein komplexes Konzept, das schwierig zu entwirren und zu definieren ist, obwohl er es aus unzähligen Perspektiven und theoretischen Standpunkten betrachtet. Eine meiner Lieblingsideen aus seinem Buch ist, dass Qualität keine Sache ist, sondern ein Ereignis.
Mit anderen Worten, Qualität ist etwas, das passiert , es ist das Ergebnis aus einem Zusammentreffen. Pirsig wirft die Idee auf, dass ein Sonnenuntergang schön sein kann, dass Schönheit ein qualitatives Ereignis ist, das im Auge des Betrachters liegt. Obwohl sie großartig sind, berühren uns nicht die Farben des Sonnenuntergangs. Wenn das der Fall wäre, würde uns jeder Sonnenuntergang so bewegen, wie einige Sonnenuntergänge es tun. Das, was wir zur Betrachtung des Sonnenuntergangs mitbringen, ist das, was uns bewegt. Ich erinnere mich nicht sehr detailliert an viele Sonnenuntergänge, obwohl ich in meinem Leben unzählige gesehen habe. Ich erinnere mich nur vage an die Freude des Eintauchens meiner Gedanken in so unerwartete Farben, die für den Zeitpunkt und den Ort auf einzigartige Weise kombiniert waren. Ich erinnere mich genauer an einen bestimmten Sonnenuntergang über entfernten Bäumen, während mich die nächtliche Brise abkühlte und meinen Schweiß trocknete, der sich entwickelte, als ich das Grab meines Hundes grub. Der Sonnenuntergang bewegte mich, wie keiner zuvor oder danach es konnte. An diesem Abend war der Sonnenuntergang mehr als ein Routineaugenblick, der bestimmte weltliche Ereignisse einleitete, wie das Füttern der Pferde oder den Beginn des Abendessens. Es war mehr als flüchtige Aufmerksamkeit, die ich dieser kurzen, aber leuchtenden Zurschaustellung entgegenbrachte, die nur zu schnell verschwand und lediglich Dunkelheit hinterließ.
DIE SCHAFFUNG VON AUSWAHL
Jedes Mal, wenn wir mit einem Hund oder einem anderen Wesen zusammen sind, haben wir die Möglichkeit, ein Qualitätsereignis zu kreieren. Unsere Beziehungen zu unseren Hunden sind dynamisch, abhängig und geprägt von der Wahl, die wir treffen. Jede unserer bewussten, gewollten und unbewussten, ungewollten Handlungen bestimmt unsere Richtung – weg von oder hin zu einer intensiveren Bindung. Oder wir bewegen uns überhaupt nicht.
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