Als dann das Gerücht der Doppelehe durchdrang, meinte Katharina, sie könne nun die Zahlungen aus der Erbschaft gänzlich sparen, weil Landgraf Philipp als Bigamist gegen das Reichsrecht gehandelt habe und deshalb die Summe nicht mehr vor dem Reichskammergericht einklagen könne. Statt der Werbung um Agnes wollte sie von Moritz, dass er exakte Kunde über die Doppelehe aus Hessen zurückbrächte.
Moritz aber wurde von Philipp ganz offen persönlich unterrichtet. Darauf brachte er seine Werbung um Agnes vor. Die Eltern gestatteten beiden eine ganz persönliche Unterredung. Nur von fern sahen sie ihnen zu. 37Als die jungen Leute miteinander einig waren, wurde die Ehe nunmehr von den Eltern und Moritz fest zugesagt.
Nach seiner Rückkehr musste Moritz den Tatbestand der zweiten Ehe des Landgrafen zugeben. Er hatte in Hessen der Nebenfrau Margarete von der Sale einen offiziellen Besuch gemacht und Philipp versprochen, sich um die Sicherheit von deren Mutter zu bemühen. Moritz’ Eltern holten aber die Mutter zwangsweise zu einem Verhör nach Dresden. Katharina verbreitete dann die Tatsachen über Philipps Moral an deutschen Fürstenhöfen.
Schrittweise bekannte Moritz den Eltern seine feste Ehezusage an Agnes. Katharina lehnte die Ehe völlig ab. Heinrich meinte, man könne unter diesen Umständen keine nähere Verwandtschaft eingehen. Moritz, der sich seiner Neigung sicher war, schrieb zwischen allen Stühlen, es weis got, das ich es gerne auff allen seitten gut sege (sehe). 38Moritz war sich aber sicher, er wosste um der 10000 gulden (weder) E. F. Gn . (Landgraf Philipp) noch das freulein (Agnes) zu verlassen . 39
Katharina, dieweil I. F. Gn. Alles unter handen hatte, wollte nicht, dass Moritz als Vertreter seines Vaters zum Reichstag zog. Moritz durfte auch nicht den Kurfürsten Johann Friedrich aufsuchen. Er musste den väterlichen Hof nach Schlesien begleiten. Philipp drängte auf Erbschaft und Vollzug der Ehe. Katharina und die ihr ergebenen Hofräte unter Anton von Schönberg suchten vor dem nahen Beginn von Moritz’ Herrschaft ihre Position zu verbessern.
Auf Anfrage riet Kurfürst Johann Friedrich, Moritz solle einer umfänglichen Erhöhung des Wittums für Katharina um 3000 Gulden und einer Teilung des albertinischen Staates zwischen ihm und seinem Bruder August durch ein Testament des kranken Vaters nicht zustimmen. 40
Moritz drängte über Wochen hin auf Erlaubnis zur Reise nach Hessen. Schließlich erklärte er dem Vater, dieser habe immer gesagt, er solle eine nehmen, die ihm gefiele. Ihm gefalle nun des Landgrafen Tochter. Im Juli hatte Moritz das „lebliche“ (muntere) Frauenzimmer grüßen lassen. 41Er habe in seinem Herzen beschlossen, sie und keine andere zu haben. Darauf meinte Heinrich schließlich, dann sei er auch damit zufrieden. Danach bat Moritz durch den obersten Rat Katharinas, Anton von Schönberg, seinen Vater um Urlaub nach Hessen. Heinrich stimmte zu, doch solle Moritz erst Weihnachten und die Taufe des Sohnes seiner Schwester in Dresden abwarten, bevor er abreise.
Mutter Katharina aber war mit der Haltung des Sohnes nicht zufrieden. Sie hatte Moritz schon im Sommer vorgeworfen, dass er nicht gern bei den Eltern sei. Ja, er wolle sich wohl zu einem Absalom machen lassen, dem Sohn, der seinen Vater König David verriet. Sie lehnte die Abreise ab. Aus der Zusage des Vaters wurde wieder ein schweigendes Abwarten. Wahrscheinlich war für Katharina auch schwierig, dass der erstgeborene Sohn, der Ende 1532 als noch Elfjähriger Freiberg verlassen hatte, 1539 als fast erwachsener junger Mann zurückkam, der sich nicht mehr allein vom Wort der Mutter lenken lassen wollte. In der Zwischenzeit hatte sie ihn immer nur vorübergehend auf Besuch gesehen.
Moritz zerschnitt schließlich den Knoten. Er schrieb dem Vater, es hinge für ihn auch Ansehen und Leumund als sächsischer Fürst daran, dass er reite und sein Eheversprechen einlöse. 42Er reiste von Dresden nach Mügeln, das zum Reichsterritorium des Bischofs von Meißen gehörte. Dort fühlte er sich wohl etwas sicherer als im albertinischen Gebiet. Ein Brief Katharinas wurde ihm sofort nachgesandt. Der Vater sei, wenn Moritz zurückkäme, grundsätzlich für die Ehe. Andernfalls sündige Moritz gegen Gott. Die Abreise könne den Vater unter die Erde bringen, und Moritz verliere außerdem die Gunst von Vater und Mutter. 43Moritz antwortete, die Mutter habe ihn vielfältig auf die Verlobung hin geleitet. Er tue, was christlich und ehrlich sei und könne dadurch die Gunst der Eltern nicht verlieren. 44Die Mutter kündigte ihm in scharfer Antwort bei Vollzug seiner Ehe die zeitliche und wohl auch ewige Strafe Gottes an, wegen des Verstoßes gegen die auch von Luther gepredigte Ordnung und gegen das Vierte Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“. 45
Moritz und seine Gemahlin Agnes, Gemälde von Lucas Cranach d. J., auf Lindenholz, 1559
Moritz war, nachdem er die knapp dreizehnjährige Agnes gesehen hatte, bei seiner Zusage aus dem Sommer 1539 geblieben. Vorher hatte er auf die Pläne Herzog Georgs aufschiebend und abweisend geantwortet. Er wollte evangelisch bleiben. Nun wollte er ohne großen Aufschub heiraten und an beidem trotz der ganz anderen Interessen seiner Mutter, der Stände und der Altgläubigen festhalten. Er machte sich auf seinen selbstständigen Weg.
Moritz reiste nach Hessen, obwohl durch Katharina noch Räte in Leipzig und in Weißenfels aktiviert wurden, um ihn aufzuhalten. Er bat in Marburg Landgraf Philipp am 9. Januar 1541 dringend um den sofortigen Vollzug der Ehe. Philipp versuchte zusammen mit seiner Gemahlin, den überstürzten Vollzug der fest beschlossenen Ehe um einige Zeit aufzuschieben, er konnte aber bei Moritz nichts erreichen. 46Dieser schrieb zugleich aus Marburg an Katharina, er habe nicht als ungehorsames Kind gehandelt, sondern zu dieser Ehe wäre er, wie öffentlich bekannt, vom Vater und ganz besonders von der Mutter so weit bewegt worden, daß wir als ein gehorsames Kind darein gewilligt und demnach soweit eingelassen, dass wir niemals nicht zurück mögen . 47
Philipp war von Katharina vor der unordentlichen, ungöttlichen Ehe seiner Tochter gewarnt worden. Er nahm jedoch Moritz in Schutz und wunderte sich, dass sie nun das ablehne, was sie gefördert und niemals widerrufen hatte. 48Am 11. Januar 1541 wurde das junge Paar in Marburg wohl in der Elisabethkirche getraut, ohne jede Einschränkung auf eine nur rechtliche Ehe. Moritz ist damit sicher der erste Mann, den Agnes kannte. Sie war bei der Hochzeit nicht ganz 14 Jahre alt. Wie weit sich Moritz zu dieser Zeit schon dem anderen Geschlecht zugewandt hatte, wissen wir nicht. Die Marburger Hochzeit wird ohne jeden öffentlichen Glanz gewesen sein. Fürstenhochzeiten sind sonst lange geplante, über Tage dauernde Feste gewesen. War Moritz so sehr unter Druck? Hat Philipp seine politische Basis erweitern wollen? Fürchtete Moritz ein Kommen seiner zungenfertigen Mutter Katharina? Nur Tatsachen konnten sie bremsen!
Danach war Moritz mit zwanzig Jahren in seinem persönlichen Leben eine eigenständige Person. Viel länger dauerte es, bis er auch als Landesfürst selbstständig und frei von den Wünschen anderer zu entscheiden lernte. Moritz war Anfang 1541 eine allseits begehrte Figur im politisch-konfessionellen Spiel. Die Mutter Katharina, der Onkel Georg, der Vetter Johann Friedrich, die sächsischen Stände, Elisabeth von Rochlitz, der Landgraf und sogar König und Kaiser wollten durch seine Person ihre Pläne erreichen. Moritz aber ließ sich wohl von der ihm vertrautesten Person, Elisabeth von Rochlitz, und dann von Landgraf Philipp beraten. Er wollte seinen selbstbedachten Lebensweg gewinnen, das musste ihn immer wieder von anderen trennen.
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