Herzogin Katharina focht heftig gegen die Pläne Herzog Georgs, 23Moritz zu seinem direkten Nachfolger zu machen. Sie wäre damit von jedem persönlichen Einfluss ausgeschlossen worden. Moritz verwies für die Antwort auf das Angebot von Karlowitz an Kurfürst Johann Friedrich und seinen Vater, von denen er abhängig wäre. 24
Für Moritz war der Weg zum Ehebett mit Agnes von Hessen kompliziert. Anfangs waren seine Eltern schon zur Fastnacht 1539 in Freiberg mit dem Abschluss einer Ehe in einiger Zeit einverstanden. Elisabeth von Rochlitz erreichte von ihnen die Zusage, Moritz eine Tochter des Landgrafen Philipp zu geben, wenn diese ihm gefalle. Darauf schrieb Herzogin Elisabeth an Moritz nach Frankfurt, er solle auf dem Rückweg Agnes von Hessen besehen. Gefiele sie, wollte Elisabeth sich weiter bemühen. 25Sie wiederholte damit auch das eigene Schicksal, denn sie hatte als vierzehnjährige Hessin Johann, den achtzehnjährigen Sohn Herzog Georgs, geheiratet. 26Moritz meinte dazu, wenn es zur Heirat führe, wollte er an Elisabeth denken. Und fügte an, was Gott für ihn zu Heil und Wohlfahrt habe und worum er den Allmächtigen bitten wolle, das würde wohl geschehen. 27Leben, Ehe und Gebet gehörten von Anfang an bei Moritz zusammen. Das war später auch in den eigenhändigen Briefen an seine Frau so.
Ob Moritz schon auf dem Heimweg Agnes in Marburg oder Kassel „besehen“ hat, ist nicht festzustellen. Sicher kam Katharina mit ihm im August 1539 nach Hessen, um Näheres zur Ehe zwischen Moritz und Agnes zu klären. Herzogin Elisabeth war zu dieser Zeit ebenfalls in Kassel. 28Zugleich sollte der Erbteil der Landgräfin Christine am Barvermögen ihres Vaters, Herzog Georg, mit der Aussteuer von Agnes verrechnet werden. Die Eheabsprachen erfolgten damals immer zwischen den Eltern, mit zwölf und siebzehn Jahren mussten die jungen Leute nicht gefragt werden. Moritz’ eigenes Handeln bestand darin, dass er sich Agnes 1539 gefallen ließ.
Agnes war aber schon länger mit Erich II., dem Erben von Braunschweig-Kahlenberg, versprochen. Diese Verlobung hat Landgraf Philipp vor der Ankunft Katharinas mit Moritz rückgängig gemacht. Er hat dafür den Kahlenbergern seine Tochter Anna angeboten. An deren Stelle hat sich Moritz’ Schwester Sidonie zu Erich in eine, allerdings bald unglückliche Ehe gedrängt. Obwohl sie zehn Jahre älter war als Erich II., zog sie den Sechzehnjährigen im Marburger Schloss in ihre Arme. 29
Das albertinische Sachsen bedeutete für den hessischen Landgrafen und seine Tochter wesentlich mehr als Braunschweig-Kahlenberg. Die miteinander vermittelten Brautleute fanden Gefallen und Freude aneinander, die Bestand hatten. Moritz hatte sich für diese seine erste persönliche Begegnung viel vorgenommen, nur, wenn er von Agnes freundlich und nicht mit Tränen empfangen würde, wollte er die Sache weiter verfolgen. Er fand ein lächelndes Fräulein vor. Nach einem Brief Elisabeths von Rochlitz hat Moritz bei dem Aufenthalt im Sommer Philipp von Hessen die Hochzeit mit Agnes zugesagt. 30Moritz erzählt selbst, dass er in Melsungen an der Fulda die Zusage gab. 31Elisabeth meinte dann, dass Herzog Moritz, was er zugesagt habe, halten werde, wenn er am Leben bleibt .
Schwierig wurde, dass Moritz seit 1539 gegen alle neuen politischen Pläne seiner Mutter bei seinem ersten Entschluss geblieben ist. Er lehnte auch eine vorausgenommene Trauung zur Ehe mit einer königlichen Prinzessin ab. Wenn er getraut wäre, müsste er sich der anderen Frauen enthalten. Deshalb wollte er gleich die richtige Hochzeit haben, denn er könnte über Jahre sonst keine Treue halten. Moritz scheint strenge Grundsätze über die Ehe aus dem altgläubigen Dresden und dem evangelischen Torgau mitbekommen zu haben. Er wollte nicht auf das Heranwachsen eines königlichen Kindes warten.
Katharina benutzte die Ehepläne als Druckmittel gegen die berechtigten Erbschaftsanspüche Christines von Hessen. Als Tochter musste diese beim Erbe am Barvermögen beteiligt werden. Philipp meinte, dass der Anteil seiner Frau ungefähr 50000 Gulden betrage. Katharina suchte die schon abgesprochene Ehe zu hindern, um bei Philipp einen Verzicht auf die Zahlung zu erreichen. Sie verbot Moritz eine Zusage, ehe sie mit Landgraf Philipp über das Erbe verglichen wäre. Elisabeth von Rochlitz meinte, dass nur Katharina die Ehe verhindere. 32Schließlich hätten ihr beide Elternteile lange schon gesagt und auch geschrieben, dass sie Moritz keine andere geben wollten, wenn sie ihm gefiele. Kurfürst Johann Friedrich wiederum war nicht für die Heirat, weil damit Hessen ein größeres Gewicht im Schmalkaldischen Bund bekam.
Moritz war mit all diesen Plänen anderer über ihn immer noch die geschobene Figur im politischen Schachspiel. Herzog Georg suchte durch Moritz den altgläubigen Bestand der Kirche im albertinischen Sachsen zu sichern. Georg von Karlowitz und der Adel wollten sich ihre Mitregierung im Herzogtum sichern, Elisabeth von Rochlitz suchte mit der Vermittlung einer Ehe von Moritz mit der hessischen Nichte zu verhindern, dass dieser zur Ehe mit einer Tochter König Ferdinands bewegt würde. Sie wollte außerdem einer Idee Herzog Georgs begegnen, die Nachfolge vielleicht dem Schwiegersohn Landgraf Philipp anzubieten.
Schließlich wollte Elisabeth persönlich durch einen Besuch in Dresden unmittelbar nach Weihnachten 1539 gegen den Widerstand der Herzogin Katharina zur Ehe vermitteln. Als diese das erfuhr, zog sie mit ihrem gesamten weiblichen Hofstaat zwei Meilen vor die Stadt auf ein Dorf. Moritz ließ sich zwingen, die Mutter zu begleiten, weil diese sonst ein Vierteljahr oder länger mit ihm kein Wort mehr geredet hätte. 33
Elisabeth wollte sofort wieder kehrtmachen, weil dieses Verhalten für beide Fürstinnen beschämend wäre. Aber Hans von Heinitz, ein herzoglicher Rat, vermittelte. So bat Herzog Heinrich Elisabeth, für eine Unterredung am nächsten Morgen zu bleiben. Er konnte sie aber nur in einem für fürstlichen Besuch ungeeigneten, sehr engen Zimmer unterbringen. Elisabeth schreibt dazu ihrem Bruder: Ich hort auch sagen, dey hertzgen solt yern soun darumb vor mir geflogett haben, das sey sorge het, ich oberret yn zu etwas meins leybgutz halben, auch der heurezt halben; zum andern das ich ein hemlichen koundragk mit ym mach, des erbest halben, das er solt keyn egeld fortter von Dir zu den 20000 Gulden, dey sey Dir geben. Es soll gewist sein; hatt auch gesaget, ich hetz yn auf sey . 34Elisabeth hatte besonders Moritz treffen wollen. Er entschuldigte sich danach bei Elisabeth. Sie sollte auf ihn nicht zornig sein, es wäre alles ohne seine Schuld geschehen. Er hätte es tun müssen. 35
Die Ablösung von der Mutter und dem unter ihrer Lenkung stehenden Vater wurde ein schwieriger Prozess, in dem Moritz ab 1540 aber eigenständig handelte. Er erreichte im Februar vom Vater, als dieser allein ohne Katharina nach Freiberg ritt, die Genehmigung, um Pfingsten nach Hessen zu reisen. Heinrich stand auf der Seite von Moritz. Schon nach der Sommerreise 1539 hatte er Moritz bezüglich Agnes gefragt: Kriegen wir sie, oder kriegen wir sie nicht? 36
Philipp von Hessen suchte ab 1539 in sein eigenes Verhalten Ordnung zu bringen. Als bewusster Christ vermochte er seine sexuelle Freizügigkeit nicht mehr mit der evangelischen Ethik zu vereinbaren. Er hielt sich deshalb zeitweise für unwürdig, am Abendmahl der Gemeinde teilzunehmen. Dazu war er für die siebzehnjährige Margarete von der Sale, eine Hofdame seiner Schwester Elisabeth, entflammt, deren Mutter jedoch eine Ehe, nicht nur ein Konkubinat ihrer Tochter mit dem Landgrafen forderte. Dieser kam auf den Gedanken, eine geheime Nebenehe mit der jungen Dame zu führen, da das nach dem Alten Testament möglich sei. Nach großem Druck vonseiten Philipps gaben Luther und auch Melanchthon mit sehr schwerem Herzen am 10. Dezember 1539 den geheimen Beichtrat, der Landgraf könne eine solche Nebenehe führen. Aber diese Geheimehe, die nach außen als fürstliches Konkubinat gelten sollte, kam ins geheime Gerede. Bigamie stand im deutschen Recht unter Todesstrafe.
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