Detlef A., Jahrgang 1962 | 1 Kind, verheiratet in erster Ehe
Ost: Gas-Wasser-Installateur, West: Installateur, selbstständiger Haushandwerker,
Meister für Maschinenbau selbstständiger Trainer für Reha-Sport
Wenn wir uns streiten, streitet sie
und ich höre geduldig zu
Wir Kinder wuchsen in einer Dreiraumwohnung mit 58 Quadratmetern auf. Ich bin der mittlere von drei Brüdern. Der zwei Jahre ältere ist bereits an Krebs verstorben, der andere ist vier Jahre jünger als ich. Unser Kinderzimmer war so beengt, wie das heute fast nicht mehr vorstellbar scheint. Da wir direkt am Wald wohnten, haben wir natürlich viel draußen gespielt. Ich entstamme einem politisch eher linken, sehr naturverbundenem Elternhaus. Unser Vater hat sich vom Chemiefacharbeiter zum Meister qualifiziert. Später machte er in der Gewerkschaft des Zementwerkes ein bisschen Karriere. Unsere Mutter, ebenfalls Chemiefacharbeiterin, bildete sich ebenfalls weiter und arbeitete als Erzieherin und Lehrerin für Kunsterziehung. Natürlich bin ich in den Kindergarten gegangen, besser gesagt gerollert. Ich bin mit meinem Roller den einen Kilometer langen Weg zum Kindergarten alleine gefahren. Heute unvorstellbar! 1968 wurde ich eingeschult. Die Kinder aus unserer Straße liefen die knapp drei Kilometer zur Schule ohne Begleitung zu Fuß. Bis zur 10. Klasse besuchte ich die POS*. Ich überlegte lange, für welchen Beruf ich mich entscheiden sollte, schwankte zwischen Koch und Gas-Wasser-Installateur. Letztendlich entschied ich mich für den Installateur. Das Kochen ist jedoch meine große Leidenschaft geblieben.
Den Beruf des Installateurs erlernte ich im Zementwerk. Mit 17 Jahren habe ich auf dem Weg zur Berufsschule meine heutige Frau kennengelernt. Bereits mit 19 Jahren haben wir geheiratet und nach dem Motto »jung gefreit hat nie bereut« führen wir bis heute eine glückliche Ehe. Vielleicht haben sich einfach die Richtigen getroffen. Entscheidender als die Jugend wird aber sein, dass wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe führen.
1981 wurde ich für anderthalb Jahre als Bau-Pionier zur Armee eingezogen. In dieser Zeit haben wir geheiratet. Nach meiner Armeezeit bin ich vom Radsport zum Handball gewechselt. Ich habe selbst Handball gespielt und dort Übungsleiterausbildungen durchlaufen. 30 Jahre lang habe ich ehrenamtlich als Handballtrainer gewirkt.
Bis 1984 arbeitete ich im Zementwerk als Installateur, wechselte dann als Betriebshandwerker in die Wohnungsbaugenossenschaft in R. Mein weiterer Berufsweg führte mich damals in das Chemiewerk nach R. Dort wurde ich als Brigadier eingesetzt und übernahm bald eine Meisterstelle, zunächst noch ohne die entsprechende Ausbildung. Da der Betriebsleiter aber Wert darauf legte, dass ich eine Meisterausbildung absolviere, begann ich im Frühjahr 1989 die Ausbildung zum Meister für Maschinenbau. Die theoretische Ausbildung gestaltete sich ziemlich schwierig. Durch die Wendewirren 1989/90 galten plötzlich völlig neue Regeln. Die Meisterausbildung habe ich trotzdem erfolgreich beendet. Aber der Betrieb, der mich zur Ausbildung entsandt hatte, stand kurz vor dem Aus. Die Ruinen des Betriebes stehen bis heute noch in der Landschaft und dienen ab und zu als Filmkulissen. Um den technischen Fortschritt nicht zu verpassen, denn in dieser Zeit änderten sich viele Materialien und Techniken, musste ich mir so schnell wie möglich Neues aneignen. Mit dem Meisterabschluss für Maschinenbau konnte man damals überhaupt nichts anfangen, denn die Maschinenbauindustrie der DDR wurde komplett platt gemacht. Ich hätte mit meiner Ausbildung sicherlich in den alten Bundesländern Fuß fassen können, da ich aber in der Region fest verwurzelt bin, habe ich daran keinen Gedanken verschwendet.
Also fing ich im Nachbarort bei einem bereits seit Jahren selbstständigen Installateurmeister an. Wegen des Instandhaltungs- und Modernisierungsrückstaus aus DDR-Zeiten waren das die Boomjahre in dieser Branche. In den fünf Jahren, in denen ich dort arbeitete, brachte ich mich auf den neuesten Stand der Technik. Von dort führte mich mein beruflicher Weg nach Berlin in einen größeren Betrieb. Dort arbeitete ich zwei Jahre wieder als Meister. Meine nächste sehr interessante Berufsstation war eine überbetriebliche Ausbildungsstätte. In dieser Einrichtung wurden Jugendliche in einem berufsvorbereitenden Jahr mit verschiedenen Tätigkeiten vertraut gemacht. Dort qualifizierte ich mich zum Ausbilder für Installateure und für Metallbauer. Die Arbeit mit den Jugendlichen hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Gestört hat mich allerdings, dass der Chef der Einrichtung damit eigentlich nur Geld verdienen wollte. Irgendwann merkte ich, dass es ihm völlig egal war, ob und wie die Jugendlichen ausgebildet wurden. Das interessierte ihn nicht im Geringsten. Er äußerte mir gegenüber: »Am liebsten sind mir die Teilnehmer, die nur rumsitzen oder in der Ecke schlafen. Dann verbrauchen sie kein Material, müssen sich nicht so oft die Hände waschen, was wiederum Wasser spart.« Das war nicht mein Ansatz. Ich wollte den Jugendlichen etwas beibringen.
Mir wurde klar, dass ich dort nicht bleiben konnte. Ich dachte darüber nach, mich selbstständig zu machen. Um den Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt zu erhalten, musste ich jedoch arbeitslos sein. Also ließ ich mich kündigen und ging für zwei Wochen in die Arbeitslosigkeit. In dieser Zeit besuchte ich ein Existenzgründerseminar, verfasste den von mir geforderten Businessplan – und dann ging es los. Ich habe mich als Handwerker »Rund ums Haus« selbstständig gemacht und konnte auf Anhieb von den Einkünften leben.
Im Jahr 2005 suchte im Nachbarort ein Sportstudio Kursleiter für Reha-Sport-Kurse. Da mich das interessierte und ich handwerklich nicht voll ausgelastet war, bewarb ich mich und fing dort mit zwei Kursen pro Woche an. Meine Kurse waren immer gut besucht. So wurde schnell mehr daraus. Weitere Sportstudios in der Umgebung suchten ebenfalls Trainer, und so legte ich meinen Fokus mehr und mehr auf den Reha-Sport .Mittlerweile bin ich nur noch als selbstständiger Trainer in den Bereichen Orthopädie und Innere Medizin tätig. Natürlich muss ich mich ständig weiterbilden und meine Lizenzen erneuern. Da ich meine Dienste für verschiedene Sportstudios und Vereine anbiete, habe ich mehrere Standbeine. Feste Geschäftspartner, feste Kurszeiten und stabile Einnahmen tragen dazu bei, dass ich abends beruhigt einschlafen kann. Letztlich habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Mit der beruflichen Selbstständigkeit habe ich meine Erfüllung gefunden. Ich konnte meine Potenziale gut entwickeln und bin zufrieden in meinem Job als Trainer. Das Feedback ist unmittelbar. Man spürt sofort, ob der Kurs gut läuft, oder ob man etwas umsteuern muss. Ich erhalte praktisch mit jedem Sportkurs Anerkennung – und wer hat das schon in seinem Job.
Die Corona-Pandemie stoppte für mich alles. Corona bedeutet für mich, wie für viele andere auch, von einem Tag auf den anderen Berufsverbot.
Parallel betätige ich mich weiterhin ehrenamtlich auf unterschiedlichsten Ebenen. Seit 2002 bin ich Vorstand der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaft und bereits seit 1990 vertrete ich, damals die PDS*, heute Die Linke in der Gemeindevertretung als Fraktionsvorsitzender. Im Zuge der letzten Kommunalwahl wurde ich zum Ortsvorsteher für unseren Ortsteil mit über 10.000 Einwohnern gewählt. Ich gehörte nie zu denjenigen, die danebenstehen und nur meckern. Eher versuche ich anzupacken, um etwas zu verbessern. Das war zu DDR-Zeiten so und es ist bis heute so geblieben. Was ebenfalls geblieben ist, ist das Gefühl, bei allem Engagement auch heute oft gegen Mauern zu laufen, die sich anscheinend nicht einreißen lassen.
Da ich mit zwei Brüdern aufgewachsen bin, ist Hausarbeit für mich nichts Ungewöhnliches. Backen und Kochen habe ich im Elternhaus gelernt. Ich hatte überlegt, Koch zu werden. Putzen ist für mich kein Problem. Wir organisieren unser Familienleben partnerschaftlich gleichberechtigt, so wie es mir meine Eltern beigebracht haben. Allerdings hat mein Vater das, was er uns predigte, selbst nicht immer so praktiziert. Er hat sich seine Auszeiten gegönnt, sodass die Hauptlast der Arbeit, auch mit uns drei Jungs, auf den Schultern unserer Mutter lag.
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