„Das ist nicht eine Frisur, sondern keine Frisur!“
Pat lachte dann immer höflich über mein – ich hoffe sie hat es so aufgefasst – Wortspiel und fuhr fort: kämmen, feststecken, sprayen und glattziehen. Nach jedem neuen Haar-Stil stellte ich mich mit prüfendem Blick vor den Spiegel, starrte in mein Gesicht und kämpfte dann darum, mit meinem Erscheinungsbild irgendeinen Friedensvertrag zu schließen. Hatte ich ein rundes Gesicht? Sah ich hinreißend aus? Na, klar. Ich erkenne das nun mit zeitlichem Abstand, aber die meisten von uns wirken aus der Entfernung attraktiver.
Schließlich kamen wir bei den „Kopfhörer-Haaren“ an. „Ja, und was denkst du darüber, meine Liebe? Sei jetzt ehrlich. Du musst die Frisur eine ganze Weile tragen.“ Sie hatte überhaupt keine Vorstellung, wie lange „eine ganze Weile“ war.
„Es ist okay“, brachte ich über meine Lippen. „Ich meine, ich finde sie besser als viele der anderen. Ich meine – das ist keine Beleidigung -, aber …“
„Oh, tsch, tsch, mein Liebling – ich bin überhaupt nicht beleidigt. Ich versuche nur, ihre Wünsche zu erfüllen, obwohl ich mir auch nicht ganz sicher bin, wie die exakt aussehen.“
„Kann es nicht etwas … einfacher sein? Warum muss das Haar so … du weißt schon, so …“
„Es ist ein Weltraum-Fill-um, meine Liebste. Wir können da keine Späßchen machen und dich die Frisur tragen lassen, die du einen Pferdeschwanz nennst (an dieser Stelle riss sie an meinem Pferdeschwanz!) mit einem Pony. Können wir nun?“
Ich verstummte. Für mich klang der Pferdeschwanz nach all den Zöpfen und Haarnadeln … nicht gut, aber besser.
„Nein, wirklich nicht. Da nehmen wir beide noch mal unsere Kräfte für eine kleine neue Show zusammen, sollen wir?“
„Okay“, antwortete ich zügig, „lass uns also hingehen und denen einen in den A …“ Pat sah mich schelmisch an. Auch ich hatte ein breites Grinsen aufgesetzt. „Fick mich zweimal, und lass es uns noch einmal locker machen.“
Wir gingen zum Set. Pat blickte optimistisch aus ihren strahlend blauen Augen und stolzierte erhobenen Hauptes von dannen, umrahmt von ihren silbernen Haaren – und ich sah aus, als fehlten mir nur noch ein Dirndl, ein Ziegenbock und Clogs, um unverzüglich eine Rolle im idyllischen Rodgers/Hammerstein-Musical The Sound of Music (Meine Lieder – meine Träume) zu besetzen. Wir trafen auf eine Gruppe reisender Minnesänger – nein, Scherz beiseite. Ich hätte mir gewünscht, auf ein kleines Reisegrüppchen zu treffen, doch stattdessen empfing uns ein Dreier-Komitee: der erste Regieassistent David Tomblin, Produzent Gary Kurtz, der möglicherweise unter seinem modischen Outfit – einem Bart und einem ernsthaften Gesichtsausdruck – insgeheim gelächelt haben mag, sowie George.
„Tja …“, war alles, was George sagte. Dave Tomblin sprach für die ganze Gruppe, als er das wiederholte, was er auch schon zu den mindestens letzten sechs Frisuren geäußert hatte: „Ich glaube, das ist eher …“
„… charmant und schmeichelhaft!“, beendete Gary den Satz für ihn.
„Was hältst du davon?“, fragte mich George.
Nun, erinnern Sie sich bitte daran, dass ich die gewünschten fünf Kilo nicht abgespeckt hatte. Ich befürchtete, dass sie das jede Minute sehen könnten und mich schon vor Drehbeginn feuern würden.
Und so antwortete ich: „Ich liebe die Frisur!“
Ungefähr zu dieser Zeit entwickelte ich eine unkontrollierbare Begeisterung für eine Make-up-Verstärkung, die mir heute die Schamesröte ins Gesicht treibt: Lipgloss. Ich trug so viel Lipgloss, dass man bei einem Kuss-Versuch wahrscheinlich von meinen Lippen abgeflutscht wäre und sich die eigenen „gebrochen“ hätte. Ich habe niemals verstanden, was Lipgloss denn nun verstärken sollte. Sollte das der Spucke gleichen, wenn man die Lippen benetzt? Auch wenn jemand seine Lippen manisch befeuchtet, würde das immer noch nicht den Einsatz der klebrigen Substanz rechtfertigen, die viel zu überzogen wirkt. Niemand hat so eine nasse Zunge, oder, wenn es so wäre, müsste sie der eines Buffalos gleichen – oder der meines Hundes Gary, der eine Zunge in der Größe von zwei Wohnhausblocks hat, womit er sich, falls es ihm gefällt, auch seine Augen lecken kann. Aber auch wenn Garys schrecklicher Sabber auf meinen Lippen – oder denen eines anderen Bemitleidenswerten – landen würde, zweifle ich doch stark daran, dass solch ein aufdringlicher Look entstünde.
Es würde höchstens sehr dick aufgetragen wirken. Leia aber einen so hochpolierten Lippenglanz zu verpassen, hätte selbst Vader Angst einjagen müssen und fürchten lassen, er könne auf dem Lipgloss ausrutschen und seinen Atemregulator zerstören. Und mal ehrlich: Wer zieht mit Lipgloss in die Schlacht? Antwort: ich bzw. natürlich Leia.
Die leider schon verstorbene Schauspielerin Joan Hackett war eine wesentlich ältere Freundin, die mir viele von den Dingen beibrachte, die mich meine Mutter kluger- oder unklugerweise nicht lehrte – darunter auch die Begeisterung für und die Philosophie des Lipgloss. Ich habe später einen Western mit ihr gesehen, wo sie so viel von dem Zeug trägt, dass man damit ein ganzes Auto einwachsen könnte. Allerdings passte das zu ihr, meistens – das stimmt wirklich. Doch bei einer abschließenden Analyse habe ich dann herausgefunden, dass Weltraum-Schlachten und Lipgloss nicht zusammengehören.
Ich erinnere mich wenig an Details wie zum Beispiel den Drehplan oder mit wem ich zuerst tiefere Bekanntschaft schloss. Niemand hat daran gedacht, dass man eines Tages die Erinnerung an diese lange vergangene Erfahrung wiederbeleben müsste. Dass eines Tages – und dann für immer – Informationen über Star Wars extrem begehrt sein würden. Dass es ein unstillbares Verlangen danach gäbe, als handle es sich um Nahrung während einer Hungersnot.
Überall, wo ich hinschaute, entdeckte ich Neues. Die britische Crew: neu. Die Art, wie man mich behandelte: neu. Das Gefühl so vieler neuer Möglichkeiten, die man schwer benennen oder auf die man sich nur selten lange genug konzentrieren konnte: sehr neu.
Ich las einen Dialog, der mir unmöglich erschien. Am ersten Tag spielte ich eine Szene mit Peter Cushing in der Rolle des Gouverneurs Tarkin. Das war die Szene, in der ich sagen sollte: „Ich habe euren fauligen Gestank schon erkannt, als ich an Bord gebracht wurde.“ Wer spricht denn so, ausgenommen ein Pirat im 17. Jahrhundert? Ich schaute mir die Zeilen an, und mir fiel eine andere Version ein: „Hey, Gouverneur Tarkin, ich wusste, dass ich Sie hier treffen würde. Als ich an Bord des Schiffes ging, dachte ich: Mein Gott! Das muss Gouverneur Tarkin sein. Jeder weiß, dass der Kerl wie ein Käse müffelt, den jemand nach sieben Wochen in seinem Auto gefunden hat!“ Und so zog ich das durch – eher höhnisch und weniger emotional. Furchtlos und wie ein richtiger Mensch, aber nicht ernsthaft. Ironisch. Wie das Mädchen von Long Island, das weder dich noch einen deiner Bekannten fürchtet.
Und dann gab mir George die einzige Anweisung, die ich jemals von ihm erhalten habe, ausgenommen die Vorschläge, den Text „schneller“ zu sprechen oder „intensiver“. Er nahm mich beiseite und riet mir mit feierlicher Stimme: „Das ist eine große Aufgabe für Leia. Übermächtig groß. Ihr Planet steht kurz davor, von diesen Kerlen in die Luft gejagt zu werden. Und das bedeutet, dass alles, was sie kennt, für immer ausgelöscht sein wird. Und somit bist du unglaublich aufgeregt. Leia ist aufgeregt.“
Ich hörte aufmerksam zu, da ich anscheinend die ernsthaftesten Zeilen des ganzen Films sprechen musste, mir aber vorher nicht klar darüber war, dass ich sie mit genau der Intensität umsetzen musste. Wenn man sich den Film im Original anhört, zeigt sich schnell, dass meine Stimme in spannenden bzw. angespannten Situationen irgendwie britisch klang, in entspannten jedoch weniger.
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