Zum Filmbeginn versuchte ich mich unter dem Radar zu bewegen, damit die dort herrschende Macht nicht sah, dass ich die eingeforderten fünf Kilo nicht abgenommen hatte. Ich wog zwar nur rund 55 Kilo, doch ich trug davon ungefähr die Hälfte in meinem Gesicht. Ich glaube, dass sie mir die Haarknoten als eine Art Buchstütze verpasst hatten, damit mein Gesicht dort blieb, wo es auch hingehörte, nämlich zwischen den Ohren, und nicht darüber hinauswuchs.
So sollte ich sein, die Wangen in Form gebracht – mein Gesicht so rund, wie ich klein war, aber nicht runder.
Die Dreharbeiten dauerten gewöhnlich von Montag bis Freitag und endeten meist um 18:30 Uhr. Das vom Schicksal am meisten gestrafte Grüppchen des Teams – und dazu gehörte ich zweifellos – wurde schon um fünf Uhr morgens zum Set beordert. Ich stand also vor der Morgendämmerung auf, wurde vor meiner Kensingtoner Wohnung von dem fröhlichen und lebenslustigen Fahrer Colin abgeholt, der mich mehr als zügig durch das größtenteils noch schlafende London beförderte, hin zu einer rosigen Morgendämmerung, die sich hinter den Außenbezirken der Stadt am Himmel abzeichnete. 45 Minuten später standen wir vor dem weniger romantischen Zaun der Borehamwood Elstree Studios.
Und warum bat man mich, zu dieser gottlosen Stunde zu erscheinen? Welchem monströsen Umstand hatte ich das zu verdanken, neben vielen anderen – die es eher brauchten, da mit Mähnen ausgestattet, dick und wallend, die bis zu ihren wartenden Hüften hinunterreichten?
Vermutlich haben es Sci-Fi-Fans schon erraten. Ja, es war diese überaus schreckliche und lächerliche Leia-Frisur – im Grunde genommen zwei Haarstränge, die man an jeder Seite meines Kopfs „festtackerte“. Zuerst den einen, dann den anderen. Meine langen braunen Haarsträhnen wurden mit eisenharter Hand geflochten und dann zu den beiden übergroßen-zimtfarbenen Dutts verdreht. Das geschah mit einer Geschicklichkeit, die mich immer wieder in Erstaunen versetzte. Die Hairstylistin arbeitete sorgfältig und flocht aus meinen Haaren die seither berühmte Frisur, bekannt als die „Buns of Navarone“ [Anm.: „Buns“, auf Deutsch „Dutt“ bzw. „Haarknoten“, reimt sich auf „guns“ in Anspielung auf den bekannten Kriegsfilm The Guns of Navarone (Die Kanonen von Navarone)], da das morgendliche Hairstyling regelrecht einem Kampf glich.
Pat McDermott war jene mit dem Spezialauftrag betreute Stylistin und musste mir täglich die für den Film erforderliche Frisur machen. Da ich bislang nur einen Haar-Stil in Shampoo getragen hatte, glaubte ich zuerst, dass es sich um eine einfache Aufgabe handle. Perücke aufsetzen, ein bisschen die Haare kämmen, noch einige Haarnadeln anbringen – voilà: Frisur fertig. Was hätte leichter sein können? Tja, aus dem vermeintlich einfachen Job entwickelte sich dann mehr, als man hätte ahnen können, denn Leias Frisur wurde später von Kindern getragen, Transvestiten und Pärchen, die einer sexuellen Fantasie nachgingen, auf alle Zeiten festgehalten in der Sitcom Friends. Hier wäre doch wohl mehr Verantwortungsbewusstsein von Nöten gewesen, als man ursprünglich dachte, oder? Natürlich konnten wir damals nichts davon ahnen. Und so versuchte Pat jeden Morgen, das abzuliefern, was man von ihr erwartete: eine ungewöhnliche Haarpracht, getragen von einem 19-jährigen Mädchen, das eine Prinzessin spielte.
Pat stammte aus Irland und redete mit einem liebenswürdigen Akzent, wodurch sie das Leinwandwerk (je nach morgendlicher Verfassung) als „Fill-um“ aussprechen konnte (oder eben nicht konnte). Sie nannte mich auch „meine Liebste“ oder „mein herzallerliebstes Mädchen“: „Ist das nicht ein absolut toller Fill-um, mein herzallerliebstes Mädchen?“ Oder, wenn sie eine Passage gesehen hatte: „Wer anderes könnte das sein als mein herzallerliebstes Mädchen und ihre verrückte Frisur, die ich ihr tagein, tagaus für den neuen Fill-um mache?“ Allerdings glaube ich nicht, dass sie den letzten Satz tatsächlich so gesagt hat, doch es hätte durchaus im Bereich des Möglichen gelegen.
Da ich bereits so früh am Morgen eintraf, schlief ich unweigerlich auf dem Make-up-Stuhl ein, ein einfaches Mädchen mit feuchten, krausen Haaren, dessen Kopf nach hinten fiel und das unscheinbare T-Shirt, das sie trug, erkennen ließ. Wie durch ein Wunder erwachte dieses Mädchen zwei Stunden später wieder, verwandelt von „Wer zum Teufel ist das denn“ in die großartige, mächtige und selbstbewusste Prinzessin Leia Organa, ehemals von Alderaan und nun von überall sonst, wie es ihr genehm ist.
Ich hatte zahlreiche Probleme mit meinem Erscheinungsbild in Star Wars. Reale Probleme – nicht die, die man vortäuscht, damit die anderen glauben, man sei bescheiden, obwohl man insgeheim von seinem Aussehen überzeugt ist. Was ich im Spiegel sah, deckte sich augenscheinlich nicht mit dem Bild vieler Teenager-Jungs. Hätte ich damals von dem ganzen Masturbieren gewusst, das ich anregte – tja, ich wäre in vielerlei Hinsicht recht verwirrt gewesen und bin froh, dass ich nichts davon ahnte. Jetzt ist es mir klar. Aber wenn Männer – 50plus bis runter zu … das Alter für solche Aktivitäten lässt sich mittlerweile recht niedrig ansetzen –, wenn sich mir Männer nähern und mich wissen lassen, dass ich ihre erste große Liebe gewesen sei, reagiere ich, ja, mit gemischten Gefühlen. Warum fanden es diese Männer damals so einfach, sich in mich zu verlieben, und warum fällt es ihnen heute so schwer?
Ich habe keine Vorstellung, wie viel Zeit Pat und ich miteinander verbrachten. Sie war die Erste am Set, die ich morgens sah, und die Letzte, der ich am Abend noch begegnete. Doch am Morgen entstand zwischen uns eine enge, geradezu intime Verbindung. Da das Styling der Haare so lange dauerte, verbrachten wir ungeheuer viel Zeit zusammen, die wir mit Gesprächen überbrückten. Es gleicht einer Horrorvorstellung, mit einem schweigenden Menschen zu arbeiten. Das ist ein Tiefpunkt jeder Konversation. Klar, man kann das Radio einschalten, dasitzen oder stehen, vage lächeln und vortäuschen, dass man nicht an einem anderen Ort sein möchte, aber …
Zu Beginn verfügte Pat über Skizzen meiner möglichen Frisuren, die man ihr als Richtlinie gegeben hatte. Ich schaute sie entsetzt an und muss eine ähnliche Grimasse geschnitten habe wie da, als man mir die Entwürfe des Metall-Bikinis unter die Augen hielt. Es war der Bikini, den ich trug, als ich Jabba umbrachte (die Lieblingsszene meiner persönlichen Filmgeschichte). Ich kann Ihnen das nur empfehlen: Stellen Sie sich vor, das Äquivalent zu einer gigantischen Weltraum-Nacktschnecke ins Jenseits zu befördern, und feiern Sie das danach. Bei mir wirkt das Wunder, wenn mich schreckliche Bilder meiner Frisur plagen, die haarigen Kopfhörern glich.
Pat zeigte mir also eine Vielzahl exotischer Looks, die von russischen Prinzessinnen bis hin zu schwedischen Zimmermädchen reichten. Ich schaute mir die Bilder mit einem leichten Panikgefühl an. Damals gab es noch keine Lady Gaga, die mir den Weg hätte weisen können.
„Die soll ich also tragen?“
Pat lächelte einfühlsam: „Nein, nicht alle. Nur eine. Ich bin mir sicher, sie wollen nicht, dass du eine Frisur trägst, die dir nicht gefällt.“
Ich warf ihr einen zweifelnden Blick zu. Das klang ganz und gar wie der Spruch: „Wer’s glaubt, wird selig!“
„Du machst dir zu viele Sorgen“, lachte Pat und kämmte dabei meine Haare nach hinten.
So gingen wir Haar-Stil nach Haar-Stil durch, um den zu finden, der am besten zu meinem Kostüm passte: zu dieser bestimmten Art von Clogs, einer merkwürdigen Küchenschürze und aufgepolsterten weißen Blusenärmeln. Eine Frisur, die sich möglicherweise die Tochter eines aztekischen Häuptlings zu ihrem Hochzeitstag gewünscht hätte. Geflochtene Zöpfe, sich wiegende Locken und nach oben hochgesteckte Perücken – ich saß wie ein Häufchen Elend vor dem Spiegel und sah zu, wie Frisuren das Gleiche mit meinem Gesicht veranstalteten, was ein Zerrspiegel auf dem Jahrmarkt aus Ihrem macht.
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