Elizabeth fuhr jeden Tag mehrere hundert Kilometer. Als die Ostküsten-Staaten im Rückspiegel hinter ihnen verblassten, fühlten sie sich für einen kleinen Augenblick wirklich frei. Sie hatten keine Pläne und suchten sich jeweils am Ende eines Tages ein Motel zum Übernachten. Wenig später schrieb Billy den Song „You’re My Home“, der auf Piano Man und später auch auf Songs In The Attic erschien. In denLiner Notes wurde er so beschrieben: „Kitschig, aber wahr: Ich war damals, 1973, völlig pleite, und deshalb schrieb ich am Valentinstag dieses Lied als Geschenk für meine Frau.“
Home can be the Pennsylvania Turnpike
Indiana early morning too
High up in the hills of California
Home is just another word for you.
Etwa eine Woche nach ihrer Abreise kamen Billy, Elizabeth und Sean etwas erschöpft in Los Angeles an. Billy hatte Abstand von der Ostküste und den unangenehmen Erfahrungen mit der Musikindustrie gewinnen „und vom Angesicht der Erde verschwinden“ wollen. Aber Jon Small hatte er nicht abgeschüttelt.
„Eines Tages wollte ich meinen Sohn Sean besuchen, und er war nicht da“, berichtet Jon. „Ich rief überall an und erkundigte mich nach ihm und seiner Mutter. Keiner wusste, wo sie waren. Am gleichen Tag bekam ich einen Anruf von Billy. Hey, ich habe gehört, du suchst mich. – Ja, stimmt, wo steckst du denn? Und er antwortete: Äh, also, ich bin in Kalifornien. Ich meinte daraufhin: Das ist ja witzig. Elizabeth ist weg und Sean auch. Ich habe keine Ahnung, wo sie sind.“
Nach ein paar unbehaglichen Sekunden begriff Billy, dass Elizabeth Jon nichts davon gesagt hatte, dass die drei nach L.A. reisten.
Jon war fuchsteufelswild und beendete den Anruf schnell. „Sofort, nachdem ich aufgelegt hatte, setzte ich mich in den nächsten Flieger nach L.A., und dort mietete ich mir ein Auto. Als erstes fuhr ich den La Cienega Boulevard entlang, weil Billy mir erzählt hatte, dass er im Troubadour auftrat. Im Club wollte mir niemand verraten, wo er sich aufhielt, aber am nächsten Tag, als ich gerade von einer Telefonzelle auf dem Santa Monica Boulevard meine Mutter anrief, sah ich Billy, wie er aus dem Tropicana Hotel schlenderte. Kurz darauf kamen Elizabeth und Sean die Treppe runter. Ich rief noch: Ich hab sie, ich hab sie, Ma, dann warf ich den Hörer auf die Gabel und rannte über die Straße, als sie gerade ins Auto steigen wollten. Ich schlug mit der Hand auf die Kühlerhaube und rief: Hab ich euch erwischt!“
Trotz allem, was passiert war – letztlich konnte die unangekündigte Reise durchaus als Kindesentführung gewertet werden – war ihnen allen die Absurdität der Situation bewusst. „Wir gingen wieder ins Hotel“, berichtet Jon, „und 20 Minuten später lachten wir schon wieder, weil uns klar wurde, wie sehr wir einander vermisst hatten. Ganz plötzlich fühlte ich mich großartig. Ich war mit meinem Kumpel zusammen, und obwohl mir nicht gefiel, was Elizabeth getan hatte, mochte ich sie immer noch. Die beiden waren meine besten Freunde, und wir hatten viel Spaß. Sean war auch da – alles war bestens.“
Als der Abend heraufzog, begann Jon weiter über die Sache nachzudenken. „Elizabeth hatte mir gesagt, sie würde am nächsten Tag mit mir nach New York zurückkehren. Wir wollten fliegen. Es war wirklich lustig: Billy und Liz verschwanden im Schlafzimmer, und ich sollte mit Sean im Wohnzimmer schlafen. Ich rief meine Mutter an, und die sagte mir als erstes: Wir haben Detektive losgeschickt. Als ich erklärte, dass alles geregelt sei, beharrten meine Eltern: Nein, nein. Du kannst Billy nicht vertrauen. Die Detektive sollten gegen drei Uhr morgens bei euch ankommen. Mach dich bereit für die Rückreise.“
Die Besorgnis seiner Eltern färbte auf Jon ab, der grübelnd die Minuten zählte und keinen Schlaf fand. „Ich wartete und dachte darüber nach, was später passieren würde. Wenn es nach mir ging, dann wollte ich mir, wenn diese angeheuerten Typen hier auftauchten, Sean schnappen und mich leise mit ihm davon schleichen. Billy und Elizabeth schliefen ja fest, sie würden gar nichts mitbekommen, bis wir schon im Flugzeug saßen. Aber als diese Kerle im Hotel aufkreuzten, klopften sie laut an, und der eine sagte: Wir wollen mit ihr reden. Sie weckten Elizabeth, und Billy natürlich auch, und plötzlich war Elizabeth nicht mehr bereit, Sean aufzugeben. Aber die Detektive bedrängten sie und machten ihr Angst. Schließlich fuhren wir los, diese beiden Typen, Elizabeth, Sean und ich. Sie war total sauer auf mich. Wir saßen auf dem Rücksitz ihres Autos und diese Kerle fragten Elizabeth, wo es lang ging – Wie kommen wir denn hier zum Flughafen? Sie meinte nur: Fuck you.
Am Flughafen begegnete uns als erstes ein Polizist. Elizabeth lief auf ihn zu und sagte: Die wollen mich entführen! Einer von den beiden Jungs erklärte: Wir sind Privatdetektive aus New York, und daraufhin meinte der Cop: Ihr habt hier überhaupt keine Gesetzesgewalt. Verzieht euch. Sie reisten also allein ab, und ich fuhr mit Elizabeth zurück ins Hotel. Als wir am Tropicana ankamen, stand Billy mitten auf dem Parkplatz und war völlig fertig. Wir waren nur 40 Minuten unterwegs gewesen. Am nächsten Tag reisten dann wir drei – Elizabeth, Sean und ich – zurück nach New York. Billy blieb in Kalifornien.“
Jon fährt fort: „Es war eine sehr herzzerreißende Geschichte, nicht nur für mich, sondern auch für ihn. Und sicher auch für Elizabeth. Wenn es eines gibt, das ich daraus gelernt habe: Liebe ist wirklich stark. Wenn man jemanden liebt, dann tut man alles für ihn. Und Billy ist ein ziemlicher Romantiker. Ich wusste, dass es ihm wehtat, es war auch für mich sehr schmerzhaft. Und ich bin mir sicher, dass es ihn heute noch umtreibt.“
„Was diese Nacht angeht“, sagt Billy, „so erinnere ich mich nur an die zwei Privatdetektive, die sagten: Wir nehmen Sean jetzt wieder mit nach New York. Sie haben ihn illegal hierher gebracht, bla bla bla.“
Zwar hatte Billy nicht das Gefühl einer körperlichen Bedrohung, aber er wusste nicht, mit welchen strafrechtlichen Konsequenzen er eventuell rechnen musste. „Sie schienen das Gesetz auf ihrer Seite zu haben“, sagte er über die Privatdetektive, „und deshalb ging Elizabeth mit ihnen mit. Ich wusste überhaupt nichts davon.“ Das Misstrauen und die Entfremdung, die sich später zwischen Billy und Elizabeth entwickelten, nahmen möglicherweise unbewusst schon hier ihren Anfang.
„Es war ziemlich heftig. Plötzlich war ich allein im Tropicana: keine Freundin, kein Kind. Alle waren weg.“
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