GREG: Du wirst in unserer Band spielen.
JAY: Na gut, ich habe eine Gitarre.
GREG: Einen Gitarristen haben wir schon. Du wirst Bass spielen.
JAY: Okay. Ich habe aber keinen Bass.
GREG: Hier sind ein paar Songs, die wir geschrieben haben. Kannst du einen Bass auftreiben?
JAY: Ach, scheiß drauf. Okay.
Beim Anheuern von Bandmitgliedern aus ihrem unmittelbaren Freundeskreis folgten sie einem Schema, was auch zeigt, wie klein die Punk-Szene in Los Angeles 1980 tatsächlich war. „Es gab ja niemand anderen, den sie hätten fragen können“, sagt Jay. „Und ich war ja schon da.“
Jay bat seine Eltern, ihm doch eine Bassgitarre zu kaufen. „Es folgten intensive Verhandlungen. ‚Ich werde den Rasen dreimal mähen! Ich bringe ab jetzt immer den Müll raus.‘ Mein Stiefvater war ein großer Fan der Kaufhauskette Sears, also kauften wir dort einen Bass. Das war ein Jazz-Bass mit einem Hals, der nur dreiviertel so lang wie ein normaler Bass war. Ein Bass für Kinder. Ich hatte nicht die geringste Ahnung von irgendetwas. Also kaufte ich einen Kurzhals-Bass und mietete einen Verstärker vom Gitarrenladen in meiner Straße.“
Jay konnte nicht Bass spielen, weshalb er bei der Probe einfach Brett imitierte. Schon bald fand er aber heraus, welche Töne den Barré-Griffen entsprechen, und klinkte sich ein. Jay fühlte sich bei seiner ersten Bandprobe eingeschüchtert, da er ein kompletter Anfänger war und die älteren Brett und Ziskrout schon Erfahrung in Bands gesammelt hatten. „Diese Jungs machten Nägel mit Köpfen“, sagt Jay. „Da wurde nicht lange gefackelt. Wir hatten nur drei Songs, weshalb wir sie einfach hundert Mal spielten. Ich war wirklich nicht gut, aber es machte Spaß.“
Seine fehlende Erfahrung machte er mit überschäumendem Enthusiasmus wett. Obwohl er sein Instrument nicht beherrschte, gefiel Greg, was er da hörte. „Als Bentley zu unserer nächsten Probe erschien, um mit uns in Ziskrouts Wohnzimmer zu spielen, klang das mit einem Bass gleich nochmal so gut.“
Im Anschluss an die Probe wurde sofort der nächste Termin vereinbart. Außerdem mussten sie sich einen Namen einfallen lassen. „Wir saßen im Wohnzimmer meiner Mom“, erinnert sich Ziskrout. „Wir fragten uns, wie wir die Band nennen sollten. Ich glaube, es war Brett, der Bad Religion vorschlug. Wir alle liebten den Namen, da er weit über Religion hinausging. Es war eine Reaktion gegen etablierte Denkschulen. Hier hast du, was du denken und glauben sollst. Unser Ethos widersprach der Vorstellung, wie Schafe durchs Leben zu gehen.“
Der Name gefiel auch Greg, obwohl dieser nur sehr wenig mit organisierter Religion in Kontakt gekommen war. „Ich wurde in einem Haushalt erzogen, in dem religiöse Lehren überhaupt keine Rolle spielten, da meine Mom diesbezüglich traumatisiert war. Religion hatte keinerlei Einfluss auf mich. Ich kannte keine Geschichten aus der Bibel. Aber ich würde sagen, dass ich schon ein spiritueller Typ war. So genoss ich es sehr, als uns unser Lehrer Hermann Hesse als Lektüre aufgab. Als wir mit ihm Thoreau durchnahmen, fand ich das auch toll. Ich fühlte mich zu Naturwissenschaft und buddhistischer Philosophie hingezogen. Das fand ich höchst interessant. Bei diesen frühen Proben hatten wir noch keinen Namen, aber es ergab einen Sinn für mich, dass wir uns Bad Religion nannten.“
Brett fand sofort einen Draht zu seinem jüngeren Mitschüler Greg. „Wir hatten ganz schön großes Glück, dass wir uns fanden“, sagt Brett. „Ich war schon sehr früh ein Agnostiker geworden. Meine Eltern thematisierten Religion wohl nur, damit ich meine Bar Mitzvah feiern konnte. Ich war, was das anging, durch und durch skeptisch eingestellt, da ich mich immer schon sehr für Philosophie interessiert hatte, aber eben eher als Agnostiker oder womöglich auch als Pantheist. Die meisten Kids lesen Siddharta in der Junior High und finden keinen Gefallen daran. Ich steigerte mich da aber richtig rein, und Greg ging es ebenso. Mich faszinierten westliche wie östliche Philosophien und ich stand den religiösen Lehren, mit denen ich konfrontiert wurde, skeptisch gegenüber.“
Brett versuchte, das, was er lernte, quasi zu bündeln und Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden. Das unterschied ihn auch von den anderen Schülern. In Jay Ziskrouts Augen stellte die Band eine Erweiterung dieser Interessen dar. „Brett war schon ein Philosoph, lange bevor die Kids so dachten“, sagt Ziskrout. „Er steckte mir dauernd Bücher zu, die ich lesen sollte.“
Der Name Bad Religion schuf die Rahmenbedingungen für die Art von Band, die sie sein wollten. Er etablierte ein Ordnungsprinzip und ließ ihren Standpunkt hinsichtlich einer Reihe gesellschaftlicher Fragen nicht lange im Unklaren. „Bad Religion vermittelte uns eine Perspektive“, sagt Greg. „Wir waren wütende junge Männer, daran gab es keinen Zweifel – und als Punks mussten wir ja gegen irgendetwas aufbegehren. Ob wir nun als weiße amerikanische Kids im Jahr 1980 überhaupt das Recht hatten, wütend zu sein, sollen andere entscheiden, aber wir waren es. Es ist ganz einfach, rückblickend zu analysieren, warum wir die Band so nannten, aber es hat sich durchaus gelohnt für uns. In mehr als nur einer Hinsicht.“
„Wenn man seine Band Wasted Youth nennt“, so Brett, „wird es mit 55 schwierig, weiterhin eine Kernaussage zu vertreten.“
Noch aufsehenerregender als ihr Name war ihr Logo, das durchgestrichene Kreuz. Brett erschien zur Probe in Jay Ziskrouts Wohnzimmer mit einer Zeichnung auf einem Stück Pappe. „Ich hab’s!“, verkündete er.
Greg war sofort klar, dass sie damit einen Nerv trafen. „Ich wusste an Ort und Stelle, dass es das richtige Logo war.“
Als Brett sich daran machte, es noch weiter auszuarbeiten, griff er mit Absicht auf Rot, Weiß und Schwarz zurück – Farben, die mit dem Hakenkreuz und der NSDAP in Verbindung gebracht werden. „Es kam durchaus vor, dass man in der frühen Punk-Szene auf Leute traf, die Hakenkreuze trugen“, sagt Brett. „Ich nahm an, dass die Kids es trugen, um zu schockieren, aber das fand ich nicht sehr ansprechend. Ich hätte das nie tun können. Das rot-weiß-schwarze Crossbuster-Logo ist ein starkes, schockierendes Symbol. Als jüdischer Junge war es etwas, das ich auch tragen konnte und ebenso schockierend war wie das Hakenkreuz.“
Innerhalb kürzester Zeit hatten sie sich nun auf einen Bandnamen und ein Logo geeinigt. Außerdem stand noch zur Debatte, wie sie ihre Ideen präsentieren und wahrgenommen werden wollten. Zwar war man übereingekommen, weiterhin zu proben, doch die Intensität dieser Zusammenkünfte erschwerte es ihnen, lange an einem Ort zu bleiben. So zogen sie von Ziskrouts Wohnzimmer in Bretts Garage, bis sich die Nachbarn beschwerten. Als sie in Jays Haus loslegten, rief jemand sofort die Polizei. „Letztlich landeten wir in Graffins Garage“, so Jay. „Das war der einzige Ort, von dem wir nicht vertrieben wurden.“
Das lag zu einem großen Teil an Gregs Mutter Marcella sowie den Nachbarn in Canoga Park. Marcella vertraute ihren Söhnen und stellte nicht viele Regeln für sie auf. „Ich spielte mich nicht als Richterin auf“, sagt sie. „Sie waren doch bloß Kinder. Als sie die Band gründeten, geschah das praktisch über Nacht. Ich musste meine Sachen auf eine Seite der Garage räumen. Ich stellte nicht zu viele Fragen. Mir war es lieber, dass sie sich hier als anderswo aufhielten.“
Obwohl Marcella in einer religiösen Familie aufgewachsen war, störte sie sich nicht am Namen der Band. „Ich liebte ihn“, sagt Marcella. „Das tat ich wirklich. Wenn die Jungs gefragt wurden, warum sie die Band Bad Religion genannt hatten, gaben sie unterschiedliche Antworten. Greg erklärte mir und anderen, dass alles eine ‚schlechte Religion‘ sein konnte. Zum Beispiel, wenn man sein unabhängiges Denken aufgab und nicht für sich selbst dachte. Natürlich sprach mich das an. Ich verband überhaupt nichts Negatives mit dem Namen.“
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