Obwohl meine Hände, die Arme und das Gesicht von den Stichen der Kakteen schmerzten, erkannte ich in diesem Moment, dass Arbeit etwas Gutes war. Aus Arbeit resultierte Geld. Arbeit und Geld bedeuteten Essen. Arbeit und Geld bedeuteten Glück.
Und das war die grundlegendste Lektion des Kapitalismus, die ich jemals lernte, obwohl ich damals noch viel zu jung war, um sie zu verstehen. Ich wusste lediglich, dass ich Stolz verspürte. Auch Mama war stolz. Und ich hatte eine riesige Eiscremetüte gegessen, die ich mir selbst verdient hatte.
Im Schweiße deines Angesichts, die Frucht deiner Arbeit – oder Worte, die einen ähnlichen Sinn ergeben! Sie stehen in einem Buch, das meine Vorfahren schrieben. Es ist der größte Bestseller aller Zeiten. Möglicherweise hast du schon einmal davon gehört: Es nennt sich die Bibel.
Mit Me, Inc. habe ich meine eigene Bibel verfasst. Eine Bibel, die dir hoffentlich hilft. Eines Tages wirst du deine eigene schreiben.
„Für das Unternehmertum gibt es kein großartigeres Land auf der Welt als die USA. In jeglicher Hinsicht, von der Hightech-Welt Silicon Valleys, wo ich lebe, über die Forschungs- und Entwicklungslaboratorien der Universitäten bis hin zu den unzähligen Inhabern kleinerer Geschäfte in einer Fußgängerzone nehmen Amerikaner Risiken auf sich, öffnen sich neuen Ideen und – was am wichtigsten ist – sorgen für Arbeitsplätze.“
ERIC RIES
(Unternehmer aus Silicon Valley, dem der Verdienst zugeschrieben wird, als Pionier die mit minimalem Aufwand initiierte Start-up-Bewegung angestoßen zu haben.)
1958, als ich achteinhalb Jahre alt war, saß ich mit meiner Mutter in einem Flugzeug Richtung New York. Mein Onkel Joe hatte uns die Tickets für den Flug in die USA zukommen lassen. Mutter erklärte, dass ich mir keine Sorgen machen solle, denn schon nach zwei Zwischenlandungen würden wir aussteigen.
Es war mein erster Flug in einer viermotorigen Propellermaschine der El Al Israel. Wie sich herausstellte, wurde es ziemlich turbulent, und ich musste mich übergeben. Allerdings war ich gleichzeitig überrascht und erfreut, dass man einfach so dasitzen konnte und Stewardessen das Essen reichten. So etwas hatte ich noch nie erlebt.
Ich liebe immer noch den Service bei Flugreisen.
Nachdem wir auf dem LaGuardia Airport gelandet waren, beeindruckten mich die unglaublichen Dimensionen von allem, was ich sah. In den USA schien wirklich alles größer zu sein, was meine Vorstellungskraft überstieg: die Gebäude. Die Autos. Die Essensportionen. Die Größe der Menschen. Es war einfach alles riesig.
Nach unserer Ankunft zogen wir in den Keller des Hauses meiner geliebten Tante Magda und von Onkel Larry in Flushing, Queens. Onkel Harry war der Bruder von Mum. Mich beeindruckte der mit Nahrungsmitteln gefüllte Kühlschrank. Stell sich das einer vor. Es war kein Restaurant, doch trotzdem besaßen sie einen mit Essen gefüllten Kühlschrank. Ich hatte bisher noch nie so ein Ding gesehen. Sie besaßen ein eigenes Haus, ein Auto, ein Fahrrad und einen bis oben hin gefüllten Kühlschrank – unglaublich.
Ich lernte damals auch Cocoa Marsh kennen, einen Schokoladensirup, den ich augenblicklich liebte. Noch mehr verblüffte mich ein großes Glas Marmelade. Als Tante Magda mein ehrfurchtsvolles Starren bemerkte, gab sie mir einen Löffel und sagte auf Ungarisch: „Na los, probier schon.“ (Sie sprach kein Hebräisch, und ich war des Englischen nicht mächtig.)
Ich dachte, dass sie gemeint habe, dass ich alles essen dürfe, und so verputzte ich mit einem Löffel das ganze Glas.
Meine Cousinen Eva und Linda, Tante Magda, Onkel Harry und meine Mutter konnten sich vor Lachen kaum halten. Ich wusste nicht, warum. Ich hatte in meinem jungen Leben noch nie etwas so Köstliches gegessen.
Und da gab es noch Wonder Bread. Lieber Gott – wie ich das Brot liebte. Für mich schmeckte es wie Kuchen. Oft aß ich es ohne einen Belag. Und nachdem ich erst mal Ketchup entdeckt hatte, gab es kein Halten mehr! Ich verschlang Ketchup-Sandwiches, die aus einem riesigen Klecks Ketchup zwischen zwei Scheiben Wonder Bread bestanden. Überall musste Ketchup drauf: Auf Thunfisch, auf Rühreier, einfach auf alles. Ich mache das noch immer.
Tante Magda und Onkel Harry erlaubten mir und Mutter zwei Jahre lang, in ihrem Keller zu wohnen. Ich werde ihnen auf immer und ewig dankbar sein. In dieser Zeit erlebte ich vieles zum ersten Mal: ein Fahrrad zu fahren, meine Zähne zu putzen und in einem geschlossenen Raum in einer Wanne zu baden. Und zum ersten Mal im Leben saß ich auf einer Toilette. Damals zeigte man mir auch Toilettenpapier. Ich musste mir nie mehr den Hintern mit Lumpen abputzen. Als ich das Klopapier zum ersten Mal benutzte, warf ich es in den Papierkorb, denn ich wusste nicht, dass man es die Kloschüssel runterspülte.
Jeder Tag entwickelte sich zu einer aufregenden Erfahrung. Die Straßen waren voller Autos und Menschen. Die Häuser standen alle in einer geraden und ordentlichen Linie. Jeder schien glücklich und wohlgenährt zu sein. Hier schien es völlig normal zu sein, Kids meines Alters mit einem großen Eishörnchen in der Hand spazieren gehen zu sehen. Dieser Schatz, ein Eishörnchen, für das ich so schwer hatte arbeiten müssen, war für die Kinder hier ganz normaler Alltag. Fast schon öde. Darin zeigt sich der Luxus der USA – es ist alles relativ.
Als ich zum ersten Mal zum Ende der Straße ging, in der Tante Magda und Onkel Harry wohnten, hatte ich Angst, die kreuzende Fahrbahn zu überqueren. Egal in welche Richtung ich blickte – die Straßen schienen mit Autos vollgestopft zu sein. Ich hatte zuvor noch nie eine Ampel gesehen und verstand somit auch nicht, wie man denn auf die andere Seite gelangen konnte. Als ich bemerkte, wie Passanten die Straße überquerten, folgte ich ihnen schleunigst. Und dort – auf der anderen Seite – besuchte ich den ersten Supermarkt.
Zu behaupten, ich wäre vor Ehrfurcht erstarrt gewesen, würde der Reaktion nicht gerecht. Das hier übertraf einfach alles, was ich mir jemals hätte vorstellen können. Es wirkte auf mich wie eine Stadt voller Lebensmittel, wobei die sich kreuz und quer dahinziehenden Gänge die Straßen darstellten. Ich erlebte einen mir vollkommen neuen Überfluss. Niemals hätte ich ahnen können, aus 50 verschiedenen Kaffeesorten auswählen zu dürfen. In Wahrheit hätte ich mir eigentlich nie vorstellen können, allzu große Wahlmöglichkeiten zu haben.
Während eines Besuchs meiner Mutter bei ihrem anderen Bruder, meinem Onkel George, und seiner Frau Florence sah ich den ersten Fernseher. Es war ein großes Möbelstück, vielleicht einen Meter breit, mit zuklappbaren Türen an jeder Seite und einem großen gebogenen Bildschirm in der Mitte. Es muss wohl die Zeit der Abendnachrichten gewesen sein, denn ich erinnere mich an die Nahaufnahme des Gesichts eines Mannes in diesem Kasten in schwarz-weiß. Ich stellte mir vor, wie er dort drinnen saß und zu uns sprach. Ich starrte nur noch auf den Bildschirm, vollkommen überwältigt vom Wunder des Fernsehens. Beim Besuch von Onkel George und Tante Florence ging ich einmal nach draußen und schlenderte die Straße entlang. An der Ecke bemerkte ich ein auffälliges rotes Metallobjekt. Es war nicht groß und schien über einen Hebel zu verfügen. Ich streckte den Arm aus und riss daran.
Um mich herum brach sofort die Hölle aus. Eine Glocke schrillte mit ohrenbetäubendem Lärm. Ich stand wie angewurzelt da. Innerhalb weniger Sekunden hörte ich die näherkommenden Sirenen. Ich hatte noch nie einen Straßenfeuermelder oder diese Art Sirenen gehört, geschweige denn einen Feuerwehrwagen gesehen. Als ich panisch zurück zu Onkel Georges Haus rannte, sauste an mir das längste und größte Fahrzeug vorbei, das ich je in meinem Leben erblickt hatte. Es war blutrot lackiert, genau wie diese Metallkonstruktion, die so einen entsetzlichen Lärm machte, und größer als ein Bus. Ich bemerkte sogar zwei Fahrer, von denen einer vorne und der andere hinten saß. Die Sirenen erschreckten mich zu Tode. Schnell rannte ich in Onkel Georges Haus und setzte mich vor Angst wie von Sinnen still in eine Ecke. Das hört sich jetzt wie eine Übertreibung an, doch ich fühlte mich damals wie ein Außerirdischer. Ein Fremder in einem fremden Land.
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