Barbara Cartland - Verzeih mir Liebster

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Beau Bardsley, der angesehenste Schauspieler seiner Generation, ist schwer krank. Dennoch zwingt er sich jeden Abend aufzutreten, um für seine Tochter Simona zu sorgen. Eines Abends schlägt ihm der abgeschlagene Herzog von Ravenstone einen Handel vor, der seine Probleme auf längere Zeit lösen würde: eine junge Schauspielerin soll vorgeben, die Frau seines Neffen zu sein, um sich das Erbe eines Onkels zu erschleichen, für entsprechende Belohnung. Beau Bardsley lehnt ab – doch Simona sieht sich in der Not gezwungen, das Angebot heimlich doch noch anzunehmen als ihr Vater kurz darauf zusammenbricht.

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Verzieh mir Liebster

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2016

Copyright Cartland Promotions 1985

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

1. ~ 1803

„Wie fühlst du dich, Papa?“

„Es geht schon“, keuchte Beau Bardsley, setzte sich an seinen Schminktisch und sah mit einem fast verzweifelten Ausdruck in den Spiegel.

Simona stand hinter ihm und wußte sich nicht zu helfen. Der Hustenanfall hatte ihren Vater wieder einmal sehr erschöpft.

Wortlos brachte Joe Hewitt, der Kostümier, ein Glas Cognac mit Wasser und stellte es neben die Schminktöpfe.

Beau Bardsley trank ein paar Schlucke.

„Du hättest nicht mit hierher kommen sollen“, sagte er danach zu seiner Tochter.

„Aber jetzt bin ich da, und jetzt bleibe ich“, sagte Simona. „Du weißt so gut wie ich, daß du heute nicht hättest auftreten sollen.“

Beau Bardsley entgegnete nichts, aber es war beiden klar: Er mußte arbeiten. Sie brauchten das Geld zum Leben. Außerdem sollte in einer Woche über eine Aufbesserung der Gage entschieden werden.

Beau Bardsley zog mit zitternder Hand die Uhr aus der Tasche.

„Sie haben noch genug Zeit, Mr. Bardsley“, sagte Joe Hewitt beruhigend.

Beau Bardsley stieß einen tiefen Seufzer aus.

Jeder wußte, was es ihn für eine Anstrengung kostete, sich in das Kostüm zu zwängen, das er als Hamlet trug. Zum Glück hatte er die Rolle schon so oft gespielt, daß er den Text im Schlaf kannte. Und wenn er dann erst einmal im Rampenlicht stand, würde er - wie immer -vom Applaus seiner Bewunderer angestachelt, sein Äußerstes geben.

Das Theatre Royal in der Drury Lane füllte sich währenddessen mit einem Publikum, das überzeugt davon war, daß Beau Bardsley einer der besten Schauspieler war, der je im Old Drury auf der Bühne stand. Obwohl das Theater im Moment schwer zu kämpfen hatte, kam man seinetwegen.

Mrs. Sarah Siddons, die hier einundzwanzig Jahre lang als die unangefochtene Königin regiert hatte, war aufs Land gefahren, um sich auszuruhen. Nach einer gewissen Zeit war sie nach London zurückgekommen, aber nicht in die Drury Lane. Sie hatte das Covent Garden vorgezogen.

Eine Schauspielerin zu finden, die sie hätte ersetzen können, war schier unmöglich. Solange jedoch Beau Bardsley noch im Theatre Royal spielte, war das Haus ausverkauft. Unglücklicherweise mußte er aber aus gesundheitlichen Gründen hin und wieder eine Vorstellung absagen.

Jetzt griff er nach dem Fettstift, und als er Simona im Spiegel sah, schüttelte er den Kopf. „Du hättest nicht mit hierher kommen sollen“, sagte er noch einmal. „Du kennst meine Einstellung. Ich möchte nicht, daß du im Theater gesehen wirst.“

„Aber Joe kann doch deine Besucher abwimmeln“, sagte Simona und lächelte. „Ganz abgesehen davon mußt du dich in den Pausen ausruhen und darfst nicht auch noch Leute empfangen.“

„Ich habe deiner Mutter in die Hand versprochen, daß du nichts mit dem Theater zu tun haben würdest“, sagte Beau Bardsley.

„Und wir werden uns immer an das Versprechen halten“, sagte Simona. „Aber daß ich dich allein lasse, wenn du dich nicht wohlfühlst, das würde sie bestimmt nicht wollen. Wäre es nicht klüger, die Vorstellung abzusagen, Papa?“

Simonas Besorgtheit war alles andere als unbegründet. Beau Bardsley war sehr blaß, seine Lippen waren blutleer, seine Lider schwer.

„Ich muß spielen“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Joe, bitte gib mir noch einen Schluck Cognac.“

Der Kostümier nahm das Glas und ging damit zu einem Tablett voll von Flaschen und Gläsern. Simona wußte nur zu gut, wieviel Geld es den Vater kostete, Herrschaften aus der Gesellschaft, die ihn umschwärmten, zu bewirten. Aber nicht nur ihnen gegenüber war er von einer Großzügigkeit, die schon fast an Dummheit grenzte. Auch Kollegen, die Aufmunterung oder ein Gläschen zum Ansporn brauchten, gaben sich bei ihm die Tür in die Hand.

Gut drei Viertel von Beau Bardsleys Wochengage, schätzte Simona, verschwanden in die Taschen von Leuten, die ihm geschickt etwas vorjammerten oder tatsächlich in Not waren. Viele aus der Schauspielerei wären ohne einen Beau Bardsley abgerutscht, verhungert oder im Gefängnis gelandet. Beau Bardsley brauchte nur einmal mit jemand auf der Bühne gestanden zu haben und fühlte sich auch schon verpflichtet, Schulden zu übernehmen oder sonstwie zu helfen.

Und die Folgen seiner Großzügigkeit hatten dann seine eigene Frau und seine Tochter zu spüren bekommen.

Trotz all der Jahre beim Theater hatte er keine Ersparnisse. Seine Gagen waren immer relativ hoch gewesen, aber jeder Penny war ausgegeben worden, nicht zuletzt für andere.

Aber Simona hätte ihren Vater nicht anders haben wollen. Selbst wenn es ihm nicht gut ging und er sogar Mühe hatte zu sprechen, hatte er eine Ausstrahlung, die jeden faszinierte. Sein Publikum war in seinen Bann gezogen. Seine tiefe Stimme drang bis in die Herzen aller vor.

Nach dem zweiten Cognac kam wieder etwas Farbe in Beau Bardsleys Gesicht. Er zog Jackett und Weste aus und machte sich daran, sich zu schminken.

Beau Bardsley war der Sohn eines Pfarrers. Er war in Bath Abbey aufgewachsen und mit sechzehn von zu Hause weggelaufen, um zur Bühne zu gehen. Das Theater war seine Leidenschaft gewesen. Nachdem er ein paar Jahre lang in London kleinere Rollen an verschiedenen Häusern gespielt hatte, war er in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Sein Vater war inzwischen in einen anderen Sprengel versetzt worden, und am Theater in Bath Abbey waren junge, enthusiastische Schauspieler, die später alle berühmt werden sollten.

Zu ihnen hatte Sarah Siddons gehört. Als äußerst intelligente Frau, die vor allem in tragischen Rollen stürmisch gefeiert wurde, hatte sie nach Schauspielern gesucht, mit deren Zusammenspiel sie ihre Fähigkeiten noch steigern konnte. Daß sie den selten gutaussehenden Beau Bardsley als Partner bevorzugte, hatte damals niemanden gewundert.

Sarah Siddons wurde die größte Schauspielerin Englands.

Als sie 1782 in das Theatre Royal in der Drury Lane ging, hatte sie den Vertrag nur unter einer Bedingung unterschrieben: Auch Beau Bardsley mußte engagiert werden.

Und jetzt waren es noch fünf Minuten bis zum Beginn der Vorstellung. Beau Bardsley kam hinter dem Paravent vor, und Simona sah den Vater ängstlich an. Wie schon so oft jedoch hatte die Theateratmosphäre Besitz von ihm ergriffen. Seine Haltung war aufrecht, er trug das Kinn höher, in seinen Augen lag das Glühen, das sein Publikum gefangen hielt.

Das Kostüm stand ihm fabelhaft. Sein schlanker Körperbau, der in normaler Kleidung manchmal fast kränklich wirkte, unterstrich die Jünglinghaftigkeit, die er in seiner Rolle personifizierte. Er ging zum Schminktisch, trug mit der Hasenpfote noch etwas Rouge auf und zog die Augenwinkel nach.

„Du siehst phantastisch aus, Papa!“ rief Simona.

Beau Bardsley lächelte.

„Solange ich auf der Bühne bin, bleibst du bitte hier“, sagte er und wandte sich an Joe Hewitt. „Es wird niemand hier hereingelassen, ist das klar?“

„Ich passe schon auf sie auf, Mr. Bardsley“, versprach der Kostümier.

Mit einem letzten Blick in den Spiegel ging Beau Bardsley zur Tür.

„Viel Glück, Papa“, sagte Simona.

Er lächelte die Tochter an, dann ging er, und Simona hörte ihn draußen mit Leuten sprechen.

Wie sehr sie sich gefreut hätte, wenn sie in der ersten Reihe hätte sitzen und ihn in einer seiner berühmten Rollen hätte sehen dürfen. Doch das ging nun einmal nicht, und so stand Simona auf und machte sich ganz automatisch daran, den Schminktisch aufzuräumen.

Ihr Blick fiel auf die kleine Miniatur, die ihr Vater immer bei sich hatte. Die Figur stellte ihre Mutter dar und war von unbeschreiblicher Ähnlichkeit.

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