Ein spannender Sommer. Ein furchtbares Geheimnis. Ein düsteres Verbrechen.
Die vierzehnjährige Lina Saisew und ihr Zwillingsbruder Jan sind besonders eng miteinander verbunden. Eines Tages verschwindet Jan. Alles, was in Linas Leben Bedeutung hat – Zuneigung, Vertrauen, Sicherheit –, geht mit ihm. Lina zerbricht. Sie spricht nicht mehr, misstraut Erwachsenen, zieht sich vollkommen zurück. Als Nick gebeten wird, sich um das verstörte Mädchen zu kümmern, sieht er sich schon bald von Mauern aus Absurditäten, Geheimnissen und Ungereimtheiten umgeben. Er beginnt zu ahnen, dass Lina etwas Grauenvolles widerfahren ist. Etwas, das schlimmer und zerstörerischer ist als das Verschwinden ihres Bruders. Nick findet heraus, was Lina passiert ist – und nichts ist mehr wie vorher.
Eine bewegende Geschichte über die Verarbeitung eines Traumas, die fesselt, erschüttert und lange nachhallt.
Sabine Ludwigs
Der Sommer mit dem
Erdbeermädchen
© 2012
© 2015 OCM GmbH, Dortmund
Gestaltung, Satz und Herstellung:
OCM GmbH, Dortmund
Verlag:
OCM GmbH, Dortmund, www.ocm-verlag.de
ISBN 978-3-942672-44-3
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt auch für die fotomechanische Vervielfältigung (Fotokopie/Mikrokopie) und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Über dieses Buch Über dieses Buch Ein spannender Sommer. Ein furchtbares Geheimnis. Ein düsteres Verbrechen. Die vierzehnjährige Lina Saisew und ihr Zwillingsbruder Jan sind besonders eng miteinander verbunden. Eines Tages verschwindet Jan. Alles, was in Linas Leben Bedeutung hat – Zuneigung, Vertrauen, Sicherheit –, geht mit ihm. Lina zerbricht. Sie spricht nicht mehr, misstraut Erwachsenen, zieht sich vollkommen zurück. Als Nick gebeten wird, sich um das verstörte Mädchen zu kümmern, sieht er sich schon bald von Mauern aus Absurditäten, Geheimnissen und Ungereimtheiten umgeben. Er beginnt zu ahnen, dass Lina etwas Grauenvolles widerfahren ist. Etwas, das schlimmer und zerstörerischer ist als das Verschwinden ihres Bruders. Nick findet heraus, was Lina passiert ist – und nichts ist mehr wie vorher. Eine bewegende Geschichte über die Verarbeitung eines Traumas, die fesselt, erschüttert und lange nachhallt.
Prolog Prolog Linas letzte Gedanken vor dem Einschlafen Als ich zum ersten Mal starb, war ich vier Jahre alt. Beim zweiten Mal vierzehn. Wie oft kann ein Mensch innerlich sterben? Wenn der liebe Gott allmächtig ist, dann müsste er das Böse, das Schlimme, das einem Menschen widerfährt, doch eigentlich verhindern. Das tut er aber nicht. Ich bin der Beweis. Also ist der liebe Gott entweder gut, aber nicht allmächtig. Was bedeutet, dass es etwas Mächtigeres als ihn geben muss – und das wäre logischerweise das Böse. Oder wir sind Gott scheißegal.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Über die Autorin
Linas letzte Gedanken vor dem Einschlafen
Als ich zum ersten Mal starb, war ich vier Jahre alt.
Beim zweiten Mal vierzehn.
Wie oft kann ein Mensch innerlich sterben?
Wenn der liebe Gott allmächtig ist, dann müsste er das Böse, das Schlimme, das einem Menschen widerfährt, doch eigentlich verhindern.
Das tut er aber nicht.
Ich bin der Beweis.
Also ist der liebe Gott entweder gut, aber nicht allmächtig. Was bedeutet, dass es etwas Mächtigeres als ihn geben muss – und das wäre logischerweise das Böse.
Oder wir sind Gott scheißegal.
Nick Ritter ließ seinen Blick ein letztes Mal über das Zeugnis schweifen. Dabei kaute er auf der glatten Innenseite seiner Backe herum, als wäre sie aus Kaugummi.
Das Zeugnis war okay, fand er. Es machte zwar nicht so viel her wie das letzte, in dem er, bis auf zwei Befriedigend in Kunst und Religion, nur Zweier gehabt hatte – diesmal war es umgekehrt. Außerdem stand er in Mathe und Englisch ausreichend. Aber er war ohne Schwierigkeiten in die zehnte Klasse versetzt worden. Und darauf kam es schließlich an. Er hörte mit dem Kauen auf, stopfte das Blatt in seinen Rucksack und verschloss ihn.
Es gongte.
„Auf Wiedersehen und schöne Ferien“, verabschiedete Frau Winter sie in bester Stimmung. Die Klassenlehrerin packte ihre Sachen ähnlich hastig zusammen, wie ihre Schüler es taten.
Nick verstand das gut. Sie schien ja kaum viel älter zu sein als die aus der Oberstufe. Wenn Frau Winter als Pausenaufsicht über den Schulhof schlenderte, konnte man sie leicht mit einer Schülerin verwechseln. Ihm, Nick, war das schon einmal passiert: Er hatte Frau Winter einen freundschaftlichen Rempler verpasst, weil er glaube, sie wäre Katharina. Zum Glück war Frau Winter nicht verärgert gewesen. Sie lachte lediglich über sein verdutztes Gesicht.
Und nicht nur sie.
Als Nick an Katharinas Lachen dachte, wurden seine Ohren rot. Das merkte er an der kribbelnden Hitze. Drachenohren nannte seine Mutter dieses Phänomen.
Die bekam er andauernd, wenn er an Katharina aus der Parallelklasse dachte, weil ihn das nämlich unweigerlich an seine erste richtige Knutscherei erinnerte.
Das war auf Katharinas Geburtstagsfete im Juni gewesen, zu der sie ihn überraschenderweise eingeladen hatte. Die meiste Zeit stand er abseits und schaute den anderen beim Tanzen zu. Bis Katharina ihn an der Hand in das Getümmel schleifte. Während Bruno Mars „Just The Way You Are“ sang, schmiegte sie ihre Wange gegen seine.
Nach zwei weiteren Songs, von denen Nick nur noch wusste, dass sie definitiv sehr langsam gewesen waren, weil er mit Katharina Klammerblues getanzt hatte, entführte sie ihn aus dem elterlichen Partykeller in den Garten.
In dem Schatten einer Laube, gegen die geweißte Holzwand gelehnt, küssten sie sich. Katharinas Zunge drängte sich zwischen seine Lippen. Sie erforschte das Innere seines Mundes wie ein kleines, neugieriges Tier.
Noch heute, Wochen danach, erinnerte er sich genau an Katharinas Küsse mit dem Pfefferminzgeschmack und an diesen eigenartigen Zustand, in den sie ihn versetzt hatten. Erstmals bekam er eine Ahnung davon, was es hieß, sich unsterblich in jemanden zu verlieben – und er fand es so aufregend, dass er befürchtete, aus seinen Ohren könnten Flammen züngeln, wenn er daran dachte.
Er vermutete, sie mit seiner Unerfahrenheit enttäuscht zu haben. Jedenfalls war es seitdem zu seiner grenzenlosen Enttäuschung zu keiner weiteren Schmuserei mit ihr gekommen.
Das vierklängige Gongen verebbte. Dafür schwollen Stimmengewirr und Gelächter an, wurden lauter und schriller, verdichteten sich zu der typischen Geräuschekakophonie einer Klasse und schließlich, in den Gängen, einer Schule, vor deren Schülern ein langer Sommer lag.
Eine Woge junger Menschen wälzte sich aus dem Gebäude. Nur wenige von ihnen traten den Heimweg zu Fuß an. Ein Teil strebte in Richtung Bushaltestelle, ein weiterer zu wartenden Autos oder wie Nick, Lukas und Marvin zu den Fahrradständern.
Читать дальше