Als Kind, das einsam durch die Moore streifte, war ich kein Team-Player und spielte Rugby und Kricket nur, weil ich es musste. Mein Lieblingssport war Geländelauf, besonders an der Aire entlang, eine Route, die ich oft mit meinem Hund lief. Ich mochte auch Erdkunde und das Studieren der verschiedenen Steinarten, von denen ich schon viele kannte. Am meisten hasste ich Algebra und überhaupt Mathematik, nicht zuletzt, weil unser Lehrer mit einem langen, hölzernen Lineal durch den Klassenraum stolzierte, mit dem er auf den Rücken der Schüler einprügelte, wenn er glaubte, sie seien faul. Niemand konnte mir den Sinn und Nutzen der Differenzial- und Integralrechnung erklären, die ich mied, wo ich konnte, da ich darin überhaupt keinen Wert sah. Obwohl ich Erdkunde mochte und interessiert die Geschichte des britischen Empire nachverfolgte, das sich damals noch bis weit in die Welt erstreckte – Kanada, Südafrika, Indien und Australien –, war ich einfach nicht für eine akademische Laufbahn geboren und konzentrierte mich auf die praktischen Angelegenheiten. Übrigens: Damals waren die kolonialen Besitztümer auf der Karte alle in Pink gefärbt.
Glücklicherweise lehrte man uns dumme „C“-Jungen Holz- und Textilarbeiten sowie Technik, die uns der wunderbarere Will Midgley verklickerte. Die Arbeit mit Metall und Holz kam meinen Vorlieben entgegen. Mit Mr. Midgleys Unterstützung zimmerte ich im Alter von zwölf Jahren eine solide Holzkiste mit gepolsterten Füßen, die ich immer noch besitze. Ich erkannte die spätere Anwendbarkeit dieser praktischen Ausbildung – auf die mich schon mein Vater und mein Onkel vorbereitet hatten –, sodass ich mir von Anfang an viel Mühe darin gab.
Obwohl ich vieles beigebracht bekam, was für Thomas Moore & Sons nutzbar gewesen wäre, erwartete niemand von mir, dass ich in das Familienunternehmen eintrat wie mein Vater und mein Onkel. Besonders Mutter wünschte sich eine bessere Laufbahn, zum Beispiel einen Manager-Job. Ich erinnere mich, wie sie sagte: „Gib dich niemals mit einem Job für 10 Pfund die Woche zufrieden“, und sie war es auch, die mich antrieb. Als ich die Volksschule 1935 im Alter von 15 Jahren verließ, begann ich eine dreijährige Ausbildung beim Wasserwerk von Keighley. Ich mochte den Job, da er mir viel Freiheit ermöglichte. Mein Chef namens J. Noel Wood hatte während des Großen Kriegs als Captain bei der Royal Field Artillery gedient. 1927 heiratete er meine Lieblings-Grundschullehrerin Miss Moffitt. Vielleicht verhielt er sich aus diesem Grund mir gegenüber immer sehr nett?
Die Arbeit beinhaltete auch die Inspektion, bei der man viele Zeichnungen anfertigte. Darüber hinaus musste ich alle in der Stadt ausgeführten Arbeiten dokumentieren, was die Aufzeichnung vom Austausch von Leitungen bedeutete. In praktischer Hinsicht stand das Aufspüren möglicher Lecks auf dem Programm. Dank meines Chefs wurde mir gestattet, den Firmenwagen des Wasserwerks allein zu fahren, bis hin zu den Mooren hinter Haworth und dem Haus der Familie Brontë. Ich nahm Wasserproben aus Bächen, überprüfte den pH-Wert oder das Volumen und die Fließgeschwindigkeit für die Versorgung der Stadt. Die Tätigkeit ähnelte meiner Kindheit, in der ich in Begleitung meines Hunds Billy durch menschenleere Landstriche zog. Doch nun wurde ich für meine Abenteuer in den Dales bezahlt, wo ich ein wildes und unbekanntes Terrain vermaß, in dem sich nur wenige Menschen blicken ließen. Für mich war es die perfekte Arbeit, denn in dieser Zeit vor dem Massentourismus hatte ich ganze Landstriche für mich allein und besuchte den großen allein stehenden Felsen Robin Hood’s Stone oder das heidnische Cowper’s Cross. In Woodhouse Crag fand man den berühmten Hakenkreuz-Stein, in den das Symbol vermutlich von römischen Legionären in geschwungener Form eingemeißelt worden war. Es ist ein uraltes, Glück verheißendes Symbol, das sich die Nazis später unter den Nagel rissen.
Nachdem ich eine feste Anstellung hatte, meinten meine Eltern, mich unbesorgt allein lassen zu können, als sie zu den nächsten Ferien nach Scarborough reisten. Sie schlugen vor, dass ich einen Schulfreund zur Gesellschaft einlud, was ich auch machte. Er kam und war überrascht, dass meine Mutter und Oma Fanny mir das Kochen beigebracht hatten, denn in seiner Familie sah man das noch als reine Frauenarbeit an. Mein Vater, ebenfalls ein Kind seiner Zeit, sah das nicht viel anders. Dadurch war er in der Küche ein hoffnungsloser Fall. Er konnte gerade mal ein Ei kochen oder Senf für eine Pastete erwärmen. „Er muss unbedingt einen Tag vor mir sterben“, sagte Mum immer, „denn ohne mich verhungert er.“ Sie erzog mich zur Selbstständigkeit getreu dem Motto: „Das schaffe ich.“ Schon in frühesten Jahre ermutigte sie mich, in der Küche zu helfen und Mahlzeiten oder Gebäck für uns zuzubereiten wie meine geliebten Haferkekse. Ich war auch ihr „Schläger“, der die Butter für ihren unbezahlbaren Rührkuchen in der Schüssel herumwirbelte, ein Vorgang, der gut 20 Minuten in Anspruch nahm, wodurch ich mir einen schmerzenden Arm einhandelte. Für einen kleinen Jungen mag folgender Gedankengang wohl ungewöhnlich gewesen sein, doch ich sah meinen Vater und dachte: „Tom Moore, du wirst dir dein Essen immer selbst machen und nie von anderen abhängig sein.“ Das war ich dann auch nie, und das bezog sich auf einen langen Lebensabschnitt.
Damals begann ich mich für Mädchen zu interessieren. Im Gegensatz zu Charlie Dinsdale hatte ich es leichter, denn er arbeitete in der Gerberei seines Vaters in der Queen Street, wo sie Bänder aus Tierhäuten herstellten, die man als Spannbänder für die Webstühle in den Fabriken benutzte. Das Gerben war eine stinkende Arbeit, bei der die Haut mit einem Sud aus vergärender Eichenrinde getränkt wurde, woraufhin der Geruch in die Kleidung und die Poren aller Arbeiter eindrang. Es war ein „Parfüm“, das – wie Charlie schnell herausfand – die meisten Mädchen abstieß. Da ich nach frischer Luft, Flüssen und Moos roch, hatte ich natürlich kein Problem. Wir nahmen eifrig am Unterricht in der Sonntagsschule teil, hauptsächlich, weil wir das Mädchen mochten, das dort unterrichtete, und ich war mir ganz sicher, dass ich bessere Chancen bei ihr hatte. Am Ende bekam sie keiner von uns.
Meine erste Freundin war Ethel Whitaker, ein Mädchen aus Keighley, das in einem Schuhgeschäft in der Stadt arbeitete. Dadurch mangelte es mir nie an Schuhwerk. Ich muss ungefähr 14 gewesen sein, als wir miteinander ausgingen, aber das bedeutete lediglich zusammen durch die Stadt zu schlendern, ein Eis zu essen oder das Regent-Kino zu besuchen, in dem gepolsterte Zweisitzer in der letzen Reihe standen. Nach einer Weile machte ich mit ihr Schluss, da ich schnell gelangweilt war und mich auf meine Ausbildung und das Motorradfahren konzentrieren wollte. In der Zeit begann auch das Interesse fürs Wandern und Bergsteigen. Ich versuchte mich an der Felsformation „Cow and Calf“, die laut der Legende durch den Riesen Rombald entstanden war, der bei der Flucht auf den Felsen trat und die Kuh von ihrem Kalb trennte. Ich kletterte dort ohne Absicherung bis auf eine Höhe von 15 Metern hinauf, in ganz normaler Kleidung und mit Schuhen mit dicken Gummisohlen. Obwohl Bergsteiger abstürzten und sich verletzten, waren Helme für solche Aktivitäten erst viele Jahre später ein Thema.
Ich trat damals dem Jugendherbergsverband bei, wodurch ich im ganzen Land in brandneuen und komfortablen Einrichtungen preiswert übernachtete. Auch beim Skipton Potholing Club stand ich auf der Mitgliederliste, und wir erforschten die Höhlen oberhalb von Skipton und Grassington. Es waren Wasserhöhlen, durch Erosion des Kalksteins entstanden. Als Kopfschutz trug ich einen Trilby-Hut, gute, robuste und bis obenhin zugeschürte Stiefel sowie eine wesentlich enger geschnittene Tweedjacke als gewohnt, damit ich mich nicht verfing oder sie an einem scharfen Felsen aufriss. Nachdem mir Vater eine kleine Klappkamera geschenkt hatte, schloss ich mich noch der Keighley & District Photographic Society an, bei der er seine Fotoplatten entwickelte. Er war ein geduldiger Lehrer und motivierte mich immer, noch besser zu werden, mit Kommentaren wie: „Ist das wirklich das Beste, das du herausholen kannst?“ Meist schoss ich Fotos bei den Motorradrennen, während er weiterhin Szenen in und um Keighley einfing, von denen er wusste, dass sie von historischer Relevanz sein würden. Unter anderem knipste er das Verlegen der ersten Straßenbahnschienen in der Stadt, den Bau oder den Abriss verschiedener Gebäude, den Besuch von Würdenträgern, verschiedene Galas und die letzte Straßenbahn, die ins Depot zurückkehrte, wonach die Personenbusse das veraltete Beförderungsmittel ersetzten.
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